Handgurken brauchen größere Displays
von Karsten Franke (XYLON)
Wissen Sie noch was CB-Funk ist? Damals, in den 70er Jahren, muss das ein riesiger Boom gewesen sein. Sagte man mir zumindest, denn die 70er waren schon vor meiner Zeit. So wie heute jedermann und natürlich jedefrau mit einem Handy rumläuft, hatte damals jedermann eine Handgurke eingesteckt. Und weil jedermann damit funken durfte, nannte man das ganze auch "Jedermannsfunk" ...
Die Zeiten sind vorbei: Heute stehen der Menschheit mehr Kommunikationsmittel als jemals zuvor zur Verfügung. CB-Funk gibt es zwar immer noch, aber nutzen tun ihn höchstens noch ein paar Trucker, um sich gegenseitig die Staulängen durchzugeben. Beim monatlichen Gang in den Zeitschriftenladen wundere ich mich jedes Mal. Da gibt es doch tatsächlich noch Zeitschriften, die sich mit CB-Funk beschäftigen. Der Inhalt ist zwar wirklich uninteressant, aber vielleicht sehe ich das ja nur so.
Auch bei mir ist es mit dem CB-Funk schon lange vorbei. Die Kiste und die Antenne habe ich zwar immer noch aufgebaut, aber einschalten tue ich sie nur noch selten. Auch mich hat das Internet mit seiner schier unendlichen Informationsfülle längst verschluckt. Der Chat ist eine echte Alternative zum CB-Funk. Leider etwas teurer, dafür aber global. Was sind 20 Kilometer, die man mit einer durchschnittlichen Anlage überbrückt, gegen einen Chat mit Südamerika?
Aber wie bei allem, das das Leben revolutionierte, schlagen auch beim Internet die Wissenschaftler Alarm: Die Leute vereinsamen hinter ihren Monitoren! Seit neustem gibt es Beratungsstellen für Online-Süchtige. Wo soll das noch hinführen ..?
Als die Eisenbahn erfunden wurde, gab es auch Einwände von Wissenschaftlern: Der Mensch sei solch hohen Reisegeschwindigkeiten gar nicht gewachsen, hieß es damals, als die Züge mit 25 km/h über die Prärie tuckerten. Wie schnell ist heute der ICE ...?
Zurück zum CB-Funk: Es gibt immer noch ein paar Idealisten, die eine große Zukunft für den CB-Funk sehen. Die meisten Leute halten sie für verrückt, ich allerdings nicht. Man müsste den CB-Funk einfach attraktiver gestalten! Einen entscheidenden Vorteil hat er schon: Das Ganze kostet nur ein paar Mark im Jahr! CB-Funk darf nicht weiterhin nur zum Labern gut sein. Handgurken müssen WAP-fähig werden und brauchen größere Displays!
Die RegTP soll ihre Standleitung der Allgemeinheit freigeben und es jedermann ermöglichen, über CB-Funk im Internet zu surfen. Gerade WAP wäre optimal für CB-Funk geeignet! Die Mobilfunknetze schaffen gerade mal 9.600 bps bei der Datenübertragung. Die CB-Funker hängen dem kaum hinterher: Immerhin gibt es schon seit Jahren das Packet Radio Netz mit einer Geschwindigkeit von 1.200 bps.
Gäbe es dieses Jahr zu Weihnachten schon WAP-fähige Handgurken, würde das Nokia 7110 auf dem letzten Platz der Wunschlisten landen. Auf der Wunschliste ganz oben würde demgegenüber ein Stabo xh9082/WAP zusammen mit einem Frequenznutzungsvertrag bei der RegTP stehen. D1, D2 und E-Plus könnten dagegen einpacken. Denn beim CB-Funk ist die Grundgebühr schon lange drin!
Würde man den CB-Funk digitalisieren, könnte man schon bald, völlig unbelauscht und ungestört, mit seiner Liebsten über die letzte Nacht reden. Das würde den CB-Funk revolutionieren und nicht die erfolglose Öffentlichkeitsarbeit der wenigen CB-Funk-Verbände! Das 11m-Band ist nun wirklich zu schade, weiterhin die Müllkippe des Äthers zu bleiben! Derzeit ist es nämlich in einem wirklich üblen Zustand: Neben ein paar Rentnern, die immer noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben, tummeln sich dort nur noch ein paar nervige Kids, die die ganze Zeit vollständigen Unsinn labern.
Manchmal, besonders gern nach der monatlichen Telefonrechnung, erinnert sich mancher Flüchtling an den CB-Funk: Dann wird die Kiste eingeschaltet und durchgerufen. Sollte er mit jemandem in Kontakt kommen, wird sofort gefragt: "Wo sind denn die vielen Leute hin?" "Wo ist nur das intelligente Leben geblieben?" Wo sind nur die Leute hin, die fähig waren, eine Runde mit zwanzig Teilnehmern zu leiten, ohne dass Chaos ausbricht? Wo sind die Leute, die mit ihrer netten Art dafür gesorgt haben, dass Schwachköpfe auf dem Band nach wenigen Tagen wieder verschwunden waren? Alle geflüchtet! Entweder senden sie jetzt als Funkamateur oder sie haben ihr Funkhobby an den Nagel gehängt!
Das Internet hat natürlich auch viele Leute verschluckt. Manche von ihnen diskutieren in Newsgroups über ihr ehemaliges Hobby oder betreiben (genau wie ich) eine mehr oder weniger gute Homepage. Schreien die Internetnutzer nicht die ganze Zeit nach Internet zum Festpreis? Macht doch Packet Radio! Da zahlt ihr 56 Mark im Jahr. Vielleicht sollte die RegTP endlich mal eine Werbekampagne starten: "Surfen sie so viel sie wollen für 56 Mark im Jahr!" Kleine Einschränkung gibt es dabei natürlich. Mehr als 1.200 bps gibt es nicht!
Da würden AOL, T-Online und das restliche Providerpack endlich mal richtig doof dastehen. Schon bald würden die nervigen animierten Grafiken restlos aus dem Netz verschwinden. Seiten wie spiegel.de hätten nicht mehr die geringste Chance. Kein Mensch hätte Lust, 3 Stunden beim Seitenaufbau zuzusehen. "Der träumt ja", denken Sie? Denke ich auch! Aber fest steht: Das 11m-Band braucht eine Revolution! Bekommt es die nicht, ist es wahrscheinlich besser, es mitsamt seinen restlichen Nutzern ganz sanft und schmerzfrei einzuschläfern ...
© 2000 Karsten Franke