Marine "Historie"
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Vorbemerkung der Red.: Erneut bringen wir hier einen historischen Beitrag unseres Seefahrt-Spezialisten Bill Lee, der uns auch aufgrund seiner beruflichen Vergangenheit in der US-Marine immer wieder interessante Artikel aus dieser Sparte liefert. In unserer "History"-Reihe handelt es sich dabei oft um Dinge und Geschehnisse, die heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Nach seinem Artikel über das erste nuklear angetriebene Handelsschiff der Welt, den er seinerzeit zum 50. Jahrestag der amerikanischen NS SAVANNAH schrieb, folgt nun ein historischer Beitrag über eine andere Spezies erster Schiffe: Nämlich die ersten Handels-Unterseeboote der Welt, die diesmal aus Deutschland kamen - und wieder mal aus letztlich kriegerischem Anlass ...
Die ersten Handels-Unterseeboote
In der langen Geschichte der U-Boote wurden lediglich zwei große Tauchboote als Handelsschiffe gebaut und betrieben.
Ohne jede Ausrüstung für offensive oder defensive Zwecke wurden die Boote DEUTSCHLAND und BREMEN von einer privaten Reederei entwickelt - als Möglichkeit, die Seeblockade Deutschlands durch die Royal Navy im Ersten Weltkrieg zu umgehen.
Die Deutsche Ozean-Reederei GmbH wurde als private Tochtergesellschaft von der Norddeutschen Lloyd Reederei und der Deutschen Bank gegründet. Ihr einziger Zweck war der Aufbau einer Flotte von U-Booten für den heimlichen Frachttransport zwischen Deutschland und den USA.
Bevor die deutsche Regierung den unbeschränkten Seekrieg ausrief, gab es noch gewisse Sympathien im damals neutralen Amerika für die deutsche Sache. Eine Ironie der Geschichte war es aber, dass ausgerechnet U-Boote später nicht nur diese positive Haltung beendeten, sondern Amerika auch an der Seite Großbritanniens und Frankreichs im April 1917 in den Krieg hinein trieben.
Bis dies soweit war, hatten US-Unternehmen dringenden Bedarf an hochwertigen Farbstoffen, die hauptsächlich aus Deutschland kamen. Vor Beginn des Ersten Weltkriegs belieferten deutsche Chemiefirmen amerikanische Unternehmen mit 75 % dieser Materialien.
Gleichzeitig benötigte Deutschland aber für seine kriegerischen Ambitionen dringend Rohstoffe wie Silber, Nickel, Zinn und Kautschuk, die allerdings im Überseehandel kaum mehr mit normalen Frachtschiffen transportiert werden konnten. Aus diesem Grund wurde der Bau von insgesamt sieben Unterwasser-Handelsschiffen erwogen, um ausreichende Mengen dieser lebenswichtigen Güter von Amerika nach Europa zu schaffen.
Nur zwei dieser Boote wurden allerdings tatsächlich fertiggestellt und kurze Zeit für zivile Zwecke eingesetzt.
Jedes dieser einzigartigen Schiffe war insgesamt 65 Meter lang. Sie wurden mit der ungewöhnlichen Breite von fast 9 Metern konzipiert, um ausreichend Platz für Ladung zu schaffen. Jedes Boot hatte eine Frachtkapazität von 700 Tonnen, davon 230 Tonnen für Kautschuk, der in den freien Bereichen zwischen der Innen- und Außenhülle gelagert werden sollte.
Die Wasserverdrängung dieser Unterwasserboote betrug 2.236 Tonnen. Der Antrieb erfolgte über zwei Schiffsdiesel im Betrieb an der Wasseroberfläche sowie mittels zweier Elektromotoren für die Tauchfahrt. Sie waren in der Lage, ca. 23 km/h bei Oberflächenfahrt zu erreichen sowie rund 10 km/h bei Tauchfahrt, die maximale Tauchtiefe betrug ca. 50 m.
Die Kiellegung des ersten der geplanten sieben Tauchboote erfolgte gegen Ende des Jahres 1915 in Flensburg bei der dortigen Schiffsbau-Gesellschaft.
Gegen Mitte März des Folgejahres war das Boot bautechnisch fertig und für das Auslaufen vorbereitet, wie das Bild rechts zeigt. Unten am Rumpf kann man das festgestellte Tiefenruder erkennen sowie darüber auf der Steuerbordseite rechts die versenkte Gehäuseöffnung des einzigen Ankers. Das Boot wurde am 28. März 1916 auf den Namen DEUTSCHLAND getauft und kurz danach vollständig fertiggestellt.
Bevor die DEUTSCHLAND - im Heimatland als "Blockadebrecher" bezeichnet - das erste Mal in See stach (Bild unten links), hatten die Briten bereits von der Absicht Deutschlands erfahren, Unterseeboote für den Handel mit den Vereinigten Staaten einzusetzen. Großbritannien protestierte bei der amerikanischen Regierung mit dem Argument, dass solche Schiffe nicht gestoppt und auf geschmuggelte Waren nach internationalen Blockaderegeln überprüft werden könnten.
Die Vereinigten Staaten behaupteten trotz des Drucks der britischen Regierung, die Boote wären in amerikanischen Häfen für den friedlichen Handel willkommen, so lange sie unbewaffnet seien - eine bestenfalls fragwürdige Argumentation ...
Die DEUTSCHLAND verließ Bremen am 23. Juni 1916 mit einer angeblich zivilen Besatzung von 29 Mann unter dem Kommando von Kapitän Paul König (Bild oben rechts), der vorher beim Norddeutschen Lloyd tätig war. Tatsächlich bestand der größte Teil der Besatzung aus Reservisten der deutschen Marine, die zuvor die U-Boot-Ausbildungsschule des Landes besucht hatten.
Das Boot transportierte bei seiner ersten Fahrt eine Fracht von 750 Tonnen, darunter 125 Tonnen patentierte chemische Farbstoffe in hochkonzentrierter Form. Mit dabei waren auch Medikamente, Edelsteine und Post. Die Ladung hatte 1916 einen Wert von ca. 1,5 Mio. US $, was einem heutigen Wert von etwa 33 Mio. US $ entspricht.
Nach erfolgreichem Umgehen der britischen Blockade im Ärmelkanal und von britischen Kriegsschiffen, die vor der Küste Virginias patrouillierten, erreichte die DEUTSCHLAND den Hafen von Baltimore am 09. Juli 1916. Sie war ca. 7.800 km weit gefahren, wobei nur ein Bruchteil dieser Strecke - rund 150 km - in Tauchfahrt zurückgelegt wurde.
Die große deutsch-amerikanische Gemeinde in Baltimore empfing das Boot und seine Besatzung. Während das Handels-Unterseeboot im Hafen lag, inspizierte der amerikanische Tauchboot Pionier Simon Lake die DEUTSCHLAND und traf im Anschluss daran eine Vereinbarung mit Vertretern des Norddeutschen Lloyds betreffend den Bau von Untersee-Frachtschiffen in den USA - ein Projekt, das nie zustande kam ...
Vor der Rückkehr nach Deutschland wurde zu Ehren der Besatzung des U-Boots ein fantastisches Dinner ausgerichtet und die Männer erhielten eine Vielzahl von Geschenken zur Feier ihrer Leistung. Ebenfalls zu ihren Ehren wurde eine Medaille in begrenzter Stückzahl an lokale amerikanische Kunden, Unterstützer und potentielle Interessenten verteilt, um für zukünftige U-Boot Vorhaben zu werben.
Die gesamte Crew posierte während ihres Aufenthalts in Baltimore für Fotos (Bild oben links), allerdings - etwas merkwürdig - vor einem Backsteinbau an der Uferpromenade und nicht an Bord oder wenigstens nah an ihrem Boot. Kapitän König steht inmitten in dieser Gruppe, als Dritter rechts neben dem Mann, der offenbar eine weiße Kombüsen-Kochjacke trägt.
Deutsche Schiffsmakler verkauften die Ladung des U-Boots mit riesigem Gewinn; angeblich für mehr als das Vierfache der Gesamtkosten des Baus der DEUTSCHLAND. Unser Bild (oben Mitte) zeigt das erste Handels-Unterseeboot der Welt beim Verlassen des Hafens von Baltimore, unterstützt von einem Hafenschlepper - auf dem Rückweg nach Deutschland und beladen mit einer Fracht, zu der 348 Tonnen Kautschuk, 341 Tonnen Nickel und 93 Tonnen Zinn gehörten.
Sicher erreichte die DEUTSCHLAND ihren Heimathafen Bremerhaven am 25. August 1916 (Bild oben rechts). Zusätzlich zu ihrem kommerziellen Erfolg war sie auch das erste deutsche Tauchboot, das den Atlantik überquerte ...
© 2017-2020 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin