Überfahrt nach Island
Auf diesen Tag hatten wir lange gewartet, einschiffen nach Island stand an. Um 15:00 Uhr solte die Fähre den Hafen verlassen, bis dahin mussten jedoch noch jede Menge Vorbereitungen getroffen werden.
Unser kompletter Lebensmittelvorrat wurde durchforstet sowie die Ausrüstung einer zweitägigen Schiffsfahrt in Rucksäcke verstaut.
15 kg Lebensmittel sind bei der Einreise von 5 Personen erlaubt, die restlichen Lebensmittel von ca. 30 kg verteilten wir so im Wohnwagen, dass diese bei Bedarf vom Zöllner entdeckt werden konnten. Da auf der Fähre keine Vollpension angesagt war und wir eine 4-Bett Kabine mit Dusche/WC gebucht hatten, waren neben Kleidung, Essenssachen, einer Isomatte und Schlafsack auch Bücher und Spiele einzupacken.
Gegen Mittag war alles gerichtet, der Wohnwagen dank Allrad unseres Landys problemlos aus der versumpften Wiese gezogen und wir fuhren voller Spannung zum Hafen.
Bereits von weitem erkannten wir das Schiff, die Norröna der Smyril-Line, sowie eine lange Schlange von Fahrzeugen mit den Zielen Shetland, Färöer oder Island. Das Wetter hatte sich wieder gebessert, ideal zu einem Bummel durch Bergen - wenn wir nicht auf den Check-in hätten warten müssen.
Neben normalen Pkw´s standen auch eine Reihe von expeditionsmäßig ausgerüsteten Fahrzeugen wie Landrover, Wohnmobile auf Unimogbasis sowie ein alter Hanomag, in der Schlange. Das Parken im Fahrzeugdeck war echte Millimeterarbeit für den Fahrer, Sonny und die Kinder mit all ihrer Ausrüstung für zwei Tage mussten getrennt an Bord gehen.
Die restliche Verladearbeit konnten wir vom Sonnendeck aus verfolgen und pünktlich um 15:00 Uhr wurden die Leinen gelöst. Das Schiff begann gerade Fahrt aufzunehmen, als zwei Mädchen laut schreiend und winkend zum Ende der Anlegestelle gerannt kamen. Sie hatten offensichtlich die Abfahrtszeit verpasst und wollten noch auf das Schiff. Glücklicherweise war die Schiffsführung freundlich, stoppte die Maschinen, öffnete die große Heckklappe erneut, manövrierte das Schiff wieder an die Anlegestelle und die Mädchen konnten an Bord springen. Das nächste Schiff wäre erst in einer Woche wieder gefahren und da ihre Eltern bereits an Bord waren, hätten sie sicher ein "kleineres" Problem gehabt ...
Nach diesem Erlebnis wurde erneut abgelegt und langsam glitt die Fähre bei zunehmendem Sonnenschein gen Westen durch den Hafen und später durch die Schären von Bergen auf den Atlantik hinaus. Noch lange standen wir auf dem Sonnendeck und genossen den Blick.
Anschließend unternahmen wir gemeinsam mit den Kindern einen ersten Besichtigungsgang durch das Schiff und machten uns mit der Infrastruktur vertraut.
Der Abend verlief ruhig, es gab kaum Seegang und wir alle kamen gut in unsere Kojen. Ich merkte das leichte Schwingen des Schiffes und damit auch meinen Kreislauf. Mit der Unterstützung einer Reisetablette war es erträglich. Das Schiff legte nachts um 1:30 Uhr für eine halbe Stunde auf den Shetlands an, wir aber schliefen fest, und hatten eine weitgehend angenehme Nacht ...
16.08. Fähre Norröna, 12° C, leicht bewölkt
Es war unser erster Morgen auf See, nach einem Rundgang über das Schiff gab es Frühstück in unserer Kabine. Heißes Wasser mit Pulverkaffee, Brot, Marmelade und Käse, wir hatten alles mitgebracht. Wir hatten sogar an einen Kartuschenkocher gedacht, jedoch nicht an das zwingende Rauchverbot und den Feuermelder in unserer Kabine - also mussten wir ohne Kocher auskommen. Mit den Essensrationen waren wir alle noch vorsichtig, denn wir waren skeptisch, ob uns die Seekrankheit nicht doch noch befallen würde. In diesem Falle wäre ein nicht so voller Magen sicher hilfreich.
Das offensichtlich gute Restaurant des Schiffes wollten wir erst nach besserer Akklimatisierung aufsuchen.
So verbrachten wir die Stunden bis zu den Färöerinseln mit Lesen, Dösen im Liegestuhl in der Sonne und Spielen mit den Kindern. Das Meer war uns weiterhin wohlgesonnen und so langsam gewöhnte sich auch mein Kreislauf (mit Unterstützung von Reisetabletten) an das sanfte Schaukeln des Schiffes. Viele Reisende bereiteten sich auf Island vor und brüteten über Landkarten und Reiseführern.
Einige waren mit dem Fahrrad an Bord gekommen, manch andere bereiteten sich auf lange Wandertouren vor und von einer weiteren Gruppe hatten wir den Eindruck, als ob sie sich zu einer Abenteuerrallye angemeldet hatten. Bei dieser Gruppe wurde stundenlang mit GPS-Geräten geübt, sogenannte Roadbooks wurden studiert und das kleidungsmäßige Outfit rundete dieses Erscheinungsbild ab.
Um 15:00 Uhr legten wir in Tórshavn (entstanden aus Thors Hafen) an, der Hauptstadt der Färöer-Inseln. Tórshavn hat ca. 15.000 Einwohner. Die gesamte, aus 18 Inseln bestehende Gruppe hat 48.000 Einwohner. Viele Steilküsten (die höchste ist 829 m hoch), grüne Wiesen mit Schafen und viel Nebel und Regen prägen diese Landschaft mitten im Atlantik.
Die Inseln sind ein eigenständiger Teil von Dänemark, die Selbstverwaltung drückt sich auch durch die eigene Nationalflagge aus. Wirtschaftlich gesehen haben die Inseln einen schweren Stand und sind auf Subventionen Dänemarks angewiesen.
Weitere Einnahmequellen sind der Fisch- und Grindwalfang, die Schafzucht und deren Wolle, sowie zunehmend der Tourismus.
Wir ließen uns Transfertickets ausstellen, mit denen wir ohne weitere Formalitäten einen kleinen Stadtbummel unternehmen konnten. Wir schlenderten durch die kleine Fußgängerzone, ergänzten noch unsere Lebensmittelvorräte für die restliche Schiffsreise und Sonny fühlte sich von den Sticksachen so angezogen, dass sie noch schnell einen Pullover erwarb.
Vor der Ladeluke des Schiffes stauten sich bereits die Reisenden, die in Hanstholm mit dem Ziel Island eingestiegen waren und vor 2 Tagen das Schiff verlassen mussten, als dieses uns in Bergen abholte (Zum Aufenthalt auf den Faröer-Inseln siehe u.a. Reisebericht Island 97).
Wieder standen die unterschiedlichsten Fahrzeuge in der Schlange wie ein roter VW-Bus mit Klappwohnwagen aus Fürstenfeldbruck (den wir später noch öfter trafen), sowie als Krönung ein alter NVA-Lkw (Marke IFA) mit Kofferaufbau und einem einachsigen Anhänger. Auch von diesem Lkw hörten wir später noch einiges.
Pünktlich um 18:00 Uhr verließ die Norröna ihren Heimathafen und nahm nördlichen Kurs Richtung Island auf. Bei strahlendem Himmel in Verbindung mit zeitweiligem Bodennebel fuhren wir die nächste Stunde durch eine fjordähnliche Landschaft von bizarrer Schönheit. Wir pendelten regelmäßig zwischen beiden Seiten des Schiffes, um möglichst viele Fotomotive zu ergattern.
Im Laufe des Abends verschlechterte sich das Wetter, unseren Restaurantbesuch verschoben wir auf die Rückfahrt. Der Wind wurde zunehmend stärker und der Seegang nahm zu. So verzeichnete unser Höhenmesser immerhin 5 m Unterschied innerhalb der Kabine. Dank Unterstützung der Reisetabletten und viel frischer Luft ließ es sich aber aushalten.
17.08. Seyðisfjorður - Atlavík, 70 km, 15° C, Sonne - Wolken, abends starker Wind
Island in Sicht! Damit ließ sich die restliche Mannschaft aus den Federn scheuchen. An Deck sahen wir die ersten Umrisse der Insel aus den Wolken auftauchen. Der Wind war frisch und das Meer voller Schaumkronen. Island empfing uns so, wie wir es uns wettermäßig vorgestellt hatten: Dicker Anorak und Mütze waren angesagt um die Aussicht genießen zu können.
Es dauerte noch gut 2 Stunden, bis wir in den schmalen Fjord eingefahren waren und in Seyðisfjorður festmachten. Der Ort ist mit 900 Einwohnern für isländische Verhältnisse bereits eine Kleinstadt, auch wenn das Schiff sämtliche Gebäude überragt. Der Ort entstand 1834 als Handelsstation - Heringsfänge und der gut geschützte Hafen waren die Grundlage des Wachstums. Viele der Holzhäuser stammen, inzwischen restauriert, noch aus dieser Zeit.
An der Pier wartete bereits für alle gut sichtbar der Zoll (ca. 10 - 15 Personen, mit einem schwarzen Labrador) und uns war gar nicht so wohl bei diesem Anblick. Wahrscheinlich werden die Beamten einmal in der Woche für dieses Ereignis aus verschiedenen Landesteilen zusammengezogen.
Das Ausparken ging problemlos, obwohl das Schiff nur eine Heckklappe hat. Wir waren in Bergen vorwärts durch das Heck eingefahren, U-förmig durch das Schiff gefahren und standen bereits im Fahrrichtung als einer der ersten vor der Klappe. Aus zolltaktischen Gründen fuhr Sonny das Gespann von der Fähre, ich zahlte die 14-tägige Dieselsteuer (150 DM) und wir wurden an der Inspektionshalle vorbei gewunken, in der ein Teil der Reisenden ihr Reisegut unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausbreiten durften. Sonny musste jetzt nur noch den Zöllner überwinden, der die Pässe kontrollierte, was ihr auch durch ein zügig eingeleitetes Gespräch bestens gelang.
Wir konnten es kaum glauben, dass wir die Einreiseformalitäten so rasch hinter uns bringen würden. Schnell kamen die ersten Gedanken hoch, eigentlich hätten wir doch noch mehr mitnehmen können ...
Nach dem ersten Tankstopp - der Liter Diesel für 1 DM - ging es zu unserem ersten Ziel für die nächsten Tage, dem See Lagarfljót, mit dem Campingplatz Atlavík. Der See ist 35 km lang und der drittgrößte See Islands. Hier wollten wir uns mit der Münchner Familie (Martin, Sigrid und Sohn Xaver) treffen und pünktlich hatten wir eine SMS-Nachricht auf unserem Handy, dass sie uns bereits erwarten würden.
Auf dem Weg nach Egilsstaðir nahmen wir noch zwei Tramper mit (einer aus Australien auf Europareise und der zweite aus Belgien) und voll beladen quälten wir uns über die erste isländische Passhöhe. Wir unterhielten uns angeregt mit den Trampern und genossen von der Passhöhe die ersten Eindrücke des Landes.
In Egilsstaðir, mit 2000 Einwohnern das Verkehrs- und Handelszentrum dieser Gegend, stockten wir unsere Vorräte an frischen Lebensmitteln in einem bestens sortierten Supermarkt auf und machten uns mit dem einheimischen Preisniveau (die Preise sind 2-3x so hoch wie bei uns) vertraut.
Der Campingplatz in Atlavík war rasch gefunden, in der weitläufigen Wiesen- und Baumanlage standen nur ganz wenige Camper, davon direkt am Kiesstrand der Wohnwagen unserer Münchner Freunde. Wir stellten uns ebenfalls auf den Kiesstrand mit einer wunderbaren Aussicht auf den See und die dahinter liegenden Berge.
Der Campingplatz befindet sich in einem der ganz seltenen Waldgebiete von Island. Seit Anfang 1900 werden hier von der staatlichen Forstverwaltung auf 650 ha verschiedene Baumarten, darunter Kiefern, Lärchen, Fichten angepflanzt, um ihre Eignung für dieses Klima zu studieren. Ein Lehrpfad, den wir am gleichen Abend noch erkundeten, weist für viele Bäume die Herkunft und das Pflanzdatum aus. Deutlich erkennt man die geringen jährlichen Wachstumsraten in diesem, zum Teil polarnahen Klima. Bäume, vor 40 Jahren gepflanzt, sind oftmals nur 6 - 8 m hoch.
Bis spät in den Abend wurden im Wohnwagen von Martin und Sigrid die Reiseerlebnisse ausgetauscht, sowie die nächsten beiden Tage geplant, die wir gemeinsam verbringen wollten.
© 2001 Hans-Jörg Wiebe