Essen, Sporteln, Wohlsein und mehr ...
Der Kiosk hat heute geöffnet und für 2,50 Euro erhalte ich die begehrte Flasche und befinde mich nun im grenzenlosen Sprudelglück!
Frühstück und Mittagessen erweisen sich im Prinzip als absolut in Ordnung. Nun ja, man kann morgens am Frühstücksbuffet Obst bunkern und dann nach dem Abendessen, um sich noch etwas Gutes zu tun. Hin und wieder wird sogar das Abendessen angereichert durch warmen Leberkäs, ein hartgekochtes Ei oder Quarkbrotaufstrich.
Sicherlich schüttelt man manchmal verwundert den Kopf bei Vorsuppen, die da heißen: Apfelsaft oder Buttermilchfruchtspeise. Man merkt auch, wann die Zucchini weg müssen, denn dann schwimmen große verkochte Stücke davon im Linseneintopf ...
Ein wichtiger Punkt ist hier die Gewichtsreduktion, aber man darf frei entscheiden, ob man Reduktionskost oder Vollkost bevorzugt. Bei den abendlichen Fertigsalaten fällt auf, dass manche Salate an einem Tag bei der Reduktionskost auftauchen und am Tag darauf bei der Vollkost.
Also kommt es bei der Rohkost wohl nicht so darauf an. Nur der Kartoffelsalat wechselt nie die Seiten ...
Ich bin froh, mein Essensmanagement selbst übernehmen zu können, denn sonst hätte ich bei der Empfehlung für das Frühstück in die Röhre geschaut oder eher auf einen blanken Teller, denn der Musterteller mit Hinweis 500 kcal ist leer!
Zu vielen der Anwendungen muss man in Sportklamotten erscheinen: Ich besitze unter anderem einen Trainingsanzug, der nicht auf 50 m Entfernung bereits nach ausgeleiertem Dreistreifenlook aussieht. Er ist einfach fesch! Als ich damit zur Massage erscheine, werde ich von einer großen, kräftigen Dame mittleren Alters begrüßt: "Haben Sie etwa Straßenkleidung an? Das ist hier verboten!" "Nein, nein, das ist ein Trainingsanzug!" Ich nestele an den typischen Attributen: Bändel am Bund und am Kragen, elastisches Material, Bündchen unten an der Hose, Reißverschlussjacke usw. "Wie, so schick kann das jetzt aussehen" meint nun versöhnlicher die Physiotherapeutin ...
Ich bekomme dann von ihr genau erklärt, wie ich in Zukunft mein Laken, dass stets zu solchen Anwendungen mitzubringen ist, auf der Liege ausbreiten und dann falten muss, damit alles optimal ist. Ein wenig Bundeswehrflair schwebt durch die Kabine ...
Ein anderes Mal werde ich von einer anderen Therapeutin freundlich begrüßt, sie fragt nach meinem Befinden, nimmt mein Laken, breitet es aus, fragt mehrfach, ob alles passt und bietet zum Abschluss noch eine Orangenlotion an. Nun schweben Wellnessgefühle durch die Kabine ...
Eine unserer Putzfrauen macht keinen Hehl aus ihrer Herkunft: Laut slawisch telefonierend mit dem Handy in der rechten Hand übertönt sie leicht den Staubsauger in der linken Hand bei weit geöffneter Zimmertüre. Putzzeiten sind eben keine Ruhezeiten! Sie ist sehr resolut und stürmt schon mal ins Patientenzimmer und Bad, auch wenn man gerade unter der Dusche steht. Sie will dann Handtücher wechseln. Und es wird recht mühselig diskutiert, wenn man nun einfach nicht bereit ist, das Handtuch herzugeben, das man sich vor Schreck vorhält ...
Sie kommt auch einmal, um nach Wechselgeld zu fragen, sie bräuchte 50 Cent Stücke für Kaffee. Ich habe tatsächlich zwei 50 Cent Stücke griffbereit in der Jackentasche. Da meint sie, sie müsste noch schnell den Euro holen, und bleibt für den Rest des gesamten Aufenthalts verschwunden. Was das Ganze sollte, klärt sich nicht. Wollte sie, dass man ihr den Euro schenkt? Wollte sie nur wissen, wo man Geld aufbewahrt, ist ihr Kaffeedurst plötzlich verschwunden, hat sie vergessen, in welchem Zimmer die zwei 50 Cent Stücke warten ..?
Ansonsten kann man nicht damit rechnen, dass die Putzfrau nur einmal pro Tag ins Zimmer kommt: Da werden zuerst neue Handtücher gebracht, eine halbe Stunde später der Papierkorb geleert, dann nach einiger Zeit das Bad gereinigt und dann noch später das Zimmer gesaugt oder Bettwäsche gewechselt. Vielleicht effizient für die Putzkraft, für den Patienten mitunter etwas nervig!
Im Nachttisch ist ein Radiowecker zu finden, den man je nach Wunsch anschließen und programmieren kann. Ich verzichte darauf, aber die Putzfrau holt den Radiowecker vor jeder Putzaktion heraus, schließt ihn an, sucht den Lieblingssender, putzt bei Musik und verstaut den Radiowecker anschließend wieder.
Am Samstagmorgen ist Walking geplant: 07:00 Uhr morgens, vor dem Frühstück, stockfinstere Nacht, wer hätte das gedacht!?
Es wird angesagt, man solle schnell 500 Meter bis zum nahen Edeka gehen, dann bekämen wir eine Einweisung. Die Straßenbeleuchtung ist spärlich und dabei schnell über dunkle Bürgersteige ohne Kopflampe zu gehen, löst selbst bei bayrischen Bürgersteigen in Erinnerung an Fuerteventura 2017 und in Gedanken an eine reparierte Wirbelsäule recht ungute Gefühle aus, zumal man uns anweist, den Kopf nicht nach unten zu beugen, sondern geradeaus zu blicken.
Trotz meiner gedämpften Laufschuhe merke ich bei jedem Schritt auf dem asphaltierten Bürgersteig einen Schlag in Nacken und Kopf. Auf einem finsteren Platz hinter dem Edeka gibt es eine Blitzeinweisung: "Fuß immer mit der Ferse zuerst aufsetzen, nicht übertreiben, sonst gibt es Probleme mit dem Schienbein und die Arme in Taillenhöhe angewinkelt mitführen, Kopf erhoben, nicht nach unten blicken. Und jetzt gehen wir den Kapellenweg runter, wir müssen uns beeilen und die anderen einholen ..."
Eine fünfminütige Einweisung im beleuchteten Haus zu spendieren, wo man vielleicht noch ein wenig die Anfänger hätte kontrollieren und korrigieren können, wäre sicherlich eine gute Investition gewesen. Von anderen Anfängern erfahre ich, dass dann später "Dehnen" angeordnet wurde, aber keinerlei Hinweise erfolgten, wie und was man genau dabei eigentlich dehnen sollte ...
Ich erinnere mich also an die Warnung der Physiotherapeutin: "Erschütterungen vermeiden", die offensichtlich keinen Eingang in den Therapieplan gefunden hat, breche das Walking ab, kehre auf sanften Sohlen mit langsamen Schritten zur Klinik zurück und suche Schutz in meiner Halskrause. Leichte Nackenschmerzen, Kopfweh und etwas Übelkeit sind der Preis für diesen morgendlichen "Ausflug" ...
Ich gehe illegal eine halbe Stunde vor dem Therapieplan zum Frühstück. Anschließend erwarten mich Heupackung und Heubad, das macht einen Teil der Beschwerden schon wieder gut.
Nicht so schön ist allerdings das Gespräch, das ich dabei aus der Nachbarkabine mitbekomme: Eine Patientin fragt, ob man ihr ggf. behilflich sein könnte beim Aussteigen aus der Wanne. "Nein", entgegnet die Badewannenmeisterin, "Ich habe es im Rücken und habe gerade eine Ibuprofen genommen und wenn Sie sich nicht zutrauen, aus der Badewanne zu kommen, dürfen Sie halt keine solche Therapie machen ..." Es gibt noch ein bisschen Geplänkel, ich nehme aber an, dass die Patientin das nicht auf sich beruhen lassen wird.
Bei der Heupackung werde ich auf wunderbar duftende Heukissen gelegt und warm eingepackt: Auf der Liege neben mir erwartet dort platzierte Dame eine Arnikapackung und erhofft etwas ähnliches wie bei mir, wie sie mir hinterher berichtet. Das Arnikakissen wird gebracht und dieser Dame, die vor Schreck aufschreit, ohne Warnung auf die Schulter geklatscht. "Ist das Ihr erstes Mal" wird sie gefragt, "Ja" meint die Überraschte, denn das Kissen kommt frisch aus dem Gefrierschrank. "Ja das ist halt kalt" meint man als Entschuldigung. Rauhe Sitten in der Bäderabteilung!
Aber mit diesen Ausnahmen erlebe ich die Hüter***Innen der Wannen als überaus freundlich und hilfsbereit: Steckt man in einem Moorbad, wird regelmäßig der Schweiß von der Stirn getupft oder kühle Luft zugefächelt und am Schluss wird man auch noch fachgerecht abgebraust ...
Am Nachmittag gelüstet es mich nach einem leichten Weißbier. Es heißt also Strickzeug unter den Arm nehmen und ab in die Cafeteria!
Im Automaten gibt es die Leichte gut gekühlt, auch Weißbiergläser stehen bereit. Mit fällt auf, dass ich an diesem Nachmittag wohl die einzige "Alkoholikerin" bin. Fast jeder Mann, der vorbei kommt, sagt Prost, manche Frauen tuscheln oder schütteln den Kopf. Der Genuss einer leichten Weiße scheint hier bei manchen schon grenzwertig zu sein, wobei man allerdings bedenken muss, dass man dem Weißbier ja nicht ansieht, dass es alkoholreduziert ist.
Da ich mir diesen Spaß auch weiterhin gönnen will, werde ich vielleicht bald den Ruf der "strickenden Säuferin" haben. Aber es kommt anders, denn vielen fällt auf, dass ich recht fix stricke, bestaunen die Fortschritte oder setzen sich mit eigenem Strickzeug dazu. Sogar einige Angestellte holen sich Rat und Tipps.
Da nun das morgendliche Walking ausfällt, beschließe ich als Ersatz stattdessen kurz vor 07:00 Uhr lieber den Ergometerraum aufzusuchen.
Auch hier gibt es eine Blitzeinweisung (von der Walking-Expertin): "Sitz einstellen, Start drücken, auf den Puls achten (120 - 130) und ggf. die Leistungsstufe anpassen. Leute, die Blutdrucksenker nehmen, nur bis 120, da Blutdrucksenker die Herzfrequenz bremsen." Aha! Dann muss jeder ein Standfahrrad erklimmen und lostrampeln. Die Einweiserin meint schließlich noch "Das machen Sie dann so ca. eine Stunde lang", zeigt beim Hinausgehen auf den Crosstrainer und meint: "Bedienungsanleitung liegt am Gerät".
O je, da sind blutige Anfänger dabei, die noch nie auf einem Ergometer waren. Wie motivierend ist das denn, wenn man gleich mit der Zielvorstellung von einer Stunde Trampeln konfrontiert wird!? Auch hätte man doch wenigstens noch fünf Sekunden der "Cool-Down-Taste" spendieren können ..!
Nun, am frühen Morgen bin ich allein im Ergometerraum, kann mich in aller Ruhe mit den Programmen des Gerätes auseinandersetzen und finde etwas Maßgeschneidertes. Noch schnell die Kopfhörer in die Ohren, eine der Lieblings-CDs auswählen und los geht's. Nach und nach kommen vereinzelt Patienten dazu. Bis dann eine Dame beschließt, den Fernseher anzuschalten. Ich kenne das aus Fitnessstudios, doch da gibt es den Ton nur über Kopfhörer, den man in den Ergometer stöpselt. Hier wird der Raum beschallt und meine Musik über Kopfhörer geht unter. Also drehe ich mein Handy auf, lieber lasse ich mir vom "Boss" mit "I´m on Fire" das Trommelfell zerrupfen, als dass ich mir morgendliches Privatfernsehen reinziehe. Ich beschließe ab sofort bereits um 06:30 Uhr zum Trampeln zu gehen ...
Das Leben in der Klinik funktioniert im 15 Minuten-Takt. Das merkt man auch bei den Öffnungszeiten der Büros: Allen voran die Therapieplanung, Anlaufstelle für alle, die Änderungen an ihrem Plan wünschen oder Fragen haben. Dreimal am Tag werden für 15 Minuten die Jalousien aufgezogen und man kann seine Anliegen klären. Da muss man den Besuch schon gut einplanen, denn die Mitarbeiter halten die Zeiten selbstverständlich akribisch ein.
Die Klinik verfügt über zwei Bewegungsbäder, die man auch ohne Therapiestunde nutzen darf. Aber auch hier gibt es strikte Regeln: Mindestens drei Patienten müssen sich im Becken aufhalten, damit die Arbeitsteilung gewahrt bleibt: Einer säuft ab, einer versucht zu retten, einer holt Hilfe ... Aber Spaß bei Seite, man möchte es kaum glauben, dass bei fast 300 Patienten das Bad jemals so leer ist. Aber es kommt tatsächlich vor und so plansche auch ich hin und wieder illegal bei Unterbesetzung durchs Becken.
Neben Aquagymnastik und Aquajogging wird auch Rückenschwimmen angeboten. Und man mag es kaum glauben, dass sich eine Mitschwimmerin bei mir heftig über meinen Beinschlag beschwert, denn sie wäre nassgespritzt worden. Da ich zu wenig Verständnis zeige, paddelt sie zur Therapeutin, um sich offiziell über meine rücksichtslose Schwimmtechnik zu beschweren. Da scheint sie aber an die Richtige zu geraten: Ihr wird erklärt, dass ich korrekt schwimme, dass sie es unterlassen soll, mich zu maßregeln und dass sie sich entweder eine Schwimmbrille besorgen oder einen anderen, trockenen Sport suchen soll.
Wer hier masochistisch veranlagt ist, stellt sich mal kurz auf die Waage, die vor dem Bewegungsbad Zwei in einer großen weißen Platte eingelassen ist: 210 kg wird angezeigt - das schockt, vielleicht ist das Ganze aber auch nur eine Kunstinstallation ..?
Für Weiterbildung wird gesorgt: Allerlei Vorträge zu Rehabilitation, Rheuma, Ernährung, Rückenschule theoretisch und praktisch und auch Workshops zur Ergonomie von PC-Arbeitsplätzen werden angeboten. Mindestens zwei Vorträge muss man sich aussuchen und besuchen. Die Ergonomie am PC-Arbeitsplatz kann ich mir nicht entgehen lassen und es lohnt sich: Die Ergotherapeutin zeigt mit viel Wissen und Humor, wie die Realität oft aussieht und wie man es verbessern kann, ohne gleich für viel Geld das gesamte Büro neu auszustatten.
Das Angebot an Krankengymnastik ist umfangreich. Jeden Tag gibt es intensive Einzeltherapien und Gruppentherapien. Für die Patienten, die von außerhalb Bayerns kommen, scheint das mitunter zusätzlich recht unterhaltsam zu sein, denn viele der Therapeuten kommen aus der Region und sprechen Dialekt. Das gibt es schon mal so Ansagen wie: "Lupfn's eana Füaß!" oder "Lafens ned strumpfsocket rum!" oder "Geben's mer eana rechten Haxn!" oder "Was schaun's heit so sparsam ..?"
Vor den Therapieräumen gibt es einen Wartebereich und es fällt auf, dass aus einem Raum regelmäßig lautes Gelächter und das Fallen von Würfeln zu hören ist. Ein illegales Spielcasino in der Klinik? Nein, man erklärt mir, das ist die Ergotherapie, da werden Körbe geflochten und es wird mit Würfeln gespielt, das wäre immer so lustig ... Vielleicht werden aber dazu noch leckere Haschkekse aus der nahegelegenen Lehrküche gereicht (natürlich kalorienreduziert), denn Alkohol und Rauchen sind ja strikt verboten ...
Bei schönem Wetter kann man hier übrigens wunderbare Spaziergänge machen oder auf der Dachterrasse liegen und sich am Alpenblick erfreuen. So fliegen die Wochen schnell dahin, der Hals wird immer stärker und stärker, etwas Kondition wird auf- und etwas Gewicht abgebaut - Therapieziel erreicht!
Insgesamt war die medizinische und therapeutische Betreuung hervorragend, und zum Rest ist zu sagen: Da kann man sicher noch das eine oder andere verbessern, auch wenn man den Aufruf liest:
Seien Sie nett zu unseren Mitarbeitern, denn gute Mitarbeiter sind schwer zu finden, Patienten nicht ...
© 2019 Sixta Zerlauth
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Sixta Zerlauth finden sich in unserer Autorenübersicht!