Die römische Vergangenheit
Wir folgen der Atlantikküste in Richtung Süden bis Larache. Der Landschaft nach könnte es auch in Spanien sein, wenn da nicht überall arabische Straßenhändler mit ihren typischen Souvenierständen und tausenden von Töpfen, Tachinen, Tellern und Aschenbechern wären ...
In Larache biegen wir ab: Unser Weg führt uns weiter nach Ksar el Kebir und Souk el Arba du Rharb, bis wir zur antiken römischen Stadt Volubilis kommen.
Inzwischen hat sich das Klima geändert und es herrscht eine enorme Hitze - das Thermometer zeigt bereits 36°C im Schatten an. Die Besichtigung von Volubilis lohnt allemal, denn nur hier in den antiken Mauern ist man der Geschichte wirklich nahe - man kann sich genau vorstellen, wie das Leben ablief und welche Ordnung hier vor 1800 Jahren durch die Römer eingeführt wurde. Auch sind die Hauptstraßen und Tore noch gut erhalten und "Mosaike", der aufwendige Baustil der Römer, zeigt, dass deren Herrschaft nicht nur von kurzer Dauer sein sollte ...
Nur vier Kilometer entfernt ist das Grabmal des marokkanischen Staatsgründers Mulay Idris in der gleichnamigen Stadt. Tagsüber dürfen wir Ungläubigen einige Teile der Stadt betreten, d.h. der heilige Bezirk ist für uns tabu. Die kleine Stadt ist auf einen Hügel gebaut und wie alle arabischen Städte sehr unübersichtlich und verwinkelt, am Marktplatz bietet sich ein Führer an, den wir für ca. DM 10 anheuern.
Wir tun gut daran, denn er führt uns durch die verwinkelte Altstadt bergauf und bergab. Er gibt sich wirklich alle Mühe, uns alles zu zeigen, angefangen von der runden Moschee bis zum Grabmal von Moulay Idris, das wir von oben, von einer Terrasse aus sehen können. Dann geht es wieder hinunter durch die alte Medina, durch den Souk, wo wir noch Baklawa (türkischen Honig) kaufen. Unterhalb der heiligen Moschee wandeln wir durch Arkaden und hier gesteht uns der Führer schließlich flüsternd mit vorgehaltener Hand, dass die Moschee auf den Grundmauern einer christlichen Kirche aufgebaut sei, dies dürften die gläubigen Moslems aber nicht wissen. Abends werden die Stadttore nach wie vor geschlossen und Nicht-Moslems müssen die Stadt verlassen. Dies stellt für uns natürlich kein Problem dar, denn hier wollten wir sowieso nicht übernachten. Wir fahren noch etwas weiter Richtung Meknes, bis wir nach etwa 10 km bei Ain el Kerma einen Campingplatz mit Piscine finden.
Auch hier sind wir die einzigen Gäste - um so mehr hat der Inhaber Zeit für uns, zeigt uns seinen Platz mit swimming pool (wasserlos) und Garten, alles war sicher einmal sehr schön, aber leider ist schon alles ein bisschen verschludert ...
Am nächsten Morgen um 7 Uhr haben wir bereits 27°C und bei der Abfahrt gegen 9 Uhr sogar schon 32°C: Das kann ja noch warm werden heute! Als wir aufstehen, hat der Platzbesitzer schon Tee gekocht und begrüßt uns gleich am frühen Morgen mit Tee marocaine - der zieht da so richtig rein!
Weiterfahrt nach Meknes und Fes, die Temperatur im Auto steigt bis auf 42°C. Da kann man nur noch die Fenster schließen, denn da bringt die Luft keine Kühlung mehr, man empfindet nur noch einen riesigen Heißluftfön. Das ist so der Zeitpunkt, bei dem auch ich lieber Wasser trinke (sonst am liebsten eher Weizenbier ). Da das Wasser im Fußraum kocht und die Pelletierkühlbox nicht mehr nachkommt, werden nasse Tücher um die Flaschen gewickelt und so kann man das Wasser wenigstens auf Trinktemperatur kühlen. Unsere Freunde im dunkelgrünen Dieseltoyo haben mehr mit der Hitze zu kämpfen - das Fahrzeug lässt sich nicht herunterkühlen und so haben sie Temperaturen um 50°C im Auto. Bis jetzt haben wir bereits 2.900 km zurückgelegt und unsere Freunde möchten in Fes einen Ruhetag einlegen ...
Camping in der Königstadt Fes
Vor den Stadttoren von Fes kommt ein Mopedfahrer angefahren, der sich anbietet, uns zum Campingplatz zu geleiten: Er sagt, es gebe einen neuen Platz nahe der Stadt, der habe aber noch keine schattenspendenden Bäume, der andere dagegen, etwas außerhalb, habe große Bäume, zu diesem wollen wir, er heißt "Camping Diamant Vert".
Wir sind wirklich sehr angetan, es gibt hier auch ein Schwimmbad und andere Sportmöglichkeiten, allerdings ist auch hier noch kein Wasser im swimming pool, dafür sind wir erneut fast die einzigen Gäste. Die sanitären Anlagen werden auch hier dem arabischen Standard gerecht. Wir parken unsere Autos rückwärts zu einem kleinen Bach, in dem Schildkröten liegen und gelegentlich zum Atmen an die Oberfläche kommen ...
Wir stehen im Schatten von Feigenbäumen, die mit ihren großen Blättern Schatten spenden - sie wachsen uns fast direkt bis in den Mund, sind aber noch nicht ganz reif. Also eigentlich ideale Bedingungen für einen Ruhetag, doch mir geht etwas ganz anderes durch den Kopf: Bereits vor unserer Abfahrt in Deutschland war mir aufgefallen, dass meine Ölwanne etwas tropfte, aus Sicherheitsgründen hatte ich mir vom Opelhändler eine Reservedichtung mitgenommen. Daran denke ich nun, das Tropfen der Ölwanne - nicht zuletzt durch die große Hitze begünstigt - und meine neue Dichtung oben im Dachkoffer beschäftigen mich zunehmend. Wer mich kennt, weiß, dass Ruhetage nicht mein Ding sind, also dauert es auch nicht lange, bis ich mit der neuen Dichtung unter dem Auto liege ...
Der ADAC - dein Freund und Helfer ...
Schnell ist das Öl abgelassen, sind die Schrauben der Ölwanne gelöst und säuberlich aufgereiht abgelegt. Jetzt muss die Ölwanne runter! Allerdings ist das nicht so einfach, da die Achse im Weg ist und ein Ablassen der Ölwanne nicht zulässt.
Entweder muss jetzt der Motor gelöst und hochgehoben werden, oder aber die Achse gelöst und abgesenkt. Die Dichtung hatte ich schon herausgezerrt und dabei mit Schrecken festgestellt, dass da zwei Dichtungen drin sind und dazwischen das Schwallblech liegt, das auch komplett raus muss. Ich erkenne meine Sch...situation und fluche über Opel - hätte mir der Meister doch sagen können, dass da zwei Dichtungen rein müssen!
Es ist so gegen 16 Uhr, als ich mich mit meinem Handy hinsetze und die Auslandsnummer des ADAC anrufe. Der Mann von der Hotline sagt, er rufe jetzt in Rabat an und ich solle mich etwas gedulden, ich würde zurückgerufen ...
Tatsächlich vergehen nur 20 Minuten: Eine freundliche Frauenstimme vom ADAC Rabat meldet sich bei mir. Ich erkläre ihr das Problem, dass mein Wagen fahruntauglich sei und in eine Werkstatt müsse, sie fragt mich, ob es noch heute sein müsse oder es auch erst morgen früh gegen 9 Uhr genüge? Ich staune und vereinbare 9 Uhr am nächsten Morgen.
Meine Freunde sind nur ungläubig und lachen über mich, dass ich so etwas hier glauben könne! "Ja, ja, 9:00 Uhr" höre ich nun noch öfter.
Am nächsten Morgen stehen wir auf, frühstücken rechtzeitig und keiner außer mir glaubt an die Aktion. Bis gegen 9:10 Uhr das Campingplatztor aufgeht, ein Krankenwagen mit Blaulicht und ein Abschleppwagen einfahren. Nachdem fast niemand außer uns am Platz ist, spähen die Leute sofort zu uns, ich hebe den Arm und schneller als geschaut hängt mein Auto schon am Haken und ich auf dem Beifahrersitz. Der Krankenwagen fährt wieder mit Blaulicht voraus und bahnt den Weg für uns.
Ich schalte noch schnell mein GPS ein, um den Weg aufzuzeichnen, da ich nicht weiß, wo es hingeht. Wir fahren direkt zum Place Central, in die AUTO OASE, wo es noch mehrere Autowerkstätten gibt. Der ADAC-Beauftragte verhandelt mit dem Werkstattbesitzer, erklärt ihm mein Problem, kommt zurück und sagt, es koste 150 Dirham! Was, frage ich, das Abschleppen? Nein, das übernimmt der ADAC! Nein - die Reparatur! Das sind gerade mal DM 30 - ob ich mit dem Preis einverstanden sei? Welche Frage! Sofort beginnt die Montage ...
Als alles nach ca. 2 Stunden fertig ist, folgt der Probelauf und wir trauen unseren Augen nicht: Das Öl läuft wie aus einem Brünnchen davon - erste Diagnose: Simmerring!
Bei diesem Wort stehen einem Mechaniker zunächst Nacken und Kopfhaare auf: Es bedeutet, dass alles umsonst war und der ganze Motor einschließlich Kupplung raus muss, es ist die Dichtung, die am ungünstigsten im ganzen Motor sitzt und die Kurbelwelle im Motor abdichtet. Was tun? Keine Frage! Die muss ersetzt werden.
Jetzt beginnt die Verhandlung mit dem Werkstattbesitzer, der sehr fair ist und meine Situation nicht ausnutzt: Nach einigem Hin und Her steht der Preis fest, alles in allem einschließlich der 150 Dirham von zuvor - 500 Dirham plus Material, das heißt gerade mal DM 100 plus Material. Also wird sofort losgelegt, gegen 18 Uhr ist alles fertig und ich habe mein Auto wieder, die Dichtungen wurden mit Spezialsilikon verklebt und halten heute noch. Nach allem glaube ich, mir konnte nichts besseres passieren, denn hier in Deutschland wäre dies eine kostspielige und langwierige Angelegenheit gewesen. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank dem ADAC, der mir schon zweimal auf einer Marokkofahrt geholfen hat.
Die Handarbeit ist nicht viel wert in Marokko und Kinder sind überall dort beschäftigt. Die Geschichten, die man an einem solchen Tag in der Werkstatt und der nebenan liegenden Bäckerei nebst Café erlebt, wären allein eine Erzählung wert, das würde aber natürlich jeden Rahmen sprengen ...
Dank meinem GPS Gerät finde ich auf dem kürzesten Weg zurück zum Campingplatz, genau auf der selben Spur, auf der ich hingeschleppt wurde. Meine Frau erwartet mich schon sehnsüchtig, sie hatte den ganzen Tag mit den Freunden auf dem Campingplatz zugebracht und ich hatte den ganzen Hausstand dabei! Das war für sie äußerst unangenehm, doch ich hatte allen immerhin einen zweiten freien Tag beschert.
Am Campingplatz hatten die zurück gebliebenen erfahren, dass sich etwa drei km entfernt ein großer Supermarkt befindet, in dem allerdings nur Wiederverkäufer einkaufen könnten. Nach meiner Rückkehr fahren wir gleich einmal dahin, um die Vorräte aufzufrischen. Es ist ein Makromarkt, zu vergleichen mit unserem Metro, da gibt es wirklich alles - einschließlich Spirituosen und Bier. Das Lustige an der Geschichte war nur, dass Dieter seine Marianne instruiert hatte, alles in Deutschland einzukaufen, da man hierzulande angeblich außer auf dem Markt nichts bekommen würde und jetzt können wir wirklich alles kaufen. Nur das Bezahlen ist nicht so einfach und so versprechen wir, uns beim nächsten Mal mit Passfoto registrieren zu lassen ... Insch Allah!
Am Abend geht es dann von einer Bushaltestelle am Campingplatz mit dem Bus in die Medina, um das pulsierende Leben in den Souks "live" zu erleben. Es fällt uns sofort auf, dass man als Tourist kein Freiwild mehr ist: Die neue Regierung hat erkannt, dass Touristen nur dann kommen, wenn sie nicht ständig belästigt werden, das tut gut. Am Ende wollen wir noch etwas Typisches zu Abend essen, die Restaurants rund um den Souk sind allerdings nicht so einladend und ich frage zwei junge Männer. Sie sagen, dass wir ihnen ein Stück folgen sollen - wir gehen am städtischen Hospital vorbei und kommen in ein wunderschönes typisches Restaurant mit sehr gutem Essen aus der Tachine. Schnell kommen wir mit einigen Touristen ins Gespräch, die es sich hier ebenfalls gemütlich gemacht haben. Der Restaurantbesitzer bietet uns die Wasserpfeife an, ein häufiger Abschluss des Abendessens in dieser Gegend: Eine Runde Premium Shisha Tabak trägt das Ihrige dazu bei, dass der Abend hier und heute noch lang wird.
Wir alle sind höchst zufrieden mit dem gelungenen Tag und der klingt auch passend aus, als wir uns mit zwei Minitaxis später für wenig Geld zurück zum "Diamant Vert" bringen lassen ....
© 2002 Walter Troll