Versumpft ...
Kurz vor den Seen passiert es dann: Wir brechen ein! Die Oberfläche sieht trocken aus und ist mit Steinen durchsetzt. Wie wir aber leider gerade feststellen müssen, ist sie wohl trotzdem nicht stabil. Darunter befindet sich Wasser und Lehm! Es muss die letzten Tage stark geregnet haben. Eigentlich sind wir auf der Hauptroute, meinen unsere Navis und unsere Karte. Doch dem ist wohl nicht so. Wenn wir, als Leichtgewicht, hier Probleme haben, kommen die großen beladenen LKW’s definitiv nicht durch. Es muss einen anderen Weg geben. Gut, den haben wir jetzt verpasst und stecken im Schlammassel, oder besser im Lehm ...
Nach ersten Selbstbefreiungsversuchen sitzt die eine Achse im Schlamm auf. Wir brauchten Hilfe, Selbstbefreiung scheint unmöglich. Mongolen kommen herbeigeritten und staunen. Die Schaf- und Kamelherden, die sie mitbringen, staunen auch nicht schlecht, als sie sehen, was da auf ihrem Futter unfreiwillig parkt. Pferdestärken alleine sind hier jedoch nicht ausreichend: Am Horizont tauchen zwar LKW’s auf, aber diese fahren um das Tal herum.
Neben uns halten die Mongolen vom Fernsehen und fangen gleich an zu drehen: Für ein Interview haben wir aber gerade wirklich keine Nerven. Nachdem sie eine Stunde lang schwitzende Deutsche beim Schaufeln und LKW aufbocken gefilmt haben, verfügen sie wohl über genügend Material für die Nachrichten und fahren mit ihrem Jeep weiter. Ich würde zu gerne wissen, ob wir im mongolischen Fernsehen zu sehen waren: "Ausländer kämpfen mit denselben Problem, mit denen wir uns auch rumschlagen!“ Oder eher "Haha, schaut euch diese Ausländer an!" ?
Aber da, ein anderer Overlander taucht auf, ein Truck: Was für ein Glück!
Schnell wird klar, dass er aufgrund des brüchigen Untergrundes nicht nah genug an uns herankommt. Die Abschleppseile werden durch Spanngurte auf ca. 100 Meter verlängert. Der erste Versuch scheitert, der zweite, der dritte. Wir versuchen Loki komplett aufzubocken, die Reifen aus dem Wasser und Lehm zu bekommen und mit Steinen und insgesamt sechs Sandblechen zu unterbauen. Loki ist inzwischen mit beiden Achsen verschwunden und wir haben nur noch einen Spanngurt.
Nach drei Stunden ist es soweit. Die Mücken außen herum haben uns fast aufgefressen: Der letzte Versuch!
Es gelingt, Loki kommt frei!
Wir haben in der Zwischenzeit mit einem Fernglas beobachtet, welchen Weg die LKW`s nehmen: Sie fahren ca. 20 km außen um das Tal herum. Wir schließen uns ihnen an. In dem Pistengewirr ist es nicht einfach, die "richtige" Umgehungsstraße zu finden. Immer wieder zweigen die Pisten ins Tal ab. Wir stoppen und warten auf ein Fahrzeug, das uns passiert, um dessen Spur zu folgen. Es geht über sehr hohe spitze Felsen, mal vorne, mal hinten und auch verschränkt. Loki ächzt und stöhnt. Dies ist aber die einzige Route. Es gibt keine andere, zumindest nicht für einen 7 Tonner. Einmal eingraben reicht heute. Als es beginnt, dunkel zu werden, parken wir einfach an Ort und Stelle an einem Berghang mit herrlicher Aussicht auf die Stelle, an der wir uns Stunden zuvor eingegraben haben. Wodka wird herumgereicht ...
Den Wodka - den einzigen, den wir dabei haben - besitzen wir allerdings an diesem Abend nicht lange: Er wird uns von einem vorbeikommenden Mongolen im Austausch gegen ein Murmeltierfell mehr oder weniger entrissen. Erst bietet uns der freundliche Mongole ein heißes Bad an. So jedenfalls verstehen wir das Öffnen seiner hinteren Autotür, das den Blick auf getrockneten Mist auf der Rücksitzbank freigibt, das Anzünden des Feuerzeugs und die einseifenden Bewegungen, die er macht.
Wir lehnen dankend ab, da wir wissen, dass uns dann, wie immer, auch "Airag" (gegorene Stutenmilch) angeboten werden wird. Heute lieber nicht! Dann entdeckt er unseren Wodka, der fahrlässig auf dem Tisch steht. Er holt ein Fell aus seinem Auto und wirft es auf den Tisch ...
Bei Mongolen und Wodka (normaler aus Weizen, nicht der mongolische aus Yakmilch) scheint eine schnelle Reaktion gefragt. Murmeltierfelle sollte man nicht allzu lange bestaunen, sonst kommt der Handel wohl zustande. Man muss uns aber zugutehalten, dass das Fell uns invers auf den Tisch geworfen wurde. Wir brauchen schon Minuten, um zu erkennen, um was für ein Tier es sich handelt und dann spitze Schreie von uns zu lassen, da bekannt ist, dass Murmeltierflöhe Pestüberträger sind. Der nette Herr deutet dies als Zustimmung, schnappt sich den Wodka und fährt davon.
Ein langer Tag geht zu Ende. Uns steckt das Adrenalin noch in den Knochen. Wir werfen noch einen letzten Blick unter Loki und schlafen dann erschöpft ein ...
Weiter gen Osten
Am nächsten Tag beschließen wir, mit unseren Rettern zusammen bis zum nächsten "Aimag" (Verwaltungseinheit in der Mongolei) Khovd zu fahren. Wir haben beide gesehen, wie schnell man sich in der Mongolei festfahren kann und wie hilfreich es ist, ein anderes zugstarkes Fahrzeug dabei zu haben.
Durch langgezogene Täler, vorbei an Gers und Reitern mit ihren Herden, geht es Richtung Osten. Auf der Karte ist eine Flussquerung eingezeichnet: Ob es wohl eine Brücke gibt? Als uns ein LKW überholt, versuchen wir an ihm dran zu bleiben, um die richtige Stelle für die mögliche Flussquerung zu finden. Wir haben keine Chance: Der LKW rast mit ca. 35 km/h durch die Löcher und über die Felsen. 35 km/h sind einfach zu schnell für uns. Wir sehen nur noch seine Staubfahne hinter der nächsten Ecke verschwinden. Wir holen den LKW jedoch am Fluss wieder ein. Er macht eine Kaffeepause vor der Brücke. Eine Brücke! Also gibt es doch keine Flussdurchfahrt hier. Erleichterung ..!
Weiter geht es durch eine große Hochebene, die quasi nur aus Fahrspuren besteht. Hin und wieder sammelt sich das Gewirr der Wege, später löst es sich in einer Vielzahl von Nebenwegen wieder auf. Hat man Glück, ist einer von ihnen ein wenig besser und man kann mit bis zu 35 km/h davonrauschen. Oftmals biegen diese guten, d.h. weniger befahrenen Wege, aber dann nach Norden oder Süden ab und wir müssen uns einen Weg querfeldein auf unsere "Route" zurück suchen. Mehrmals halten wir und vergleichen den Weg, den unsere Navis uns vorschlagen. Meist sind die Empfehlungen unterschiedlich.
Wir treffen den ganzen Tag kein anderes Auto mehr, das uns bei der Orientierung helfen könnte. Umsonst suchen wir mit unserem Fernglas den Horizont nach Staubfahnen ab. Dann endlich, es ist schon fast Abend, erklimmen wir die letzte steinige steile Anhöhe, auf der es von Adlern und Bremsen nur so wimmelt und sehen auf eine größere Ansammlung von Gers und einigen Steinhäusern im Tal hinab, welche die Mongolen "Khovd" nennen.
Wir sind heute ca. 100 km in 10 Stunden gefahren, allerdings ohne stecken zu bleiben, das ist doch schon mal was. Hinein geht es in die "Stadt" zum nächsten Supermarkt. Die Supermärkte in den Aimagzentren der Mongolei sind unglaublich gut sortiert: Es gibt auch viele deutsche Produkte, wie z.B. Leberwurst zu kaufen.
Auch Obst und Gemüse gibt es hier reichlich, teils zwar nur in Gläsern oder Dosen, für uns ist das aber nicht ganz unpraktisch. Nach dem Einkauf besorgen wir noch schnell eine mongolische Simkarte. 1 GB kosten ca. 10 Euro. Die Netzabdeckung ist zumindest in der Nähe der Aimags sehr gut. 3G! Bankautomaten gibt es dort (in den Aimag-Zentren) an jeder Ecke, Tankstellen auch.
Jetzt müssen wir nur noch die Teerstraße Richtung Osten finden. Wir haben gehört, dass sich hinter jedem Aimag eine neu gebaute, um die hundert Kilometer lange Teerstraße Richtung Osten befindet. Aus der anderen Richtung ist sie schwer zu treffen und selbst wenn man sie finden sollte, es gibt keine Auffahrten!
Die Böschung ist so steil, dass selbst die Mongolen selten versuchen, von der Seite auf die Straße hinauf zu fahren. Es muss ziemlich frustrierend sein, Offroad mit ca. 20 km/h neben einer Teerstraße her zu fahren. Wie frustrierend werden wir noch feststellen ..!
Wir finden die Straße vom Aimag aus relativ einfach, obwohl unser Navi hierzu schweigt und zahlen die ca. 4 Euro Straßennutzungsgebühr gerne! Die Teerstraße ist sogar 170 km lang und endet an einer Oase. Die Landschaft hat sich inzwischen verändert: Wir haben das Gebirge verlassen, obwohl wir uns immer noch auf 2.000 Metern Höhe befinden. Eine riesige Wüstenebene liegt vor uns, umrahmt von schneebedeckten Gipfeln. Es erwarten uns immer noch ca. 250 km Pisten bis zum nächsten Aimag "Altai", und dieses Mal geht es durch die Wüste.
Für heute sind wir aber genug gefahren. Das nächste Offroadabenteuer kann bis morgen warten ...
© 2014-2015 Astrid Eisheuer & Sven Gruse, www.rightbeyondthehorizon.com