Wiedersehen nach Jahrzehnten: Am Rock of Cashel ...
Das Navi macht die Orientierung im Linksverkehr samt "Roundabouts" recht unproblematisch im Vergleich zu früheren Zeiten, aber der relativ dichte und schnelle Verkehr auf dieser eiligen Ost-Westachse lässt dennoch keine völlig stressfreie Fahrt auf dem ersten Streckenabschnitt zu, so dass wir schließlich froh sind, als wir endlich in Cashel ankommen.
Brid O´Brian empfängt uns äußerst freundlich in ihrer Cashel Lodge und erzählt uns direkt von einem deutschen Touristen, der noch bis gestern mit einem beeindruckenden Expeditionsfahrzeug bei ihnen gewesen wäre - schade, der Mann ist augenscheinlich bereits weiter gereist. Brid staunt, als sie vom letzten Besuch hier vor rund 40 Jahren erfährt - sie selbst war zu dieser Zeit wohl eher noch ein Kind ...
Wir richten uns ein auf dem sympathischen Platz mit direktem Blick auf wohl eines der imposantesten Monumente der irischen Geschichte, das schräg gegenüber auf einem mehr als 60 m hohen Berg thront. Was hier besonders erstaunt: Beim Kramen in alten Fotos vom ersten Besuch in diesem Ort im Jahr 1977 fällt eines ganz besonders auf. Es zeigt nahezu genau denselben Blickwinkel wie den heutigen - der stolze Fotograf von damals und heute stand bei seinem fast 40 Jahre zurückliegenden Foto an genau derselben Straße wie heute - nur dass es damals hier noch keine Cashel Lodge gab ...
Unser erster Rundgang führt zum ebenfalls direkt gegenüber liegenden Hore Abbey, auch bedeutende Ruine eines ehemaligen Benediktiner- und Zisterzienserklosters. Die gesamte Geschichte rund um Rock of Cashel sowie die hier zu findenden Klosterruinen füllt Bände und führt zurück in die frühen nachchristlichen Jahrhunderte - da wir darauf hier nicht näher eingehen wollen, möge sich der interessierte Leser zu diesen Themen an geeigneter anderer Stelle informieren - es lohnt sich auf jeden Fall!
Wieder erstaunt ein Blick auf die alten Fotos: Bis auf die nahe Umgebung hat sich an der Klosterruine vom Hore Abbey nahezu nichts verändert: 40 Jahre zurück sind nichts im Vergleich zu dessen Geschichte ..!
Am nächsten Morgen führt uns der erste Weg zum Rock of Cashel. Wir erklimmen die Anhöhe hinauf zum Monument und finden uns wieder mitten im beachtlichen Besucherstrom: Die Anlage ist derzeit zum großen Teil eine Baustelle und Bereiche, die man vor Jahrzehnten noch erklettern konnte, sind heute nicht mehr zugänglich. Viel Aufwand wird derzeit betrieben in der Kapelle Cormac´s Chapel aus dem 12. Jahrhundert, die Irlands ausgeprägtesten frühmittelalterlichen Wandmalereien enthält. Unter einer eigens dafür konstruierten Abdeckung laufen aufwändige Arbeiten zur Rekonstruktion und Konservierung hier befindlicher Objekte.
Nach einem Rundgang im Innern der von Touris gut besuchten Anlage stehen wir schließlich wieder auf dem umgebenden Friedhof, von dem aus man einen weiten Blick in die umgebende irische Landschaft hat. Idyllisch gelegen unter uns das Hore Abbey und auch den Explorer auf seinem Stellplatz erkennt man gut im Teleobjektiv. Während unten auf den Weiden einer der "Auto-Cowboys" seine Tiere im Fahrzeug zusammentreibt, kann man sich der einzigartigen Stimmung rund um dieses irische Monument nicht entziehen.
Der Blick fällt auch auf das abgebrochene riesige Scully-Kreuz, in dessen Nähe die Trümmer der ehemaligen Spitze liegen und man fühlt sich unwillkürlich erinnert an den Roman von Norma Feye "Nachtwanderer", der irgendwie recht anschaulich die Stimmung hier wiedergibt:
"... Nachdem ihr Vater und ihr Bruder bereits erfolglos dort gewesen sind, macht sich nun Nuäla auf den Weg zum O'Scully-Monument, dem riesigen, einstmals über fünfzehn Meter hohen und nun abgebrochenen Kreuz an der Ostmauer des Friedhofs, der die Kathedrale von Cashel umschließt. Ehe sie sich an die Untersuchung des mächtigen Sockels macht, bleibt sie einen Moment stehen und schaut nach Norden in die Ebene hinunter.
Noch immer hat sich das Wetter nicht gebessert. Ein weißgrauer, konturloser Himmel hängt über dem Land, und fahle Dunstwolken ziehen über die Wiesen zu Füßen des Rock of Cashel. Wie winzige weiße Flecken auf dem saftigen Grün wirken die Schafe, die auf den Wiesen grasen. Langsam dreht Nuäla den Kopf nach links und rechts, um ihre vor Kälte verspannte Nackenmuskulatur zu dehnen.
Dabei fällt ihr Blick auf die Ruinen der Hore Abbey, einer kleineren Abtei, die genau westlich des Felsens auf einer großen, flachen Wiese steht. Nuäla nimmt sich Zeit, das halb im Dunst versteckte Gemäuer zu betrachten. Trotzdem es neben seinem großen, imposanten Nachbarn klein und unscheinbar wirkt, strahlt es eine solche Faszination aus, dass es ihr schwerfällt, den Blick von den geheimnisvollen Schatten der Mauern loszureißen ..."
Auch wir reißen uns irgendwann los von hier und machen uns auf den Fußweg zum Örtchen Cashel. Auch hier gibt es eine weitere Klosterruine, die wie das Hore Abbey aus dem 13. Jahrhundert stammt: Das von Dominikanern gegründete St. Dominic´s Friary kann man neben den anderen Monumenten Cashels auch im Modell in einer mehrsprachigen Ausstellung im Ort bewundern, in der wir uns selbstverständlich auch die Geschichte von Cashel auf Knopfdruck und auf Deutsch vortragen lassen ...
Bei einem ausführlichen Pubbesuch mit den schon vor Jahrzehnten traditionell stets konsumierten etlichen "Pints of Smithwicks" und den üblichen Smalltalks mit den Tresen-Nachbarn fällt ganz am Rande auch eines auf: So wie früher kann man hier und heute so leicht keine Witze mehr auf Kosten von Engländern reißen - times they are a changin!
Beschwingt folgt die Rückkehr ins Camp: Noch einmal geht es hinüber in die Ruinen vom Hore Abbey, bevor wir uns endgültig zum Abendessen am Explorer niederlassen. Es hat deutlich abgekühlt, Nebel zieht auf und lässt Monumente und Landschaft um uns herum langsam aber sicher im Dunst verschwinden. Der Abend bringt irische Atmosphäre so authentisch mit sich, dass man mit allen Sinnen spüren kann, wieder in einer anderen Welt angekommen zu sein ...
© 2017 J. de Haas