Weiterfahrt nach "Meski Bleu"

Ausgeruht und gut gelaunt geht es am nächsten Morgen weiter über Azrou und Midelt, doch zuvor muss man über eine Passstraße die Berge erklimmen, die Gegend nennen die Marokkaner "Kleine Schweiz" - es ist wirklich eine herrliche Landschaft. Die Häuser haben steile Ziegeldächer und ähneln denen in der Schweiz, auch die Temperatur fällt hier oben ein paar Grad ab. Hier leben die Reichen, es gibt eine Universität in Ifrane, selbst Skilifte soll es hier geben. 

In Richtung Col du Zad (2.178 m) bei Ait Oufella befindet sich auf ca. 1.970 m ein kleiner Vulkankegel, in den wir gleich hinein fahren, ein paar Fotos schießen und Souvenirs sammeln. Vulkane haben auf mich immer eine anziehende Wirkung, geht doch von ihnen ein Mythos aus: Genau an dieser Stelle, wo wir jetzt stehen, hat er sein Feuer ausgespuckt ...

Unter dem Vulkan ...

In Midelt hält es Dieter nicht mehr aus, er hat einen großen Koffer gebrauchter Jacken, Hosen und Schuhe zum Tauschen eingepackt, hier lässt er sich von einem Berber in sein Haus einladen, wir natürlich alle mit. Es gibt traditionell zuerst "Whisky marocaine", also sehr starken Minzetee, vom dem man am Anfang richtig benommen ist, er wirkt wie Alkohol. Die beiden handeln eine Stunde, bis ein Teil der Kleider in Teppich verwandelt ist. Aus Freude, oder um seine Nachbarn über das gute Geschäft zu informieren, trommelt uns der Berber noch etwas vor, bevor wir weiter fahren.

Dieter tauscht Kleider und ... ... wir haben die "Beduinin" Johanna ...

Durch eine Hochgebirgsgegend  mit einem kleinen Fluss schlängelt sich die Straße, auf saftigen Wiesen stehen hunderte von Störchen, die hier überwintert haben und wahrscheinlich bald nach Europa zurück fliegen werden. Sanft geht es auf dem Bergrücken wieder hinunter bis Er Rachidia, früher Ksar es Souk genannt. Zunächst ist man erstaunt über die vielen Ksar  mit einem rötlichen Anstrich, verstärkt durch das Licht der untergehenden Sonne, alles sieht noch so neu aus. Im Reiseführer kann man nachlesen, dass die alte Stadt abgerissen und neu erbaut wurde, diese also historisch betrachtet wertlos ist ... 

Außer einem großen Militäraufgebot ist nicht viel erwähnenswert, deswegen fahren wir auch gleich weiter. Etwa 20 km südlich befindet sich allerdings eine Attraktion, es sind die blauen Quellen von Meski, das ist unser nächstes Domizil. Den Schildern zum Campingplatz folgend, fahren wir einige Serpentinen hinunter in ein Tal, direkt an den senkrechten Fels schmiegt sich eine Oase mit sehr vielen großen Palmen. 

Camp Meski Bleu Nachdem auch wie zuvor fast niemand da ist, dürfen wir uns hinstellen, wo wir wollen. Der Platzwart und einige Händler sprechen fast perfekt deutsch, so fällt die Unterhaltung leicht. Nachdem wir nach einigem Rangieren endlich den besten Platz gefunden haben, schauen wir uns erst einmal die Quellen an. Nur etwa 30-40 Meter von unserem Platz entfernt sind die Swimmingpools, durch die dicken Palmen fast nicht zu sehen. Das größte Becken dürfte so ca. 25 x 12 m groß sein und ist mit Steinplatten wie ein Schwimmbad eingefasst.

Das Wasser fließt aus einem Loch im Fels ständig nach, so dass ständig frisches Wasser im Becken ist. Da es aber direkt aus der Erde kommt, hat es einen etwas modrigen Beigeschmack, das tut aber der Freude über ein frisches Bad keinen Abbruch. Da es uns so gut gefällt, beschließen wir zwei Tage zu bleiben - bis am Freitag zig Kleinbusse mit Schulkindern und Sportvereinen kommen und Meski bleu in Beschlag nehmen. Da werden Teppiche ausgebreitet, Musikinstrumente ausgepackt, es wird musiziert und getrommelt. In der Nähe steht eine Schulklasse in mehreren Reihen aufgestellt, die Lehrerin sagt einen Text vor und die Kinder leiern alles nach. Es wird in riesigen Töpfen auf Gaskochern gekocht und gegrillt und nicht zuletzt werden wir von Kindern umringt, für die wir natürlich die Exoten sind.

Wir fahren weiter Richtung Süden entlang dem Oued Ziz. Die Straße ist zunächst eingesäumt von Palmen und grünen Feldern, die mit dem bisschen Wasser herrlich gedeihen. Irgendwann sieht man etwas abseits der Straße eine Wasserfontäne, natürlich biegt man da sofort ab, um sich das anzuschauen, das Becken besteht aus schwefelhaltigen gelben Ablagerungen und um uns regt sich plötzlich Leben. Fossilienhändler kriechen unter Planen hervor, die man zuvor gar nicht sah und decken ihre Schätze auf, wir sind zum Tauschen bereit und so wechseln Kleider, Schuhe und Fossilien ihre Besitzer. 

Die nächste Station ist Erfoud, nach unseren Maßstäben eine kleine Stadt, gemessen an der geographischen Lage am Rande der Wüste aber groß. Hier gibt es wieder Banken, Hotels, Restaurants und mehr. Vor allem hat dieser Ort durch den Tourismus zugelegt, haben doch hier einige Reiseveranstalter den Ausgangspunkt für Jeepsafaris oder Kamelkarawanen in die Wüste. Auf einem neuen Campingplatz in der Stadt lassen wir uns zunächst nieder, allerdings sind die Bäume erst einen halben Meter hoch und es gibt keinerlei Schatten. Auch hier das gleiche Bild: Wir sind wieder die einzigen Gäste.

Es ist erst Mittag, wir haben noch Zeit und schauen uns die Nachbarstadt Rissani an. Zwischen Erfoud und Rissani liegen Welten, zunächst sind die Leute in Rissani extrem aufdringlich und wir tun gut daran, einen zuvor abgelehnten Führer doch noch zu nehmen, er hält einem die allzu aufdringlichen Leute etwas vom Hals, kennt sich natürlich aus und führt uns durch den Souk und ein Ksar, in dem die Menschen leben. 

Am Tor vor Rissani Souk Rissani: Wir mit Führer ...

Im Souk wird man nicht gerade mit offenen Armen empfangen - da die Leute ums Überleben kämpfen müssen, haben sie nicht gerade viel Sinn für neugierige Touristen, mit einem Fotoapparat am Hals wird man mit manch einem bösen Blick gestraft und auch eindeutig ermahnt, nicht zu fotografieren.

Der Souk ist mit altem Geflecht aus Ziegenhaardecken abgedunkelt, um Schatten und kühlere Temperaturen zu erreichen, für Neulinge nicht gerade einladend ...

Interessant sind die vielen Handwerker, die aus alten Teilen neue fertigen. So werden z.B. aus alten Blattfedern Werkzeuge, Haken und Pflugmesser geschmiedet, aus Tamarisken (Baum der Wüste) werden allerlei Möbel, Körbe und sogar Särge gefertigt. 

Nicht unerwähnt bleiben dürfen natürlich auch die Gerüche, die uns ziemlich fremd sind. Da werden z.B. Wasseramphoren mit einer Art Teer von innen eingeschmiert, was einen frischen Geschmack  des Wassers ergeben soll. Dann stolpert man durch dunkle Gassen, in denen die Metzger ihren Bereich haben - die Gerüche sind ebenfalls eindringlich in der Hitze und verleiten uns hier nicht gerade zum Shopping. Bereits am Anfang unseres Rundganges zeigt mir ein Händler einige Schmucksachen - ein Kreuz des Südens hätte mir gefallen, wenn es von besserer Qualität gewesen wäre. Hier versteht man übrigens mein Arabisch sehr gut, alle fragen mich, woher ich Arabisch kann und so erkläre ich halt immer wieder, dass ich früher einige Jahre im Mamlakat Arabia a Saudia gearbeitet hätte (Königreich Saudi Arabien).

Eselmarkt ...Nachdem der Schmuckhändler, der schon mindestens 15 Minuten an mir hing, merkt, dass mir seine Kollektion nicht gefällt, saust er los und holt irgendwo andere Sachen her, die aber auch nichts besonderes sind. Jetzt wird er schon sehr direkt und will unbedingt ein Geschäft machen - nachdem ich meinen Preis immer wieder bestätige, gibt er irgendwann auf und fragt, warum ich seinen Preis nicht akzeptiere - "das sei für mich weniger als ein Sack Kartoffeln". Aber es war wirklich nur ein Stück geklopftes Blech, nicht einmal gegossen, wie man es in Algerien bekommt. 

Wir stehen plötzlich in einem Hinterhof, dem Tiermarkt - hier werden Ziegen, Esel und Kamele gehandelt. Unser Führer sagt, dies seien die Berber Mercedes. Da fallen mir auch wieder die vielen Hilferufe der Esel in der vergangenen Nacht ein.

Ein arabisches Sprichwort sagt, wenn der Esel früh (4 bis 5 Uhr)  zur Feldarbeit geholt wird, schreit er sein Leid in die Welt hinaus! Nach dieser Aussage haben die Esel in Meski bleu ein schweres Leid ertragen müssen, sie schrien so lange und holten dabei so tief Luft, dass man glaubte, jetzt seien sie umgefallen - bis es aber dann doch wieder weiter ging ...

Zwischenzeitlich ist auch unser Rundgang zu Ende und wir sind wie durch ein Wunder wieder einmal in einem Teppichladen bei der üblichen Teezeremonie gelandet: Selbstverständlich sind die Wüstenteppiche von viel besserer Qualität als die der Berber in den Bergen, schließlich müssen die hier auch mehr aushalten.

Um unsere Kauflust zu steigern, bekommen wir jetzt Fotos von Mario Adorf gezeigt, der während Dreharbeiten hier war und schließlich auch Teppiche kaufte - nur wir heißen nicht Adorf und haben auch keinen Anhänger für alle Souvenirs dabei. Höflich, aber bestimmt verlassen wir den Laden, unser Führer hatte draußen auf uns gewartet. Leider gibt es für ihn auch keine Provision, er bringt uns zurück zu unseren Autos und wir geben ihm den vorher vereinbarten Betrag, den er ohne zu murren nimmt, und wir dachten schon, es gäbe wieder eine endlose Diskussion. Er sagt nur ganz stolz "Ich bin offizieller Führer" (und da fragt man nicht nach Bakschisch, auch wenn das hierzulande selbst beim Arztbesuch erforderlich ist - meine Interpretation!) ...


© 2002 Walter Troll