Ausklang mit Hindernissen ...
Obwohl es Nachmittag ist, hat die erste Apotheke in Puerto del Rosario geschlossen, also weiter nach La Oliva, dort gibt es alles, sogar Personal mit Englisch-Grundkenntnissen. Ganz vertriebsorientiert versucht man zuerst von allem Monatspackungen zu verkaufen, aber Packungen für eine Woche reichen und wir hatten auch nicht geplant, die fuerteventensische Apothekerbranche zu subventionieren.
Es wurde gegen die vorzeitige Abreise entschieden, der Anblick des Beins bei -1°C zuhause wirkt kaum verlockender als derselbe Anblick bei blauem Himmel und 22°C auf Fuerte, man könnte doch sicher auch noch ein wenig Drachen steigen lassen, die Amstar besuchen oder einfach das gute Wetter genießen, oder etwa nicht ..?
Am nächsten Tag startet der Drachen-Versuch: Es ist ein herrlicher Sonnentag, also Drachen ins Auto und hinaus an den Strand. Das erweist sich aber irgendwie als schlechte Idee: Das Auto bietet kaum Schatten, wenn man hinten auf der Ladefläche sitzt. Der Fuß ist eingepackt in eine Plastiktüte zum Schutz vor Sand und gärt in der Sonne so vor sich hin.
Fliegende Drachen können sitzend aus dem Auto hinaus ebenfalls nicht gesehen werden und Krücken erweisen sich - wer hätte das gedacht - als nur wenig Offroad-tauglich. Fazit: Der Spaßfaktor bei dieser Beschäftigung sinkt deutlich unter Null ...
Angesichts der Erkenntnisse wird auch auf den Ausflug zur Amstar verzichtet und stattdessen ein Nachtrag zum letzten Besuch 2016 gemacht (nachträglich erweist sich das als gute Entscheidung, denn das Bein sollte so wenig wie möglich belastet werden).
Die restlichen Urlaubstage finden auf der Appartementterrasse statt, bei guter Lektüre, dem einen oder anderen Bier mit phantastischem Meerblick und atemberaubenden Sonnenuntergängen. Eigentlich also eine Form Urlaub, wie ihn hier viele machen, außer dass die anderen Touristen hin und wieder noch 50 m zum Strand laufen. Doch da lässt auch irgend jemand noch einen kleinen Drachen steigen, und das macht dann doch ein wenig schwermütig ...
Das Champions League Spiel kann im Appartement-Fernseher gesehen werden und selbstgemachte Burger sind dabei auch nicht zu verachten. Immerhin: Der FC Bayern gewinnt 5:1, es geht doch aufwärts, oder!?
Die britische Putzhilfe im Maravilla hat noch ein paar Tipps: Wir sollten uns am Flughafen per Internet für einen Betreuungsservice mit Rollstuhl anmelden. Dann sollten wir zur Drop Off Zone fahren und dort unser Gepäck ausladen, das spart viel Rangieren mit Koffern und dem riesigen Kitebag.
Die Anmeldung für den Betreuungsservice im Internet erweist sich als Herausforderung: Ein vierseitiges Formular, natürlich nur in Spanisch, muss ausgefüllt werden. Hinterher erweist sich, dass man sich das alles hätte sparen können, denn kein Mensch wusste von unserer Anmeldung per Internet, auch der übermittelte Bestätigungscode war bedeutungslos. Wer hatte genau dieses nochmal bereits am Vortag vorausgeahnt ..?
Ein netter Nachbar hilft beim Beladen des Mietwagens und schon brechen wir am Morgen des Abflugtags auf. Der Tipp mit der Drop Off Zone funktioniert hervorragend, niemand stört sich daran, dass wir hier über eine halbe Stunde stehen. An der Information wird sofort ein Rollstuhl der Sin Barreras organisiert. Die Begleiter sind gut gelaunt und geben sich alle Mühe, ein wenig Schulenglisch wiederzubeleben. Die Mietwagenrückgabe verläuft wie immer bei Cicar reibungslos.
Bleiben noch die Spritzen: Die Entsorgung bei der Apotheke - ein Fehlschlag, man soll zur Nurse gehen. Die Nurse ist unauffindbar, also wird bei der Polizei in ihrer verrammelten Dienststelle angefragt. Die bringt uns zu einer verschlossenen Tür, kein Hinweis auf eine Nurse. Klopfen, warten, klopfen. Das macht keinen Sinn. Da bleibt nur noch der Gang zur Damentoilette und die Entsorgung in der Hygienebox.
Check-In, Gepäckaufgabe (der Voucher für den Kitebag tut seine Wirkung, der Kitebag wird nicht mal mehr gewogen) und Sicherheitskontrollen verlaufen reibungslos.
Doch die Wartezeit fordert ihren Tribut: In der großen Abflughalle findet sich eine Toilette, eine endlose Schlange davor. Auch für Rollstuhlfahrer gibt es eine Kabine, die ist aber offenbar bereits seit längerem besetzt und davor wartet auch schon ein weiterer Rollstuhlfahrer. Die Begleiterin von Sin Barreras kennt aber noch eine zweite Toilette, ganz am Ende vom Terminal. Die ist zwar leer, aber die Behindertenkabine ist ganz am Ende und so eng gebaut, dass nur mit Hilfe von Mitpinklern der Rollstuhl hineinmanövriert werden kann.
Kurz vor dem Einsteigen bemerken wir, dass die Dame am Check-In ohne irgendeinen Hinweis zwei bestätigte Gangplätze in einen Gang- und einen Mittelplatz umgewandelt hat. Am Boarding-Schalter kann man die Umbuchung nachvollziehen und zum Glück wieder rückgängig machen. Niemand versteht, was genau die Dame am Check-In geritten hat.
Endlich können wir einsteigen. Diesmal hat das Flugzeug (zum ersten Mal seit Jahren natürlich) keinen "Finger" bekommen und steht auf dem Rollfeld mit Gangway. Die Begleiterin, meint, es käme eine Hebebühne, mit dem der Rollstuhl bis zum Fliegereingang gehievt werden könnte.
Wir warten ... Was nicht kommt, ist die Hebebühne und so bleibt nichts anderes übrig, als unter den Augen der Crew die Gangway hinauf in den Airbus A320 gestützt auf das Geländer und die Helferin auf einem Bein hochzuhüpfen.
In München hat das Flugzeug dann einen Finger, der Rollstuhl mit Begleiter wartet nach Anforderung durch das Lufthansa-Personal auch schon auf uns. Perfekter Service!
Weniger perfekt ist die Tatsache, dass der Kitebag am Kopf komplett aufgerissen ist: Da wir ja nun wirklich bei dieser Reise kein Problem auslassen wollen, muss der Schaden bei der Lufthansa aufgenommen werden, aber darauf kommt es nun wirklich nicht mehr an ...
Im Krankenhaus angekommen, packt man den kanarisch versorgten Knöchel aus. Man kommt sich vor, wie eine antike Mumie, denn das bayrische Krankenhauspersonal staunt nicht schlecht über Schiene und Verband. Mehrere Mitarbeiter sammeln sich um die Liege: Alles staubt, man vermutet die Verwendung von Weissleim, insgesamt sieht alles nicht gut aus, einem Arzt entfährt ein bestürztes "Oohh ..." beim Anblick des freigelegten Fußes. Während der Patient schon über eine bevorstehende Amputation nachzudenken beginnt, entdeckt man neben dem Bruch noch zwei gerissene Bänder, eine Operation ist unausweichlich, aber wegen der Schwellungen erst in einer Woche möglich. Ein deutlich langwierigerer Heilungsprozess als erhofft deutet sich an ...
Was für ein besch....... Abgesang!
Irgendwie war diesmal wohl so RICHTIG der Wurm drin, oder? Bis jetzt war ja der Schutzengel eigentlich viele, viele Jahre immer und überall auf gleicher Höhe mitgeflogen, aber wo ist der Bursche eigentlich diesmal rumgekreist ..?
Doch auch in 2018 wird es sicher wieder einen Februar geben und vermutlich wird auch Fuerteventura wieder erfolgreich rufen, oder ..?
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