Femundlopet 2001
Manchmal muss man aufhören, wenn´s am "schönsten" ist ...
Das Femundlopet: Ist es so etwas wie das europäische Yukon Quest? Immerhin eine der härtesten Veranstaltungen der Hundeschlitten-Szene in Europa - und sicher ist das alljährlich in Norwegen ausgetragene Rennen nicht ohne Grund mittlerweile wieder als Qualifikation für das Yukon Quest ausreichend ...
Über ca. 500 km geht es in der "12-Hunde-Klasse" (genau: 480 km), in der "8-Hunde-Klasse", die zur gleichen Zeit startet, müssen imerhin noch 280 km zurück gelegt werden - und das Anfang Februar, sicherlich die kälteste Jahreszeit in dieser Region in der Mitte Norwegens. Das Rennen ist damit ein sogenanntes "Long Distance" Rennen, was sich als Erschwernis so wenige Checkpoints wie möglich auferlegt - auch das zunehmend im Blick auf das Yukon Quest?
Dennoch bleiben sie trotz offensichtlich angepeilter Internationalität dieses Rennens ganz Norweger: Auf den Musher-Meetings gibt es nichts, aber auch gar nichts in Englisch, und selbst auf der Website dieses Events (Anm. der Redaktion: Änderung im Februar 03!) findet man außer der allgemeinen Erläuterung nur einheimische Laute - nichts für den nur schwach Begabten in skandinavischen Sprachen!
Auch hier natürlich wie beim Quest verschiedenste Regularien: So muss man in der "12-Hunde-Klasse", dem "Femundlopet 480", mit mindestens 9, maximal aber 12 Hunden an den Start gehen und darf (wie beim Yukon Quest) mit nicht weniger als 6 Hunden ankommen.
In der "8-Hunde-Klasse", dem "Femundlopet 280", ist es entsprechend: Hier muss man mit 6 bis 8 Hunden starten, darf aber mit nicht weniger als 5 Hunden ankommen - alles streng geregelt!
Wie beim Quest ist auch das "Equipment" bis ins Letzte geregelt, von Karten über Kompass bis hin zur Axt oder großem Messer sollte der Musher voll ausgestattet sein. Auch sind hier Signalraketen natürlich gestattet - immerhin sollte die Rettungsstaffel ihren Weg finden! Zur verbotenen Ausstattung konnten wir in den tatsächlich auch englischsprachigen Regularien nichts finden - dürften wir mit Funk, Handy, GPS demnächst selbst auch antreten ..?
Doch nun zu den uns bekannten Teilnehmern beim Rennen 2001: Stefan Falter von Funny Trail Adventures, den erfolgreichen Teilnehmer bei verschiedensten Hundeschlittenrennen Europas der letzten Jahre, hatten wir ja bereits erstmalig bei unserer Millennium-Tour 99/00 kennen gelernt, außerdem hatten wir ihn wieder besucht im Sommer 2000 auf seiner Husky-Farm in Dalarna bei unserer Tour Skandinavien 2000.
Zu Silvester damals waren für ihn draußen Temperaturen von -30°C einfach nur normal. Doch diesmal sollte es weit tiefer in den Temperaturkeller gehen - für wen von uns wären z.B. -50°C oder ähnliches noch so ohne weiteres zu ertragen ...?
Gemeinsam mit Freund Kurt Pichler, der in der "8-Hunde-Klasse" starten will, bricht Stefan also Anfang Februar 2001 auf zum Femundlopet, das vom 3.-6.2.01 stattfinden soll. Sie brechen auf in eine eigentlich traumhafte Gegend, die wir anlässlich Skandinavien 99 besucht hatten - aber ausgerechnet in diesen Tagen des Rennens sollte sie zum ungewöhnlich unwirtlichen Eiskeller werden.
Hier unser Bericht von Stefan nach Rückkehr von diesem Rennen, das anders laufen sollte als manch andere, die er vorher schon erfolgreich bestanden hatte ...
Bericht von Stefan Falter an uns nach dem Rennen, Mitte Februar 2001:
Als erstes und vorab möchte ich mich bei allen, die uns die Daumen gedrückt haben, herzlich bedanken!
Besonders danken möchte ich darüber hinaus Wolfgang & Kristin für den herzlichen Empfang in Röros. Ohne die hervorragenden Handschuhe, die Wolfgang mir genäht hatte, wären meine Probleme mit den Händen sicher noch größer geworden! (Anm. der Redaktion: Stefan hatte sich bei einem Unfall vor einigen Jahren, bei dem er in einen See einbrach, einige Finger erfroren).
Aber immer der Reihe nach ...
Natürlich hatte ich im Vorfeld des Rennens tiefgestapelt, denn in Wirklichkeit waren meine Ambitionen groß: Schließlich hatten wir heftig trainiert und die Hunde waren super drauf. Und ich wusste genau, dass unsere Hunde ein enormes Potenzial haben - nicht zuletzt deshalb an dieser Stelle ein wichtiges Anliegen: Auf diesem Wege möchte ich mich noch einmal nachträglich bei Lutz Binzer bedanken, der uns 1995 zwei hervorragende Hunde verkauft hat: Bensch und Russel. Die dritte, Bonie, war auch gut, aber nicht so stark wie ihre Geschwister. Diese Alaskans und unsere besten Siberians, die wir seit 1985 erfolgreich züchten, bildeten den Grundstock unserer Farm ...
Am Freitag vor dem Rennen brachen wir auf - wir, das waren Kurt Pichler, er war für die "8-Hunde-Klasse" angemeldet, dann Christian, er fuhr das Auto, ich, und nicht zu vergessen: die Hauptakteure - insgesamt 20 Huskies. In Röros erledigten wir die Formalitäten und wurden bei Wolfgang & Kristin sehr nett aufgenommen. Das Musher-Meeting zu überstehen, war anstrengend, da dort nur norwegisch gesprochen wird und kein Satz englisch. Nach dem Meeting: Schnell zu Wolfgang, Hunde versorgen und ab ins Bett.
Am nächsten Morgen wurde dann alles hektisch. Da die Temperatur nachts auf -49°C gefallen war, streikte die Technik. Aber wir mussten schließlich bis 9:00 Uhr in Röros sein. Naja, irgend wie hat dann am Ende doch alles geklappt, war nicht das erste Mal ...
Der Start rückte immer näher und dann war es endlich soweit, die Hunde waren heiß! Lippi-Wolf, Merlin-Laila, Frosty-Roxy, Emil-Marvin, Gerber-Cika, Pelle-Charly hießen die Athleten. Der Start war wie üblich rasant: Man musste vom Parkplatz aus quer durch die Stadt fahren. Etwa 2 cm Schnee lagen auf dem Asphalt, trotz Bremse und Matte wurde die Geschichte sehr schnell - aber dennoch ging alles gut ...
Nun waren wir also auf dem Weg - zuerst zum Ort Langen (etwa 45 km von Röros entfernt), die Bremsmatte blieb unten bis dort hin, damit die Hunde in ihren Rhythmus kommen konnten - es lief alles fast perfekt. Hier und da gab es kleine Ungereimtheiten, aber ich war insgesamt mehr als zufrieden, als ich nach 1:55 h in Langen ankam. Ich begab mich schnell zum Ein- und Auschecken und weiter ging die Fahrt.
Von Langen nach Tufsingsdahl (ca. 55 km) lief es weiterhin super, die Hunde hatten ihren gewohnten Trott gefunden. Die Temperaturen lagen gegenwärtig bei -46° bis -49°C: Es war wirklich bitter kalt! In Tufsingsdahl angekommen waren die Hunde wie immer sehr gut drauf, doch ich hatte großen Respekt vor der extremen Kälte. Also kochte ich Wasser und tauschte die Booties, danach hatte ich wieder erhebliche Schmerzen in den Fingern. Dann hieß es noch die Hunde zu wässern und zu füttern, nach 44 Minuten waren wir wieder "ready to go".
Von Tufsingsdahl nach Femundstunet sind es wieder ca. 70 km, hier finden sich einige harte Passagen mit heftigen Steigungen und Schrägfahrten. Aber die Hunde waren wie üblich nicht zu stoppen: Sie waren voller Power. Dem Gefühl nach schien es immer kälter zu werden, allerdings endete der Anzeigebereich meines Thermometers bei -45°C - und das war schon lange am Anschlag!
Wegen der extremen Kälte snackte ich die Hunde stündlich mit Fett und vor allem Truthahnherzen - meine Dogs lieben die. In Femundstunet sind wir schließlich nach allem um 22:19 Uhr angekommen - hier erfuhr ich dann, dass wir inzwischen auf Platz 2 lagen!
Trotz der guten Position wuchsen meine Zweifel, ob ich weiter machen sollte, da es mittlerweile wirklich lausig kalt war. Als erstes hieß es nun die Hunde zu versorgen, um danach selbst etwas Schlaf zu bekommen, meine Taktik war jeweils 8 Stunden "stop and go".
Doch nun nahm das Drama seinen Lauf: Wegen der extremen Temperaturen wurde das Rennen unterbrochen und niemand durfte vor 14 Uhr den Checkpoint verlassen. Also lagen meine Hunde nun doppelt so lange wie geplant auf ihrem Heu, eingepackt in ihre Decken. Ich hatte mittlerweile überhaupt kein gutes Gefühl mehr, denn laut einigen Meldungen war es -51°C in der Nacht geworden ...
Als ich am Morgen starten wollte und alles erfahren hatte, was ich zuvor berichtete, bekam ich ein richtiggehend beklemmendes Gefühl, denn diese Kälte würde ihnen voraussichtlich zunehmend zu schaffen machen. Also hieß es erneut Suppe kochen und alle Hunde zu untersuchen. Nun fing das Drama richtig an: Frosty, einer meiner besten Hunde mit sehr dickem Fell hatte sich den Penis angefroren, ich nahm ihn sofort aus dem Team (Anm. der Redaktion: Frosty, "dein" Explorer fühlt mit dir!)
Laila, eines unserer "speed girls" war sehr steif wegen der Kälte - aus Sicherheitsgründen nahm ich auch sie heraus. Ich überlegte hin und her, ob ich weiter machen sollte oder nicht. Die anderen sahen aber noch gut aus, also hieß es wieder: "ok, we go!"
Als ich etwa 4 km aus dem Checkpoint heraus war, warf sich Gerber hin - ein Hund, der schon fünfmal das Finnmarkslopet gelaufen ist bei Sören und Ruth Nielsen. Also drehte ich um und fuhr zurück, meldete alles wieder um. Und dann schließlich passierte es, ich beging ich den größten Fehler meiner Musherlaufbahn: Ich fuhr mit 9 Hunden wieder raus, vom Ehrgeiz getrieben und auf der zweiten Position liegend.
Schon nach 30 km bereute ich diesen Entschluss sehr heftig: Meine Hunde begannen unvermittelt zu kotzen und ein hässlicher, gelber Durchfall setzte ein. Man merkte plötzlich, wie die Kraft dahin war - ich erkannte meine Hunde nicht wieder. Die ansonsten vor Lebensfreude überschäumenden Pelznasen waren plötzlich sehr geschwächt - und es war immer noch lausig kalt ...
Ich beschloss, einen langen Stopp einzulegen und Futter zu kochen, um ihnen wieder genug Flüssigkeit zu verschaffen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Sören Sörenens bedanken, der mir später aus dem Schlafsack geholfen hat, denn meine Hände waren wieder steif gefroren und ich bekam den Schlafsack nicht mehr auf ...
Nach all diesem Frust war es soweit: Ich brach das Rennen ab, denn wir waren zu dieser Zeit bereits wieder auf der schwedischen Seite. Also fuhr ich zum Haus eines Bekannten, versorgte die Hunde und taute meine Hände und Füße auf. Mit dem Auto (!) sind wir dann schließlich wieder zum Checkpoint gefahren und haben uns ordentlich abgemeldet - es war schon verrückt: Ausgerechnet an diesem Wochenende musste es so abartig kalt werden!
Aber jeder muss für sich selber entscheiden, was er sich und seinem Team zumutet: Ich habe mich für das Aufgeben entschieden, denn ich habe nur diese Hunde und ich will auch weiter jeden Tag mit ihnen arbeiten auf unseren Touren. Unter solch extremen Bedingungen bleibt halt der Spaß auf der Strecke - und ich bin immer noch der Meinung: "it should be fun" ...
Ich möchte an dieser Stelle allen gratulieren, die es geschafft haben, ohne ihren Hunden und sich selbst zu schaden, wohlbehalten im Ziel anzukommen. Für diejenigen, denen es so ergangen ist wie mir, wünsche ich für das nächste Mal mehr Glück und alles Gute und viel Erfolg. Und bei Od möchte ich mich für die guten Trails bedanken, aber in einigen anderen Punkten auch etwas Kritik üben: Wenn es sich hier schon um ein internationales Rennen handelt, dann bitte wenigstens ein Musher-Meeting mit englischer Übersetzung.
Aber wir sind dennoch alle froh, dass es das Femundslopet gibt und wir hoffen, dass es auch weiterhin bestehen bleibt, dann aber vielleicht mit einigen Änderungen im Reglement ...
Nachtrag der Redaktion: Schade Stefan, dass du abbrechen musstest, aber so war es sicher besser für euch alle! Und für das nächste Mal mehr Glück (insbesondere mit den norwegischen Wettergöttern!).
Gratulation an Freund Kurt: Er wurde sechster auf der kürzeren Distanz in der "8-Hunde Klasse". Mit Whity und Odin hatte er zwei Hunde, die direkt von Stefans Husky Farm stammen und dann noch einige andere, die zumindest indirekt ebenfalls von Stefans Hunden abstammen. Allerdings blieb auch Kurt nicht verschont und holte sich einige Erfrierungen an den Füßen - Mushing, ein hartes Geschäft, wie es scheint!
© 2001 Stefan Falter, Unteres Bild Rennen: Wolfgang Korssjoen
- Silvester 99/00, die Millennium-Tour des Explorer Teams
- Wieder auf der Husky Farm, im Sommer 2000 ...
- Willkommen auf der Husky Farm: Über das Erlebnis Hundeschlittentouren