Faröer, 25.08.03: Ankunft - und Exkursion zur Nordspitze von Eysturoy ...

Es ist ernst gemeint: Um 4:15 Uhr Bordzeit wird an die Tür getrommelt - die Putztruppe kennt kein Erbarmen! Aber es ist nicht jedermanns Sache, um diese Zeit irgendwo anzukommen: Die verschlafenenen Gesichter, die sich auf allen Decks nun zeigen und vor den Treppen zu den Autodecks immer dichtere Trauben bilden, sprechen eine deutliche Sprache.

Noch Nacht auf der Norröna: Ankunft in Torshavn ...Wie durch ein Wunder scheinen wir die Ersten in der Umgebung unseres Fahrzeugs zu sein - aber dann kommt es knüppeldick: Der Bus, der neben uns parkt und eine dänische Reisegruppe zu den Faröern bringen soll, fährt leider nicht leer raus. Einer nach dem anderen der zumeist älteren Reisenden schleift seine schweren Gepäckstücke heran, kommt nur mit Mühe am Redaktionsfahrzeug vorbei und wird dann seine Last neben uns endlich los, wo sie in den Bus verstaut wird: Reine Nervensache!

Die Motoren werden gestartet, wir rollen zügig in den noch nachtdunklen Hafenbereich vor dem Schiff. Diesmal ist im damals "zolltechnisch" gefürchteten Tórshavn alles anders als beim letzten Mal: Nur ein heftig winkender Uniformierter müht sich, die Ausfahrt möglichst flüssig zu gestalten. Von Zoll oder Ähnlichem keine Spur - wenige Minuten später parken wir kurz nach 5:00 Uhr morgens vor dem Abfertigungsgebäude der Smyril Line und neben der beleuchteten Norröna erst einmal ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Ebenfalls neben uns angekommen: Die Gruppe von OFF-ROAD-Adventure Tours und ein altes holländisches WoMo. Letzteres offenbar mit problematischem Lenkungsspiel, wie die Fahrmanöver der am Steuer sitzenden Mutter einer ganzen Kinderschar zeigen. Das Fahrzeug wird uns in wenigen Tagen wieder begegnen: Auf einem Abschleppwagen in Tórshavn vor dem weiteren Transfer nach Island, den man offenbar auch mit dem schrottreifen Fahrzeug nicht mehr stoppen kann oder will ...

Ziele auf den Faröern ...Aufgrund der unchristlichen Uhrzeit und der Tatsache, dass alle Geschäfte frühestens in einigen Stunden öffnen werden, beschließen wir, wie zuvor geplant erst einmal in den Norden der Nachbarinsel Eysturoy zu fahren - hier auf Streymoy haben wir uns schließlich bereits bei unserem letzten Aufenthalt herum getrieben. 

Also auf nach Eiði (Karte/1)! Mit diesem Ziel verlassen wir zunächst einmal das noch nachtschlafene Tórshavn Richtung Norden. Hinter einem neuen Tunnel, den es bei unserem letzten Aufenthalt noch nicht gab, biegen wir ab nach Osten und passieren Kollafj¢rður, nicht ohne vorher noch die Gruppe von Rainer Seefried zu treffen: Sie sind hier untergebracht in einer Privatunterkunft ...

Die Straße schlängelt sich in nördlicher Richtung am Fjord entlang, kaum ein Auto ist zu dieser Zeit außer uns unterwegs. Als wir die Brücke erreichen, die von Streymoy nach Eysturoy hinüber führt, halten wir kurz an - das Teil wirkt irgendwie fotogen. Ein Eindruck, der sich mehr als verstärkt, wenn man anschließend von der Anhöhe der Straße aus hinunter und zurück schaut, auf dem Weg zur Nordspitze von Eysturoy.

Heute Idyll, morgen Schauplatz eines Gemetzels: Die Brücke nach Eysturoy ...Was wir heute noch nicht wissen: Einen Tag später wird es hier in dieser Bucht in der Nähe der Brücke ein blutiges Gemetzel geben, bei dem eine Herde Schweinswale vor den Augen zahlreicher Touristen auf grausame Art getötet wird. 

Als wir die Bilder in einer Digitalkamera bei der Abfahrt aus Tórshavn wenige Tage später betrachten, sind wir der Meinung, dass wir unsere Leser auf dieses widerliche Schauspiel aufmerksam machen sollten - das Wissen um die regelmäßige Abschlachtung von Kleinwalen wie dieser Schweinswale oder von Grindwalen gehört zu einer vollständigen Sicht der Inseln im Nordatlantik. 

Leider aber erweist sich der Tourist, der uns hoch und heilig verspricht, einige dieser Bilder zu mailen, zu der Sorte von Sprücheklopfern gehörig, auf die man während einer Reise nicht allzu selten trifft: Wir hören nie wieder von ihm ... (Anm. der Red.: siehe dazu auch den Nachtrag unten!).

Wir erreichen Eiði - der Ort ist noch Stunden von der Ladenöffnung entfernt. Eine erste Rundfahrt durch die morgendlichen Gassen führt uns bis hoch zum Campingplatz des örtlichen Hotels - ein einsamer Campingbus steht hier auf dem kargen Platz mit Blickrichtung auf den Sundini-Fjord (N62.300655° W007.097462°) ... 

Eiði am Morgen: Warten auf die Ladenöffnung ... Einziger Camper: Am Campground vom Hotel Eiði ...

Das Ambiente sowie das doch noch recht finstere Wetter inspirieren uns nicht, uns auf diesem Platz häuslich einzurichten - wir fahren wieder zurück zum zweiten Campingplatz des Ortes: Dieser liegt am Ortseingang, ist kostenlos und hat erst neulich einen Preis gewonnen, den er sicherlich dort verdient hat. Mittlerweile ebenfalls auf dem Platz eingetroffen: Ein deutsches Touristenpärchen, das trotz des ungemütlich nasskalten Morgens hier in aller Ruhe frühstückt. 

Man erklärt uns, dass der mitgebrachte Golf als Übernachtungsquartier besser taugt als das auf dem Dach befindliche und schwergewichtige Zelt, wenn man es denn einfacher haben will. Dies soll vor allem in Island die Mobilität erhöhen, wie die beiden erläutern - wir werden uns auf der Fähre wiedertreffen (Anm. der Red.: Von Kolja und Anna Naroska erhielten wir eine Mail, siehe dazu unseren Nachtrag zu "Driving on Icelandic Roads". Darüber hinaus inzwischen auch einen Reisebericht: Spitzbergen 2004!).

Frühstück in weiter Flur: Deutsche auf dem Weg nach Island ...

Unser Weg führt uns zurück in das Orts-"Zentrum": Wir beschließen, neben der Bushaltestelle auf die 9:00 Uhr-Öffnung des nahen Ladens zu warten. Die kommt, der Laden öffnet pünktlich, die Einkäufe werden erledigt, das Wetter hält sich: Kein Grund, länger hier zu bleiben - die Umgebung wirkt nicht so, als ließe sich zu Fuß entlang der beeindruckenden und intensiv grünen Steilhänge heute morgen viel erkunden.

Doch wohin von hier aus? Eine Blick in die Karte/2 legt es nahe: Man könnte den nahen Campingplatz von Gjógv ansteuern und dort frühstücken, was wir immer noch nicht getan haben - der Smyril Line sei´s gedankt! Gesagt, getan: Wir verlassen Eiði, nicht ohne wieder auf die beiden deutschen Golffahrer zu treffen - auch sie halten unterwegs an, um von hier aus die charakteristischen Felsen Risin und Kellingin durch das extra an diesem Ort aufgestellte Fernrohr zu beobachten. Die beiden legendären Felsblöcke liegen nebelverhangen vor der Steilküste - von hier aus sind sie deutlich besser zu erkennen als bei unserer letzten Tour, auch wenn sie nun völlig anders wirken: Ihre Geschichte aus der TOURS 3/96 hatten wir damals bereits erzählt ...

Was folgt, ist eine Kletterei über einen Pass und durch den Nebel - die Abfahrt auf der anderen Seite hinunter nach Gjógv zieht sich. Dort angekommen, erwartet uns erneut eine Enttäuschung: Zwar verfügt der Ort über eine interessante Anlegestelle, bei der Boote mit Seilen über Schienen hochgezogen werden müssen, aber der in der Karte eingezeichnete Campingplatz ist für uns völlig ungeeignet. Offensichtlich nur für Zelter gedacht, ist er mit unserem Fahrzeug überhaupt nicht anfahrbar. Langsam aber sicher legt sich die gute Laune: Mittlerweile sind mehr als 5 Stunden seit Ankunft der Fähre vergangen und nach wie vor weit und breit nicht einmal ein geeigneter Platz zum Frühstücken - also Weiterbrettern angesagt? 

Risin und Kellingin einmal anders: Blick von der Straße nach Gjógv ... Steile Angelegenheit: Bootsanlegestelle von Gjógv ...

Ein erneuter Blick in die Karte legt nahe, auf eine Weiterfahrt in Richtung Süden zu verzichten: Die Chancen auf Änderung erscheinen zu gering im Vergleich zum Risiko sinnloser Hin- und Herfahrerei. Also zurück nach Eiði!

Nach erneuter Nebelfahrt stehen wir wieder da, wo wir hergekommen sind: Der kostenlose Campingplatz des Ortes ist wenigstens zum Frühstücken geeignet, was wir nun auch endlich machen, mittlerweile ist es in Anbetracht der Uhrzeit eher ein Brunch. Auch weitere Touris sind inzwischen von der Fähre aus hier eingetroffen: Immer wieder mal hält ein Fahrzeug und uns bereits bekannte Leute spazieren etwas ratlos hin und her, um dann weiter zu fahren - die Faröer stellen alle hier zwangsausgesetzten Island-Reisenden auf die Probe ... 

Die Antwort auf unsere noch nicht gestellten Fragen kommt in Gestalt eines Einheimischen, der mit seinem dänischen Besuch im "gemütlichen" Nieselregen dieses immer noch nasskalten späten Vormittags ebenfalls hier frühstückt: Er rät uns, doch den "Süden" aufzusuchen, da es dort immer schön wäre, wenn das Wetter hier oben so ist wie es nun ist.

Wir verzichten darauf, den Mann zu fragen, wo denn auf dieser Inselgruppe genau der "Süden" ist, bedanken uns und fahren auf der Stelle zurück: Diesmal wollen wir unser Glück im Süden der nahen Insel Vágar versuchen. Bohrende Fragen kommen dabei aus dem Unterbewusstsein hoch: Sollten wir in den letzten Jahren - langsam, unbemerkt und aufgrund der herrschenden Wetterverhältnisse zuhause von uns natürlich völlig unverschuldet - bereits so etwas wie "verkappte Saharafahrer" geworden sein ..?


1. Nachtrag, Januar ´05: Wal-Bilder ...

Wir erhielten eine Mail von Horst Jedosch, der zufällig zur selben Zeit mit uns ebenfalls in Island und auf den Faröern war. Und da auch Horst einige Fotos vom Walabschlachten auf Eysturoy gemacht hat, wollen wir diese unseren Lesern nicht vorenthalten. Um alles genau sehen zu können, natürlich auch diese Bilder im Großformat anklickbar. Danke, Horst!

Hallo,
habe zufällig eure Seiten im Internet gelesen und war begeistert.

Habe in dem gleichen Zeitraum wie ihr ebenfalls die Reise nach Island unternommen. War mit meiner Freundin auf einem Motorrad unterwegs und habe die klimatischen Besonderheiten - Sandsturm usw. - hautnah erlebt :-).

Auf den Faröern waren wir zufällig Zeugen der abgeschlachteten Zwergwale. Hat uns tief berührt. ...
mfg Horst und Birke

Walabschlachten ... ... auf Eysturoy ...

2. Nachtrag, September ´15: Das widerliche Abschlachten geht weiter

Es gibt wirklich mittlerweile genug Gründe, auf diesen Inseln keinen einzigen Touristen-Euro mehr zu lassen: Das widerliche Abschlachten geht auch aktuell weiter. Darüber hinaus gehen die lokalen Behörden mit Unterstützung des EU-Mitglieds Dänemark in fragwürdigster Weise gegen Aktivisten von Sea Shepherd vor, die sich gegen diese Verbrechen an Umwelt und Tier stemmen.

Wir können inzwischen nur noch dazu aufrufen, diese Inseln zu meiden, nachdem auch bereits einige deutsche Kreuzfahrtgesellschaften beschlossen haben, hier nicht mehr anzulegen. Falls der Weg doch dorthin führen sollte, könnte man auch seinem Unmut über das Geschehen vor Ort entsprechend Raum zu geben ..!

Mehr zu diesen Vorgängen in den Nachträgen zu unserem Besuchsbericht bei Sea Shepherd Bremen 2015.


© 2004-2015 Text/Bilder J. de Haas, Bilder Nachtrag: Horst Jedosch