US Navy "History"

Spionageschiffe ...

Über die NNS Krieger des Kalten Kriegs 


Vorbemerkung der Red.: Wie schon in unserem Beitrag über die Entstehungsgeschichte der Drohne angekündigt, wollen wir noch einen zweiten Beitrag in unserer kurzen US Navy "Historie" Reihe bringen, der ebenfalls von Bill Lee stammt, im Explorer Magazin seit vielen Jahren bekannt durch seine Artikel auf unserer Sonderseite über die American Star.

Bills Spezialgebiet, die Seefahrt, ist auch Gegenstand des zweiten Artikels, den wir ebenfalls erstmals in deutscher Fassung bringen. In diesem Artikel befasst sich Bill mit der frühen Geschichte der in seiner "Heimatwerft" Newport News Shipbuilding (NNS) ebenfalls gebauten Spionageschiffe der National Security Agency (NSA) - nach wie vor in diesen Tagen ein hochaktuelles Thema!


Der Hintergrund

Während der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurden zwölf Schiffe von den USA in Dienst gestellt, die - offiziell als "Technische Forschungsschiffe" bezeichnet - Geheimdienstinformationen sammeln und die elektronische Kommunikation in Krisengebieten der Welt überwachen sollten. Die Missionen dieser Schiffe waren geheim und wurden als strenge Verschlusssache geführt. Ihr Auftrag wurde damit umschrieben, dass sie angeblich Forschungen durchführen würden im Bereich atmosphärischer Phänomene und der Kommunikation.

Ihre tatsächliche Mission war aber ein offenes Geheimnis, so dass diese Schiffe allgemein als "Spionageschiffe" bezeichnet wurden. Zwei dieser zwölf Schiffe waren ursprünglich sogenannte Liberty-Schiffe, also Stückgutfrachter, die im Zweiten Weltkrieg in großer Zahl von den Amerikanern eingesetzt worden waren.

Sie stammten aus der nach Kriegsende nicht mehr benötigten Flotte und waren unter Vermeidung großer Öffentlichkeit von der Werft Newport News Shipbuilding (NNS) in den Jahren 1962/1932  umgebaut worden (Anm. der Red.: In dieser Werft wurde ebenfalls die SS AMERICA und spätere AMERICAN STAR gebaut sowie auch die SS UNITED STATES, die 1952 das Blaue Band gewann für die bis heute schnellste Atlantiküberquerung eines Passagierschiffes).

Anders als bei derartigen Umbauten gewohnt, erhielten die beiden Spionageschiffe keine der sonst üblichen NNS Rumpfnummerierungen. Alle Informationen über sie waren grundsätzlich knapp und sehr allgemein gehalten. Die beiden in Newport News umgebauten Frachter wurden später wieder als Marineschiffe in Dienst gestellt mit einer ausschließlichen Navy Besatzung. Details über ihre Einsatzbereiche und über ihre genauen Aktivitäten vor rund 50 Jahren sind zum größten Teil auch heute noch Verschlusssache.

Im Jahr 2010 hob die National Security Agency (NSA) die Klassifizierung dieser Informationen zum Teil auf und brachte ein Dokument heraus mit dem Titel: "Rückblick auf das Programm der Technischen Forschungsschiffe in den Jahren 1961-1969". Dieses Dokument ist allerdings derart stark redigiert, dass es nur sehr wenig Erhellendes bietet außer Betrachtungen über die grundsätzlichen Eigenschaften von Liberty-Schiffen ...  

Mehr Einblicke in den Alltag dieser beiden bei NNS umgebauten Schiffe, die USS GEORGETOWN und die USS JAMESTOWN, finden sich dagegen verteilt über Dutzende Bücher, Magazine, Internet Postings und alte Zeitungsartikel. 

Dieser Beitrag basiert auf solchen Quellen und schafft zumindest einen Überblick über ihren Bau, ihre Fähigkeiten und irgendwie auch über manche Alltagsgeschichten bei ihren Einsätzen. Ihre Laufbahn bei der Navy war weitaus weniger aufregend als die zweier anderer Spionageschiffe: Zum einen als die der USS LIBERTY, die einen israelischen Angriff während des Sechstagekriegs im Jahr 1967 nur mit Mühe überstand, und zum anderen als die der USS PUEBLO, die von Nordkoreanern im Jahr 1968 aufgebracht wurde.

Ein Baukasten für Spionageschiffe ...

Bei den beiden für einen Umbau zum "Technischen Forschungsschiff" bei NNS ausgesuchten Schiffen handelte es sich also um modifizierte Liberty-Schiffe, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs vom Stapel gelaufen waren. Sie verfügten über vier enorm große Laderäume und waren ursprünglich einheitlich ausgestattet, um verpackte Flugzeuge nach Übersee zu verschiffen. Die beiden Schiffe mussten während des Krieges nicht oder nur wenig Instand gesetzt werden und wurden nach einem kurzen Zeitraum mit zivilen Einsätzen als Getreidefrachter im Jahr 1947 schließlich zwei nationalen "Reserveflotten" zugeteilt.

Geeignet für den Umbau: Liberty-Schiffe ...Die Auswahl der beiden Schiffe als künftige Spionageschiffe basierte zum einen auf ihrem nahezu neuen Zustand, zum anderen auf ihren großen Frachträumen. Sie waren besser geeignet als normale Liberty-Schiffe für einen umfassenden Umbau mitsamt Installation großer Mengen noch nicht festgelegter Ausrüstung und zur Einrichtung ausgedehnter Mannschaftsunterkünfte. 

Anfang August 1962 übernahm die US Navy von der zuständigen Behörde MARCOM (Maritime Commission) die beiden ausgewählten Liberty-Schiffe mit den Namen J. HOWLAND GARDNER und ROBERT W. HART. Kurz danach wurde ein Vertrag mit der NNS abgeschlossen über den Umbau dieser Schiffe für eine militärische Nutzung. Das Vertragsvolumen lag knapp über 9 Millionen US $ und festgelegt war ein Zeitraum von 15 Monaten für die Umbaumaßnahmen.

Beide Schiffe wurden noch im August nach Newport News an der Ostküste der USA überstellt. Die GARDNER, aus der die künftige USS JAMESTOWN werden sollte, wurde aus einer Reserveflotte in der Nähe von Galveston, Texas, nach Newport News geschleppt. Die HART, die als USS GEORGETOWN vorgesehen war, musste nur eine deutlich kürzere Strecke bis zur Werft zurücklegen: Sie stammte aus einer Reserveflotte am James River, wie NNS ebenfalls im US-Bundesstaat Virginia gelegen.

Die Entstehung der geheimen Schwestern ...

Die Navy Bezeichnungen für die Schiffe waren AG-165 (für die GEORGETOWN) und AG-166 (für die JAMESTOWN). Die Kennung AG bezeichnet bei der Navy eine Schiffsklasse der allgemeinen Hilfstruppe (Auxiliary, General). Im Jahr 1964, kurz nach der Indienststellung, wurden ihre Bezeichnungen geändert in AGTR-2 bzw. AGTR-3. Diese Bezeichnung war schon genauer, wenn auch nicht gerade erhellend: Allgemeine Hilfstruppe, Technische Forschung (Auxiliary, General, Technical Research).

Dampfkolbenmaschinen mit 2.500 HP ...Nach der Übergabe an NNS demontierte man dort bei beiden Schiffen die meisten Bestandteile normaler Liberty-Schiffe, sowohl innen als auch außen. Die größte Änderung innen umfasste den Einbau von zwei vollständig neuen und klimatisierten Decks unter dem Haupt-Wetterdeck, das sich nahezu über die volle Länge der Schiffe erstreckte. Zusätzlich zu den Maßnahmen, die weiteren Raum für Ausrüstung und Lagerfläche im Zusammenhang mit ihren neuen Aufgaben schaffen sollten, wurden auch die Unterbringungsmöglichkeiten der Mannschaft erheblich erweitert. Ursprünglich hatten die beiden Schiffe jeweils eine Mannschaft von ungefähr 43 Leuten. Nach dem Umbau konnte man eine Anzahl von mehr als 250 Offizieren und Seeleuten an Bord unterbringen.

Ihre ursprünglichen Hauptmaschinen, Dampfkolbenmaschinen mit 2.500 HP, wurden ebenso beibehalten wie auch das Unterwasserschiff. Der Entwurf der vertikalen Kolbenmaschinen der Schiffe geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. So lange sie betriebssicher arbeiteten, erlaubten sie den Spionageschiffen lediglich eine maximale Geschwindigkeit von 11 Knoten (ca. 20 km/h).

Äußerliche Veränderungen ergaben jedoch ein anderes Leistungsprofil: Nahezu das gesamte umfangreiche Ladegeschirr der Schiffe wurde entfernt. Nur zwei Maststümpfe und Ladebäume für leichte Frachtgüter wurden beibehalten, gerade noch geeignet für die Nutzung kleinerer Materiallager und der Beiboote, die vor den Aufbauten untergebracht waren. Ein großer Deckaufbau wurde zusätzlich auf dem Achterschiff errichtet und das Hauptdeck war inzwischen mit zahlreichen Antennen geschmückt, große wie kleine, und unterschiedlich in der Gestalt sowie ihren Aufgaben.

Das am meisten hervorstechende sichtbare Merkmal waren zwei mehr als 27 Meter hohe Antennenmasten jeweils vorn und auf dem Achterschiff sowie ein etwas kleinerer Dreibeinmast, der direkt hinter dem Aufbau der umgebauten Schiffe angebracht war. Schließlich wurden sie auch noch grau gestrichen und ihre Kennnummern prangten schließlich ebenfalls stolz am Bug.

Umbau: Antennenmasten und Parabolantenne ...Ein paar Wochen bevor sie als Marineschiffe in Dienst gestellt wurden, erschienen etliche Fotos und ein sorgfältig formulierter Artikel in der Novemberausgabe 1963 des Werft Bulletins. Er zeigt Fotos vom Zustand vor und nach dem Umbau eines Schiffes, das an der Pier der Werft liegt, ergänzt durch ein halbes Dutzend Bilder aus dem Inneren. Allerdings verrieten die Innenaufnahmen nur Details von unkritischen Bereichen wie etwa der Mannschaftsmesse mit ihren 136 Sitzplätzen, der Kabinen von Offizieren und Mannschaften sowie einer vollständig ausgerüsteten zahnärztlichen Sanitätsstation.

Nur ein einziger Satz in dieser Veröffentlichung betraf die Mission dieser Schiffe: "Die gewaltigen Laderäume der beiden Schwesterschiffe enthalten nun elektrische und elektronische Einrichtungen, Empfänger und Sender sowie ergänzend dazu andere komplizierte Ausrüstungsgegenstände, die für die Forschung erforderlich sind."

Der Einsatz der Schwester-Spionageschiffe ...

Die GEORGETOWN wurde schließlich am 09. November 1963 in Dienst gestellt, die JAMESTOWN kam einen Monat später in die Flotte. Jede Crew bestand aus 288 Mitgliedern. Ungefähr die Hälfte davon gehörte zu den typischen Schiffsbesatzungen. Die anderen waren aus den Reihen einer geheimen Organisation rekrutiert worden, die allgemein als Naval Security Group bezeichnet wurde.

Ein vor kurzem deklassifiziertes NSA Dokument besagt, dass zu diesem Teil des Personals auf jedem Schiff neun Offiziere und 151 weitere Seeleute zählten. Weitere sechs Offiziere und 137 andere Mitarbeiter gehörten ebenfalls zu jedem Schiff, aber deren Aufgaben sind unkenntlich gemacht ...

Stolze Mitteilung: Post von der JAMESTOWN ... `Gespenster´an Bord ..?

Es war jedoch ein offenes Geheimnis, sogar zu Zeiten des Kalten Kriegs, dass diese zweite Gruppe aus Geheimdienstspezialisten bestand. Aber untereinander und auch seitens der Wissensträger wurden sie lediglich als "Gespenster" bezeichnet. Eine "Willkommen an Bord" Broschüre der GEORGETOWN für Besucher gab einen kleinen Einblick in das, was sich hinter dem grauen Rumpf der Schwester-Spionageschiffe verbarg. 

Der Einsatzzeitraum von den geheimnisvollen Schiffen war relativ kurz: Beide wurden bereits im Jahr 1970 außer Dienst gestellt. Die JAMESTOWN wurde noch im selben Jahr verschrottet, der Abgang der GEORGETOWN folgte Anfang 1971.

Während der wenigen Jahre ihres Einsatzes als "Technische Forschungsschiffe" wurden diese Schiffe regelmäßig genutzt, um Geheimdienstinformationen über Länder zu sammeln, die seitens der USA als Krisenregionen eingestuft waren.

Um die bei solchen Missionen gesammelten Informationen übertragen zu können, wurde eine Parabolantenne von ungefähr 5 Metern Durchmesser eingesetzt, die sich auf dem Deckaufbau des Achterschiffs befand. Über diese Antenne wurden Signale in Richtung Mond gesendet, die von dort aus zum Kommunikationscenter der Marine in Maryland oder auf Hawaii reflektiert wurden.

Durch eine Kreisel-Stabilisierung erreichte man, dass die Parabolantenne auch dann auf den Mond ausgerichtet blieb, wenn die Schiffe - wie bei Liberty-Frachtern üblich - in der See stampften und rollten ...

Willkommen an Bord: Aufschluss über das Schiffsinnere ..? Der "Todesstrahler" für Erde-Mond-Erde Kommunikation ...

Dieses in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hochmoderne Kommunikationsverfahren wurde offiziell als Erde-Mond-Erde Kommunikation (EME) bezeichnet. Die Schiffsbesatzungen bezeichneten die Geräte allerdings scherzhaft als "Todesstrahler".

Dieser Spitzname wurde wohl bei mindestens einer ausländischen Macht ernst genommen, wie man aus dem Bericht eines früheren "Gespenstes" schließen kann. Als nämlich eines der amerikanischen Spionageschiffe in internationalen Gewässern in unmittelbarer Nähe von Havanna unterwegs war, schickten die Kubaner mit Schiff-Schiff-Raketen bewaffnete Torpedoboote los, um die Amerikaner zu drangsalieren.

Da diese keine anderen Verteidigungswaffen an Bord hatten als ein paar kleinkalibrige Maschinengewehre, richtete die Crew möglicherweise ein wenig verzweifelt schließlich die Parabolantenne des EME-Systems auf die drohenden Gegner. Das funktionierte hervorragend: Die plötzlich eingeschüchterten Krieger drehten auf der Stelle ab und brausten in ihren Hafen zurück ..!

Das USS GEORGETOWN Wappen ...Die offizielle Navy-Geschichtsschreibung zur GEORGETOWN und zur JAMESTOWN ist äußerst kärglich. Aber weitere Informationen hierzu können aus anderen vertrauenswürdigen Quellen hinzugefügt werden; vor allem aus Internet Postings früherer Mannschaftsangehöriger. Anderen Postings hierzu - z.B. von unbekannten Personen -  muss man dagegen misstrauen: Sie haben z.T. den Beigeschmack von haltlosen Behauptungen, lassen sich nicht bestätigen und bleiben hier demzufolge unberücksichtigt. Aber manchmal sorgen sie dennoch für eine unterhaltsame Lektüre ...

Das Wappen der GEORGETOWN enthält ein sorgsam ausgewähltes Motto, das wenigstens einen kleinen Hinweis auf ihre wahre Bestimmung enthält; ganz im Gegensatz zur knappen offiziellen Historie der Navy zu diesem Schiff, die wie folgt lautet:

  • Indienststellung USS GEORGETOWN (AG-165), 9. November 1963, Norfolk, VA., CDR. W.A., Kommandant Gleason.
  • Überarbeitung zum Technischen Forschungsschiff (AGTR-2), 1. April 1964
  • Außerdienststellung und Streichung aus dem Flottenregister, 19. Dezember 1969
  • Rückkehr zur Maritime Administration, 24. Juni 1970, Nationale Verteidigungs-Reserveflotte, James River
  • Endverwertung, Verkauf zur Verschrottung, 24. Juli 1970 für 185.001 US $, Verschrottung 1971.

Andere Informationsquellen verraten etwas mehr über ihre kurze Einsatzzeit. Nach ihrer Indienststellung unternahm die GEORGETOWN Ende Januar 1964 eine erste Testfahrt in Richtung Guantanamo Bay, Kuba. Unter ihrer neuen Bezeichnung AGTR-2 wurde sie am 01. April 1964 voll in Betrieb genommen. Sie pendelte in karibischen Gewässern bis Juni des Jahres, danach verließ sie ihren Heimathafen in Norfolk, Virginia, für einen viermonatigen Einsatz an der Ostküste Südamerikas, wo sie das betrieb, was als "elektronische Forschungsprogramme" bezeichnet wurde.

GEORGETOWN verließ Norfolk am 5. Januar 1965. Nachdem sie den Panamakanal passiert hatte, operierte sie vor der Küste von Chile. Im Jahr 1966 wurde sie an Konfliktherden im Atlantik und im Pazifik eingesetzt, dabei durchquerte sie den Panamakanal viermal. Im selben Jahr führte sie zwei Seerettungsmaßnahmen durch, passierte das Auge eines Hurrikans und gewann die begehrte Navy Kampfleistungsauszeichnung "E".

Ähnliche Aktivitäten folgten in den nächsten vier Jahren. Die jungen Seeleute von damals, die auf AGTR-2 während dieser spannenden Ära der Weltgeschichte im Einsatz waren, haben in den letzten Jahren eine Menge Geschichten von damals im Internet gepostet, wie auch das folgende Beispiel:

Gerettet: Kubanische Flüchtlinge ..."Wir verließen Key West kurz nachdem ich im Juni 1968 an Bord gegangen war und verbrachten die folgenden drei Monate vor Havanna. Wir kehrten ungefähre drei Mal nach Key West zurück, um Vorräte und Treibstoff zu bunkern. Unser Bordbuch erwähnte unsere kubanischen Einsätze nicht, aber sie waren recht aufregend. Eines Tages retteten wir ein Floß voller Kubaner, die aus Kuba geflüchtet waren. Das war nicht das einzige Mal, an dem so etwas passierte. Das kubanische Militär ärgerte uns ziemlich viel, indem man uns umkreiste und Fischernetze auswarf, die sich in unserer Schraube verwickeln sollten. Einmal hörten wir eine Rede von Castro ab, in der er erklärte, dass er dabei wäre, das CIA Spionageschiff GEORGETOWN zu versenken. Um kein Risiko einzugehen, brachte uns der Skipper ausreichend weit aus der Zwölfmeilenzone heraus."

Als Antwort auf dieses Posting hatte ein anderes ehemaliges Crew-Mitglied der GEORGETOWN die folgende alte Seemannsgeschichte von 1968 zu bieten (Anm. der Red.: Auch alte Luftwaffengeschichten aus genau dieser Zeit in der BRD haben wir im Magazin: Erinnerungen an die Mission Planning Section):

"Wir wurden durch die BBC vor einer Bombardierung gewarnt, die durch russische TU-95 im östlichen Mittelmeer erfolgen sollte. Unglücklicherweise erfolgte diese Ankündigung 24 Stunden nach dem Vorfall. Ich war oben bei dem Überflug: Alles was ich sehen konnte, waren drei winzige Punkte hoch im Himmel. Das war alles, was geschah. Aber unsere Frauen in Norfolk traf fast der Schlag, weil dies der Monat nach dem PUEBLO Zwischenfall war und sie wussten, dass wir der Ersatz im Mittelmeer waren!"

USS JAMESTOWN: Das Schiffswappen ...Die JAMESTOWN dagegen verbrachte ihre meiste Zeit weit weg von amerikanischen Küsten. Ihre Laufbahn verzeichnet neun Einsätze vor den Küsten Vietnams. Sie erhielt neun Auszeichnungen und eine Ehrenurkunde für ihren Einsatz im Vietnamkrieg. AGTR-3 verließ Norfolk im Januar 1964 ebenfalls für eine Testfahrt zur kubanischen Marinebasis Guantanamo Bay "Gitmo". Während sie sich dort für Ausbildungsübungen aufhielt, unterbrach Castro die Frischwasserversorgung der US Marinebasis, was ihre Bereitschaft vor Ort für eine eventuelle Evakuierung von Militärangehörigen erforderte. 

Im April des selben Jahres brach die JAMESTOWN schließlich zu ihrem ersten Einsatz in Übersee auf, wobei sie Häfen im Mittelmeer und des afrikanischen Kontinents anlief, bevor sie im August wieder nach Norfolk zurückkehrte. Im November war sie wieder auf See und operierte diesmal drei Monate auf und ab vor der afrikanischen Westküste. Im Jahr 1965 folgte der erste von mehreren Transits durch den Panamakanal und anschließend operierte sie kurze Zeit entlang der Pazifikküste Südamerikas.

Nach ihrer Rückkehr nach Norfolk und Aufrüstung ihrer geheimen elektronischen Abhöreinrichtungen wurde AGTR-3 in Richtung Fernost in Marsch gesetzt. Ende 1965 hatte sie schließlich die Philippinen erreicht. Von Januar 1966 bis Mitte 1969 operierte die JAMESTOWN durchgängig im vietnamesischen Kriegsgebiet und sammelte dort wichtige Informationen für die amerikanischen Kampftruppen zu Lande und auf dem Wasser.

Die JAMESTOWN und ein weiteres AGTR Schiff überwachten nahezu ununterbrochen die nordvietnamesische und kambodschanische Kommunikation. Nach jüngsten, erst seit kurzem öffentlichen Informationen, wurden auch die elektronischen Aktivitäten von Thailand, Laos und China ebenfalls abgehört.

Im Dezember 1969 wurden die beiden Spionageschiffe schließlich außer Dienst gestellt und gingen in Japan vor Anker. Im folgenden Mai wurden sie an die Mitsubishi International Co. verkauft und nochmals ein Jahr später, 1971, in Japan verschrottet. Die Männer, die auf der JAMESTOWN gefahren waren, gaben ihr, wie nahezu alle Schiffscrews, einen Spitznamen: "JIMMY T" ...

Die JAMESTOWN unterwegs ... Schwestern: GEORGETOWN (links) und JAMESTOWN ...

Ein kurzes Gedicht, das auf der Webseite eines Crewmitglieds der JAMESTOWN zu finden ist, spiegelt die empfundenen Schwächen des Schiffes und die Haltung ihrer Mannschaft wider - sowohl auf See als an Land. Das Gedicht verrät auch die widerwillige Abhängigkeit der Crew von ihr - ihrem Heim fern der Heimat ...

Das Original: The Jimmy-T ...DIE JIMMY-T

Sie hat nicht die Kraft des Falken Kitty,
Die Versorgungstanker überholen sie und sie ist nicht sehr hübsch,
Sie wurde niemals Herrscherin der See genannt,
Aber sie ist alles was wir haben, sie ist die Jimmy-T.

Ihre Maschinen saufen das Öl mit unstillbarem Durst,
Sie hat matte Generatoren, die gehätschelt werden müssen,
Ihr Anstrich ist so dick wie die Borke eines Baums,
Aber sie ist alles was wir haben, sie ist die Jimmy-T.

Wir fluchen, wir verwünschen, wir zetern
Über das Essen, die Heuer oder die Maloche
Wir arbeiten alles ab an Land bei einem Gelage
Und schwanken zurück heim zur ollen Jimmy-T.

Nachwort

Die ganze Geschichte von dem, was die Crews von Amerikas Spionageschiffen während des Kalten Kriegs bewerkstelligten, wird allmählich enthüllt, weil die Klassifizierung von Dokumenten aufgehoben wird und Mitarbeiter der früheren National Security Agency (NSA) über die Organisation berichten. Einer dieser "Gespenster" bietet in einem Buch mit dem Titel The Puzzle Palast (Der Rätselpalast) eine interessante und heitere Ansicht, wie verschiedene Gruppen die Abkürzung NSA interpretierten.

Für Außenstehende bedeuteten die Initialen No Such Agency (Es gibt keine derartige Behörde). Für die Mitarbeiter bedeuteten sie Never Say Anything (Sage niemals irgendetwas). Heutzutage, nach den aktuellen Enthüllungen, könnte man meinen, die Abkürzung der Behörde steht für Not Secret Anymore (Nicht mehr geheim). Anm. der Red.: Aufgrund der Enthüllungen von Edward Snowden müssen wir uns selbst betreffend noch eine weitere Bedeutung hinzufügen: NSA = No Secret Anymore! (Es gibt kein Geheimnis mehr ... )

`Deklassifiziertes´ Dokument ..?!Wie dem auch sei, die NSA gibt widerwillig Informationen heraus: Als Beispiel soll eine Seite dienen, die einen kleinen Ausschnitt aus dem kürzlich deklassifizierten Dokument darstellt, das am Anfang dieses Beitrags erwähnt wurde. Es betrifft die Historie der GEORGETOWN Einsätze (siehe unten rechts).

Die Spionageschiffe der sechziger Jahre spielten mit Sicherheit eine wesentliche Rolle für die Möglichkeiten der NSA, den Rest der Welt abzuhören und ausländische Verschlüsselungssysteme zu knacken. Aber es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern - falls überhaupt -, bis wir genau wissen, welchen Beitrag zur nationalen Sicherheit diese ehemaligen Krieger tatsächlich leisteten. Bis dahin muss wohl ihr Wahlspruch ausreichen:

"In Gott vertrauen wir, alle anderen überwachen wir"


© 2014 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Bill Lee finden sich in unserer Autorenübersicht