Sonntag, 14.09. - Dienstag, 16.09.08: Über Gigny-sur-Saône und Eguisheim zurück ...
Für die vorletzte Station auf unserer Rückreise haben wir den Ort Gigny-sur-Saône vorgesehen, was einen Streckenabschnitt von nur ca. 200 km bedeutet und uns doch noch einmal in das berühmte Weinanbaugebiet in der Nähe von Beaune führen soll. Der Campingplatz Château de L´Epervière ist somit heute unser Ziel, noch südlich von Beaune gelegen und damit nicht mehr ganz "auf Linie" unserer Breitengrad-Tour. Genauer gesagt bewegen wir uns jetzt im südlichsten Bereich unserer Reise und fast schon bei 46,5° Nord: Na ja, wollen wir ausnahmsweise mal nicht so genau sein mit unserem "Büro-Breitengrad"!
Auf der Fahrt dorthin kommen wir nicht all zu weit hinter Clamecy zunächst einmal durch Vézelay. Bereits von weitem fällt der malerisch gelegene mittelalterliche Wallfahrtsort dem Reisenden auf durch eine beeindruckende Kathedrale oben auf dem Hügel, wo der Ort angesiedelt ist: die Basilika Sainte-Madeleine.
Bereits während man näher kommt, merkt man, dass es sich hier um ein burgundisches Touristenzentrum handelt, denn außer den drei großen gebührenpflichtigen Parkplätzen am Fuße der Hauptstraße fallen Unmengen an Schildern auf, die sich an Touristen richten: Natürlich auch die vielen Hinweise von Winzern, die zum Verkosten ihrer Weine einladen. Hier wäre also eigentlich der richtige Ort für uns, um vielleicht unseren (Rot-)weinkeller mit Spezialitäten des Burgunds zu füllen, aber leider haben wir keine Zeit und müssen weiter - vielleicht aber ein anderes Mal!
Wir lassen Vézelay mit leichtem Bedauern hinter uns und fahren weiter, vorbei an wohlklingenden Orten wie Avallon, Beaune und Chalon-sur-Saône, bis wir schließlich das beeindruckende Château de L´Epervière erreichen, unser heutiges Etappenziel.
Als wir auf den Campingplatz rollen, sind wir mehr als überrascht: Zunächst einmal wurden wir selten derart professionell an einer Rezeption abgefertigt, mit umfangreichem Material zum Platz ausgestattet und auf die verschiedenen Services des Platzes hingewiesen. Allerdings dann sind wir erneut überrascht: Noch keinmal auf unserer bisherigen Nachsaison-Tour waren wir auf einen derart gut gefüllten Platz gestoßen - würde dies häufiger passieren, wäre das Anfahren von Campingplätzen für uns weitaus weniger angenehm ...
Zunächst einmal finden wir noch ein etwas abgelegenes Eck auf dem Platz, der offenbar erst vor kurzem von einer wahren Sintflut heimgesucht worden zu sein scheint. Die riesigen Pfützen lassen uns einen großen Bogen um den ein oder anderen Stellplatz machen, denn schließlich wollen wir hier auch heute wieder unser OZtent aufbauen.
Unser "Alleinstellungsmerkmal" ist nicht mehr lange zu halten: Nach und nach füllt sich der Platz weiter, bis schließlich auch neben uns alles gefüllt ist. Eingekreist von einem Holländer auf der einen und einem übergewichtigen Belgier mit Gelände- und Wohnwagen auf der anderen Seite schwant uns nichts Gutes.
Noch sind viele der benachbarten englischen Wohnwagen und Wohnmobile verwaist: Offenbar findet irgendwo gerade eine organisierte Weinverkostung statt, denn nach rund zwei Stunden naht ein ganzer Pulk von Briten und bevölkert wieder die Mobile. Fast alle kommen mit einem Weinkarton unter dem Arm zurück. Offenbar handelt es sich bei diesem Camp wie schon bei Vermenton um ein in englischen und holländischen "ADAC"-Führern angepriesenes "Luxus"-Plätzchen, denn die Dichte dieser Landsleute ist schon auffällig - einen Franzosen sucht man auf dem Platz vergebens ...
Wir sehen uns im Shop des Châteaus um: Im Angebot sind viel versprechende Rotweine mit dem Château auf dem Etikett und so wandern zwei Flaschen in den Einkaufskorb, dabei auch einer für rund 14,- EUR. Der muss doch hier sicherlich ein echter Hammer sein! Und das ist er auch, wie wir später feststellen: Es ist wohl kein Zufall, dass man das Château de L´Epervière und die zugehörige Domaine in Internet-Suchmaschinen lediglich als Campingplatz findet, nicht aber als hervorragende Domaine des Weinanbaus. Beide dort gekauften Weine erweisen sich als Flop, ganz im Gegenteil zu manchen Käufen, die wir bisher auf unserer Reise getätigt hatten. Nun ja, auch eine solche "Verkostung" bringt Informationen mit sich!
In unserer Umgebung zeigt der Alkohol mittlerweile Folgen: Der Belgier, inzwischen nur noch mit Badehose bekleidet, die seinen bloßen Bierbauch darüber mehr als betont, läuft auf den Stellplatz gegenüber, der noch unbelegt ist. Allerdings liegt er direkt neben einem englischen Wohnmobil, dessen Insassen inzwischen ebenfalls von der Weinverkostung zurückgekehrt sind. Als der Belgier lautstark pladdernd neben dem englischen Wohnmobil an die Hecke uriniert, tönt ein Schrei aus dem Mobil: Lautstark beschwert sich die Camperin aus dem Inneren ihres Fahrzeugs heraus, was den angetrunkenen Belgier zu der vielsagenden Antwort verleitet: "I´m a man ..!"
Noch länger geht die Diskussion, irgendwann entschuldigt sich der Belgier mit dem Hinweis, dass er Medikamente nähme und wiederum etwas später kehrt fast wieder Ruhe ein, wobei lautstarke Unterhaltung im Wohnwagen zeigt, dass der Alkoholpegel doch recht ordentlich ist. Am nächsten Morgen wird sich der Belgier einen anderen Platz im Camp suchen, weil er offenbar keine Lust mehr hat, in der Nähe "solcher" Nachbarn zu stehen ...
Wir verzichten in Anbetracht eines überfüllten und gar nicht einladenden Restaurants des Camps darauf, auch heute wieder essen zu gehen und besinnen uns stattdessen erneut auf die gute Explorer-Küche: Wieder ist "Stöcksken-Abend" und der Hobo-Ofen schafft dazu eine angenehme Atmosphäre ...
Der nächste Tag bringt die Weiterfahrt nach Eguisheim - noch einmal wollen wir die letzte Übernachtung der Tour auf dem Platz verbringen, wo es auch los ging. Wir sind wieder mal erstaunt: Auch Eguisheim ist diesmal noch besser gefüllt als auf der Hinreise - offenbar gibt es hier Saisonregeln, die man beherrschen sollte, wenn man es bevorzugt, allein auf weiter Flur zu stehen ...
Der letzte Abend unserer Reise sieht uns im Hotel-Restaurant A la Ville de Nancy in Eguisheim, ohne die Volksfeststimmung lässt es sich im Ort auch ganz gut aushalten und in diesem Restaurant besonders.
Was wir heute Abend im Restaurant A la Ville de Nancy bereits wissen, ist dass es morgen nun endgültig wieder zurück geht. Zurück durch einen Elsass-Straßenverkehr, der mit jedem Kilometer Richtung Osten wieder deutscher wird: Ein Verkehr, der von Autoschlangen, Lkws, Rasern, Dränglern und Lichthupen bestimmt wird. Wieder mal ein Kulturschock nach vielen Tagen friedlichen Autoverkehrs in Frankreich. Und was man ebenfalls schon ahnt, ist dass die Rückkehr nach Hause nichts Positives mit sich bringen wird.
Doch noch weiß heute Abend niemand, dass Felix morgen den Rückkehrer nicht wie üblich an der Treppe freudig erwarten wird. Noch weiß heute Abend niemand, dass uns nur noch drei gemeinsame Tage und zwei Nächte verbleiben werden. Und noch stellt heute Abend niemand die Fragen, die dafür in den nächsten Monaten um so quälender sein werden: Warum musste es ausgerechnet so und nicht anders kommen? Warum hatte das Schicksal nicht wenigstens ein paar Tage mehr für ihn und uns?
Wir werden es nie erfahren ...
© 2009 J. de Haas