Teil 2: Die "Lemmenjoki"-Wanderung
Endlich komme ich dazu, die schon lange überfällige Fortsetzung zu unserem Bericht "Entlang der Bärenrunde" zu liefern. Fertig ist er schon lange. Woran es lag ? Den letzten Grund für meine Verspätung lieferte mein PC, der nur durch die geballte Intelligenz des Explorer Teams in einem 10-tägigen Reparaturmarathon wieder soweit gebracht werden konnte, daß ich ihn wieder benutzen kann.
Kurz noch zur Auffrischung:
Die Fahrt wurde mit dem VW Syncro, Baujahr 1986, 1,9 l Benzinmotor mit 79 PS durchgeführt. Die Teilnehmer waren Irmgard und Kurt Gradolph mit Hund Cindy.
Die Vorgeschichte entnehmt bitte dem Explorer Bericht Finnland 1994, Teil 1 ...
Wie bereits im ersten Teil erwähnt, wollten wir nun eine große Runde ins Hinterland zu den Goldwäschern machen - die Lemmenjoki-Wanderung.
Die Route ist einigermaßen ausgeschildert und etwa 40-45 km lang. Hütten gibt es unterwegs, ich hatte die Runde schon einmal unter sehr schlechten Bedingungen allein gemacht und wußte ungefähr, was uns erwartet.
Wir packten für 5 Tage Verpflegung ein und hatten somit für einen Tag mehr dabei, als wir unterwegs sein wollten.
Der Samstag erwies sich wettermäßig eher schlechter als unser Ankunftstag, der Freitag. Also verbrachten wir den Tag bei Außentemperaturen um 4-5 Grad lieber im Auto. Wir unterbrachen unser Trielen (?) nur für einige kleine Spaziergänge in die nähere Umgebung und ein Essen oben in der Wirtschaft (90 FIM).
Am Sonntag Früh wachte ich so gegen 0500 Uhr auf. Schön war das Wetter nicht, aber ein Silberstreif am Horizont ermutigte uns, aufzubrechen. Also gingen wir nach einem schnellen Frühstück so gegen 0715 Uhr los. Weil uns aber beim Weggehen so ein komisches Paar in einem Mercedes Benz beobachtete, ging ich noch einmal zurück und so wurde es schließlich doch 0800 Uhr, bis wir endlich in die Gänge kamen. Mich plagten unentwegt Gedanken, ob wohl jemand die Kiste aufbrechen wird und ob die beiden dafür Kundschafter waren. Wir tippelten bei zunehmend besser werdendem Wetter längs des Lemmenjoki ...
Einige schöne Päuschen waren unvermeidlich, wir kamen nämlich an keiner Feuerstelle vorbei, ohne etwas zu brutzeln oder zu fotografieren, was den Marsch insgesamt recht unterhaltsam machte. Wir hatten uns keinen Endpunkt der Tagesetappe vorgenommen und ließen uns ausreichend Zeit.
So kam es, daß wir eigentlich ohne recht müde zu sein, vor uns den Nachen zum Übersetzen über den Lemmenjoki sahen und wußten, daß wir das meiste des Weges bis zur ersten Hütte bereits hinter uns hatten ...
Inzwischen hatte sich der Himmel zugezogen. Der erste Schauer ging genau nach dem Übersetzen nieder, genau wie vor drei Jahren! Unbeirrt tigerten wir auf die Ravardasjärvi-Hütte zu und erreichten diese so gegen 1700 Uhr, der Regen hörte bald danach auf.
Als Johu mit dem Boot noch ein Paar aus Italien auslud (er Südtiroler mit schlechten Deutschkenntnissen, um die 60 Jahre alt, und sie aus Trient, ca. 45 Jahre alt), war schon wieder ein Streifen Sonnenschein zu sehen. Johu bat mich, die beiden zur Hütte zu bringen und mich etwas um sie zu kümmern. Wie sich herausstellte, war er ein fürchterlicher Schnarcher und hielt uns die ganze Nacht wach - ich hätte ihn besser in den Nebenraum komplimentieren sollen!
Bevor wir zur Nachtruhe übergingen, gesellten wir uns alle vier zu einer etwa 10-15 köpfigen Pfadfindergruppe. Die Buben und Mädchen gehörten zu einer Gruppe von insgesamt 45 Kindern. Bald darauf hockten wir alle zusammen um ein Feuer. Einige der Betreuer sprachen englisch und meist auch noch deutsch, es entspann sich wie üblich eine angeregte Unterhaltung.
Zuletzt backte ich mit den Kindern noch Pfannkuchen, was zu ihrem Ausbildungsprogramm gehörte. Ich warf die Dinger zum Wenden in der Luft herum und war bald als "Pfannkuchenbackspezialist" bekannt und beliebt.
Bei einem Versuch war der Pfannenstiel nicht fest genug in der Pfanne und das ganze Geraffel flog während des Umwerfens in das Feuer - ich hatte nur noch den Stiel in der Hand.
Es war ausgerechnet ein Pfannkuchen eines etwas sehr ungeschickt hantierenden Buben gewesen, der vorher schon mindestens zwei Drittel seines Teiges versaut hatte und jetzt befürchten mußte, kein Abendbrot mehr zu bekommen. Er kniete beim nächsten Versuch nieder und flehte: "Please do not drop it into the fire! Please!" Was wohl soviel wie "Schmeiß den bitte nicht auch noch ins Feuer" hieß.
Den Obermotz der Truppe, einen Diakon aus Järvenpää im Süden Finnlands, lud ich zu uns nach Hause ein. Er ist ein bekannter finnischer Marathonläufer und arbeitete in der Jugenderziehung in Järvenpää.
Die Gruppe von etwa 15 Mädchen und etwa 30 Jungens im Alter zwischen 10 und 14 Jahren waren ebenfalls von dort. Betreut wurden sie von zwei eindeutig Erwachsenen (einer davon war der Diakon) und zwei oder drei Jugendlichen. Zwei davon und der Diakon, Erfi oder ähnlich genannt, unterhielten sich sehr viel mit uns. Das Mädchen, welches so als ältere Schwester auftrat, war Marja und 18 Jahre alt. Sie sprach deutsch und englisch. Die Hälfte der Gruppe war in ca. 8 Kanus gekommen, die andere Hälfte genau wie wir zu Fuß.
Die "Bootshälfte" verließ kurz nach unserer Ankunft zu Fuß die die Hütte und wanderte die bergaufgepaddelte Strecke, an diesem Tag zumindest einen Teil derselben, zurück. Die verbleibende Gruppe, eben die, an die wir uns etwas angeschlossen hatten, trainierte das Kanupaddeln und fuhr am Montag mit uns weg. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Maja gesagt, sie müssten am Wochenende wieder zu Hause sein. Ihren Bootstrailer hatten sie Njurgalahti stehen.
Wir folgten dem Pfad über Ravadasnjarga, Maddib Ravadas, Jäkälä-äytsi zur Hütte Morgamojan-Kultala. An der Feuerstelle Ravadasnjarga, machten wir bei schönstem Sonnenschein unsere erste Rast. Wir hatten bis dahin ca. 3,2 km zurückgelegt. Von dort gings dann zum nächsten Rastplatz in weiteren 3,8 km Entfernung. Der Platz hieß Maddib Ravadas, hier kochten wir auch unser Mittagessen: Haferbrei mit Suppengewürz angereichert (Schnelle Tasse)!
Eine längere Pause von ca. einer Stunde schloß sich an. Wir verließen den Platz so gegen 1500 Uhr, als drei weitere Männer ankamen, die ebenfalls ihr Mittagessen kochten.
Auf der ganzen Strecke begegnete uns ansonsten bis dahin nur ein Goldsucherpaar. Sie mögen so um die 20-25 Jahre oder auch älter gewesen sein. Auf jeden Fall waren sie auf dem Weg zum Bootsanleger am Ravadas Järvi. Ab Maddib Ravadas gings dann den "Goldbach" Mattit Ravadas entlang.
Am Anfang waren noch Schürfstellen aus den 50er- bis 70er-Jahren zu sehen, die langsam zu zerfallen scheinen, später dann eine große Schürfstelle mit Baggerbetrieb und Pumpanlagen. Während erstere den Flußlauf insgesamt zwar etwas verändert, ansonsten aber die umgebende Natur weitgehend heilgelassen hatten, erzeugten letztere riesige Schäden in der Natur, die hier oben sowieso sehr sensibel auf Eingriffe aller Art reagiert.
Mit wenig Rücksicht wurde selbst der Touristenpfad weggebaggert und große Schäden an den Bäumchen angerichtet, die zum Aufkommen vielleicht zwanzig bis dreißig Jahre gebraucht hatten und kaum fingerdick waren. Ich glaubte die Besitzerin, Frau Ahonen und ihren Sohn, auf dem gegenüberliegenden Ufer gesehen zu haben. Mit dieser Frau hatte ich vor drei Jahren zusammen am Bootsanleger bei Kultasatama auf das Boot gewartet.
Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß das Schädigende hier überwiegt und das Nützliche insgesamt sehr gering ist. Arbeit und Existenz einer einzelnen Familie darf nicht vor den Interessen der Allgemeinheit kommen, in diesem Falle den Erhalt der Natur im Nationalpark.
Man müßte in dieser sensiblen Region solcherart Eingriffe, auch die der Handdigger, strikt verbieten. Das bißchen Gold, das da geschürft wird, ist auf dem Weltmarkt kaum zu bemerken. Und richtige Millionäre, die auf Kosten der Allgemeinheit entstehen würden, wird diese Gegend wohl auch nicht mehr hervorbringen ...
Nach einem zweistündigen Marsch erreichten wir den Rastplatz Jäkälä-äytsi und fanden ihn halb weggebaggert, mit Dieselfässern verlegt und stinkend vor. Die Dreckbrühe floß unterm Holzstadel durch und der ganze Platz glich einem Bauplatz für ein größeres Tiefbauvorhaben - hier wollten wir eigentlich im Zelt nächtigen! Noch nicht einmal Pause konnten wir hier machen und mußten ungewollt die nächsten 5 km zur Morgamojan Kultala angehen, wo wir schließlich gegen 1730 Uhr eintrafen.
Zunächst waren nur zwei Leute da. Nach Ankunft des Bootes kamen jedoch noch weitere vier an und damit wurde es eng - ich beschloß, ins Zelt umzuziehen. Das Wetter würde passen. Die Neuankömmlinge sahen selbst ein, daß es mit acht Leuten zu eng würde und zogen ihrerseits zum Zeltplatz oberhalb der Hütte weiter. Also blieben wir hier und gingen so gegen 2115 Uhr schlafen.
Cindy verbellte jeden, der rein wollte, auch die Nachbarn machten Krach. Ich hoffte nur, daß wir einigermaßen würden pennen können. Na ja, das mit der Pennerei ging soweit gut, beide Mitbewohner schnarchten zwar, aber irgendwie schliefen wir dann doch ein ...
© Text/Bilder 1999 Kurt & Irmi Gradolph