Quälend langsames Vorankommen

Ganzjährige Öltransporte unter arktischen Bedingungen?Am 3. Mai hatte die MANHATTAN endlich die Baffin Bay durchquert und den 77. Breitengrad Nord erreicht. Die vereitelten Versuche, sich der Nordwestpassage auf vernünftige Art und Weise zu nähern, führten zu der Erkenntnis, dass es keinen Sinn machen würde, ganzjährige Transporte ölbeladener Tanker durch diese Passage zu planen. Szenen wie die im Bild links unterstreichen diese Einschätzung ...

Dieser Punkt war erreicht, als die Entscheidung fiel, nicht weiter Richtung Westen zu fahren. Stattdessen wurde festgelegt, dass die MANHATTAN Kurs auf ein Gewässer an der Nordküste von Baffin Island mit dem Namen Pond Inlet nehmen sollte. Dies war ein geschützter Bereich, der als guter Platz für weitere Tests angesehen wurde. Dort gab es auch ein Eskimodorf gleichen Namens, wo die Sponsoren der Reise bereits einen Freundschaftsbesuch der MANHATTAN eingeplant hatten.

Auf zum Eskimodorf!Ein paar Tage später blieben sowohl der Tanker als auch der kanadische Eisbrecher mehrere Stunden lang stecken. Diese Situation verschlimmerte sich später noch, als ein beständiger Wind von rund 50 km/h die Breitseite MANHATTAN mit erstaunlicher Kraft voll traf und das gewaltige Schiff wie ein Spielzeug vor sich her trieb. Während es seitwärts geschoben wurde, begann es das Eis auf der Steuerbordseite zu zermalmen und aufzubrechen, wo sich dieses anschließend auch auftürmte.

Das alles war, wie Dave festhielt, eine beängstigende Vorführung der Kraft der Natur. Während dieser Ereignisse war das kanadische Schiff etliche Kilometer entfernt. Es dauerte bis zum nächsten Tag, die MANHATTAN zu erreichen, den Tanker zu umkreisen und das Eis so aufzubrechen, dass er wieder weiterfahren konnte.

Während der nächsten Tage machte das Eisbrecher-Duo relativ langsame Fahrt abwechselnd zwischen großen Eisbarrieren und anschließendem dünneren Eis sowie zeitweise sogar durch offenes Wasser, als sie sich dem felsigen Ostufer der äußersten Region von Baffin Island näherten. Bis zum 9. Mai hatten sich die beiden Schiffe bis auf ungefähr 65 km der Eskimogemeinde Pond Inlet genähert.

Einheimischer Besuch

An diesem Abend empfing man auf der MANHATTAN Besucher aus dem Eskimodorf, was Dave in seinem Logbuch wie folgt beschrieb:

"Fünf Eskimos und der Dorfschullehrer - ein Däne, der ein Eskimomädchen geheiratet hatte - kamen zu uns an Bord. Sie waren mit Motorschlitten gut 50 km weit gefahren. Die Eskimos waren ziemlich klein mit dunklen Gesichtszügen, eher flachen Nasen und kurzen Hälsen.

Sie verbrachten die Nacht bei uns und bauten am nächsten Tag ein Iglu vor unserem Bug auf der Steuerbordseite. Sie brauchten dafür nur 35 Minuten und sagten später, sie könnten auch eines in 15 Minuten bauen, wenn sie sich anstrengen würden. Das Iglu hatte einen Durchmesser von gut zwei Metern
und war rund 1,80 Meter hoch. Sie benutzten Sägen, um Blöcke aus gefrorenem Schnee zu sägen, die etwa 60 cm lang und 30 cm breit waren. Jeder Block war etwa 15 cm dick und wog geschätzte 15 kg. Wir waren überrascht festzustellen, dass sie Iglus spiralförmig und konisch verjüngt nach oben bauen, so dass nichts ins Rutschen kommen kann aufgrund der Schwerkraft.
"

Schnell gebautes Iglu ... ... mit ungewöhnlichen Konstruktionsmerkmalen ...

Dave war beeindruckt von dieser zweckmäßigen Konstruktion und machte in seinem Logbuch entsprechende Skizzen mit der Anordnung der Blöcke (Bild oben rechts), die vollkommen anders war als die übliche Konstruktion von Iglus.

Nachdem ihre Besucher sie wieder verlassen hatten, setzten die beiden Schiffe ihre Bemühungen fort, sich näher an Pond Inlet heran zu bewegen. Tagelang gelang es ihnen nur wenige Kilometer innerhalb von 24 Stunden zu schaffen, wobei sie sich häufig in zunehmend dickerem Eis festfuhren.  Am 13. Mai notierte Dave in seinem Logbuch, dass sie sich ständig ihren Weg frei rammen mussten, aber dabei jeweils immer nur weniger als 50 Meter voran kamen.

Ein Schaden am Heck und "Freiheit" ...

Am 15. Mai wurde entdeckt, dass Heckverkleidung und Versteifungen auf der Backbordseite durch ein Loch direkt oberhalb des Hecktanks beschädigt worden waren. Dieser Bereich des Schiffsrumpfs war im Rahmen des Umbaus nicht verstärkt worden, so dass wiederholtes Zurücksetzen in dickes Eis offenbar einen unerwarteten Schaden am Rumpf verursacht hatte.

Die genaue Untersuchung des Schadens erforderte das Abpumpen von Tonnen von Ballastwasser, um den Tiefgang des Schiffs am Heck zu reduzieren und den Zugang zum beschädigten Bereich zu ermöglichen. Die Skizze unten links, eine von mehreren, die Dave nach der Besichtigung dort anfertigte, vermittelt einen Eindruck der Schadenssituation.

Später, während der Fahrt in offenem Wasser, hatte Dave Gelegenheit, den beschädigten Bereich von außen zu betrachten; im 2. Bild links unten zu sehen. Im Verbindung mit den zunehmenden Problemen voran zu kommen, führte dieses Problem nun zu der Entscheidung des an Bord maßgeblichen Vertreters der Ölfirmen, weitere Versuche eines Heranfahrens an Pond Inlet einzuschränken ...

Schadensaufnahme ... ... und Besichtigung von außen In Pond Inlet ... und einheimische Besucher ...

Es wurde beschlossen, dass diejenigen, die das wollten, am nächsten Tag Gelegenheit bekommen sollten, das nahe gelegene Eskimodorf zu besuchen. Danach würde das Schiff wieder Kurs Richtung Heimat nehmen und letzte Tests während dieser Fahrt durchführen.

Der 16. Mai wurde auf der MANHATTAN zum "Liberty Day" erklärt: Alle an Bord wurden in mehreren kleinen Gruppen per Helikopter ausgeflogen, um einige Stunden an Land in Pond Inlet zu verbringen. Es war das erste Mal seit sechs Wochen, dass jeder wieder festen Boden unter den Füßen hatte, was bei einigen zu kleineren Problemen führte, ihre "Seebeine" daran zu gewöhnen.

Das Dorf zu erkunden dauerte nicht lange, berichtete Dave, aber er machte eine Reihe von Fotos, die die Bedingungen deutlich machten, unter denen die 350 Bewohner dort lebten. Er machte auch einige pessimistische Notizen zu den deprimierenden wirtschaftlichen Bedingungen in Pond Inlet und zu der großen Abhängigkeit der Eingeborenen von der Unterstützung durch die kanadische Regierung. Dennoch schloss er: "Alles in allem war das heute eines der großartigsten Erlebnisse der Reise. Diese Menschen zu sehen, wie sie leben, was sie tun und wie sie wirklich sind, hat viel für mich bedeutet."

Schmuck und Schätze

Schmuckstückkauf vor OrtNachdem die Crew zum Schiff zurückgekehrt war, besuchten einige Eskimos die MANHATTAN; einige kamen sogar mit Hundeschlitten über die Eis und brachten kleine Kinder mit. Die jüngsten Schiffsbesucher streiften durch das riesige Schiff, verbrachten aber die meiste Zeit in der Schiffsküche und aßen Süßigkeiten, Kekse und andere selten gesehene Leckereien.

Ihre Eltern brachten Speckstein und Fischbeinschnitzereien mit, Robbenfelle, Pelzstiefel und Ringe aus den Stoßzähnen von Walrössern. Diese Sachen verkauften sie in der Schiffsküche zu günstigen Preisen an ihre seefahrenden Gastgeber. Die Preise reichten dabei von einem Dollar für Schmuck bis zu 60 $ für einen seltenen Narwal-Stoßzahn, den einer der Besatzung kaufte. Dave schloss sich den anderen an und erstand mehrere Gegenstände, darunter die rechts abgebildete Specksteinschnitzerei einer arktischen Eule sowie eine Reihe von Miniatur-Mukluks, gefertigt von einer Eskimofrau in Handarbeit.


© 2012-2018 Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin