Die Donau, der europäische Strom
Vater Rhein ist noch von erheblich größerer Bedeutung, die Wolga ist länger, aber kein anderer europäischer Fluss hat mehr Anrainer-Staaten als die Donau: Deutschland, Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine.
Die Donau ist der wasserreichste Fluss Europas. Ein reißender Gebirgsfluss, der sich durch Engpässe drückt, in Karstlöchern verschwindet, durch senkrecht aufsteigende Felsen des fränkischen Jura frisst, das böhmische Granitplateau durchbricht, die Karpaten und ungarische Tiefebene quert, gegen das Eiserne Tor anrennt, um in der behäbigen Gemächlichkeit des Flachstromes in einem Riesendelta auszuebben und im Schwarzen Meer zu verschwinden. Und sie wird ihren Namen ändern in Dunaj, Duna, Dunav, Dunarea, Danube, Danuvius, Danubio und Dunarez.
Sie war der Weg der Nibelungen und Kreuzfahrer, die Römer benutzten sie als wichtigen Handelsweg und Teil ihres nassen Limes, die Türken zogen auf ihr bis nach Wien, sie ist Durchzugsstraße, Grenzscheide und Bindeglied zwischen Ost und West und wir werden versuchen, bis zur ihrer Mündung ins Schwarze Meer zu gelangen. Für die freie Durchreise garantieren alle Anrainer-Staaten: Sie haben sich im Internationalen Donau-Vertrag dazu verpflichtet. Hoffentlich wissen das auch alle Grenzer!
Der Übergang vom Main-Donau-Kanal in die Donau bei Kelheim war erst mal ein bisschen enttäuschend: Kein reißender, breiter Strom - ein schmaler kleiner Fluss, nicht breiter als der Main. Die sanften Hügel des Bayrischen Waldes begleiteten uns.
Die Fahrrinne war gut betonnt: Manchmal nahm sie den ganzen Fluss ein, dann wieder war sie sehr schmal. Stromleitwerke gingen fast bis zur Fahrwassermitte. Großflächige Fischruhezonen waren durch gelbe Tonnen abgegrenzt. Hoffentlich wussten die Fische auch, dass sie hier ausruhen sollen ...
Rechts mündete die Isar. Sie kommt aus dem schneegepuderten Karwendel in Tirol. Sie brachte Geröll, aber auch etwas mehr Wasser mit. Immerhin schenkte uns das zwei Kilometer mehr Fahrt.
Der Inn brachte noch einmal jede Menge hellgrünes Schmelzwasser und zusätzliche zwei Kilometer an Geschwindigkeit. Strudel irritierten den Geradeauslauf von Beluga - wo die nur herkamen? Vielleicht weil die Donau hier 10 m tief war? Manfred war schwer mit seinem Ruder beschäftigt. Die Landschaft wurde von km zu km schöner ...
Äonen vor unserer Zeitrechnung hatte die Donau ein Gebirge durchbrochen und das Passauer Tal ausgespült. Sehr imposant: Der Fluss wand sich durch die Schlögener Schlingen, an hohen Laubwaldhängen entlang, wie eine gekrümmte Schlange. Plötzlich aufkommender Starkwind schlug Manfred das Verdeck um die Ohren und fast wäre sein vorletztes Käppi auch noch verloren gegangen. Die Österreicher Gebirgsmarine knallte uns zusätzlich Wellen vor den Bug.
Hinter der Schleuse Aschach waren die Berge schlagartig weg: Die Donau gewann mächtig an Figur, wurde aber wieder viel langsamer. Sehr zum Verdruss meines Kapitäns und seiner frisch gefüllten Sprittanks.
Manfred hatte die Nase tief in seinen Karten vergraben: Über den Strudengau hörte man nichts Gutes. Strudel und Wirbel sollen den Lauf der Donau bestimmen. Waldhänge sollen bis in den Fluss hineinragen, Sandbänke und Felsen den Schiffern das Leben schwer machen. Die Schlucht ist schmal und zusätzlich noch von einer Insel geteilt. Zwei Fahrrinnen sind vorhanden, der Hößgang für die Talfahrer, der Strudenkanal für die Bergfahrer. Die Boote sollen durch die Stromschnellen nur so hüpfen und tonnenweise Wasser übernehmen ...
Alles nur Märchen: Nicht einen Tropfen Spitzwasser haben wir abbekommen. Der Rhein fließt in Bingerloch, Wirbelei und Loreley um ein Vielfaches schneller: Durch den Strudengau im Schneckengalopp, das hat mein Abenteuer-Such-Gen nicht befriedigt ..!
Burgen, Schlösser, Klöster, die Wachau. Geschichte und romantische Idylle, wir konnten uns gar nicht sattsehen an so viel Schönheit und nach jedem Landgang fielen wir abends müdegelatscht in die Koje.
So richtig an der Donau liegt das alte Wien eigentlich nicht. Der neu gebaute Jachthafen ist komfortabel, die Einfahrt schmal und für große Boote nur geübten Schiffsführern zu empfehlen. Bei Hochwasser gibt´s nur eins: Finger weg und weiterfahren oder draußen im Strom an den Steiger gehen. Am einfachsten ist es kurz vor Wien im Jachthafen Kuchelau zu bleiben und per Taxi oder Bus in die Stadt zu fahren, was man im Wiener Hafen auch muss, da sehr weit außerhalb. Von den 36 Euro für die Nacht wollen wir gar nicht erst anfangen ...
Der erste "richtige" Grenzübergang ...
Wir verlassen jetzt Österreich und die Europäische Union - so hätte es noch knapp 4 Wochen vor unserer Reise gestimmt. Doch die Slowakei ist seit dem 01.05.2004 in der EU und wir waren gespannt, wie sie das handhaben würden.
Die Donau fließt hinter Wien völlig ungezähmt durch Europas größten Auenwald und erreicht eine Fließgeschwindigkeit von ca. 10 km. Wir sollen anlegen, riefen die österreichischen Zöllner über Funk, nicht wegen des Zolls, nur Grenzkontrollen. Wir drehten die Nase gegen den Strom und nahmen Kurs auf den kleinen Zollponton: Doch als die Zöllner sahen, dass wir größer als ihr kleines Hüttchen waren, winkten sie ab: "Goat´s weiter, goat´s weiter!"
Der Schwell am slowakischen Zollponton war noch krimineller, doch es war Mittagszeit, der Container war nicht besetzt. Wir legten ab, steuerten nach Bratislava, legten dort am Zollsteiger an. Hier schoss das Wasser vorbei, als wollte es die Formel Eins gewinnen.
Zwei Offizielle waren sofort zur Stelle. Wir sollten zurückfahren, hier klariert nur die Berufsschifffahrt ein. Manfred verhandelte: Der junge Polizist ließ sich nach einigen Debatten unwillig herab, unsere Pässe zu stempeln. Bootspapiere interessierten ihn nicht. Der Andere verlangte jedoch tatsächlich 25 Euro, weil wir an einem Großschifffahrtssteiger angelegt hätten und die müssten hier auch zahlen. Manfred lachte ihn aus und wir zogen unbehelligt weiter zu Milan´s Treff ...
Milan ist der Geheimtipp in Bratislava: Wer hier vorbei kommt, muss im Seitenarm anlegen, so hieß es überall. Ich stellte mir eine idyllische Auenlandschaft mit einem kleinen Restaurant darin und einigen Sportbooten vor. Der Seitenarm entpuppte sich als kurzes, vielleicht 500 m langes Becken, vollgestopft mit kleinen Booten, Milan´s und Dodo´s Restaurant-Pontons, mehreren kleinen, teils sehr netten, teils schrecklich gammligen Wochenendhäusern. Im Wasser schwamm jede Menge Unrat und Holz, als wir einfuhren. Milan und seine Familie waren sehr nett, aber die Nettigkeit war nicht kostenlos: Natürlich besorgte er Diesel, gegen einen Aufschlag von 10 Cent pro Liter. Damit war der Sprit dann teurer als in Österreich. Allerdings kochte seine Frau Lydia sehr gut und Speis und Trank ist für deutsche Verhältnisse dann doch preiswert. Und ein Begrüßungsschnaps und ein Abschiedssekt waren auch noch drin ...
Wenige Kilometer hinter Bratislava erweiterte sich der Fluss zu einem enormen Stausee. Die Landschaft sah ein bisschen aus wie Hochwasser. Bäume standen bis zum Bauch im Wasser, manche nur noch Gerippe. 20 km lang ist der See und breit? Unüberschaubar! Wie der Faden ins Nadelöhr mündet er in den Kanal von Gabcikova. Stausee und Kanal waren ein gemeinsames Projekt von Slowaken und Ungarn. Irgendwann bekamen die Ungarn unter dem Druck der Umweltschützer kalte Füße, stiegen aus dem Projekt aus und wollten ihr Donau-Wasser nicht mehr hergeben. Die Slowaken brauchten aber das geplante Kraftwerk für die Energieversorgung ihrer Wirtschaft. Es kam zum Streit vor dem Europäischen Gerichtshof in Den Haag und der ging aus wie das Hornberger Schießen: Keiner bekam Recht ...
Die Slowaken bauten Stausee, Kanal, Kraftwerk und Schleuse nun in Eigenregie und die Ungarn begnügen sich mit ihrer alten Donau, die sumpfig neben dem Kanal her mäandert und nur noch ca. 30 % ihrer ursprünglichen Wassermenge führt. Wir hatten das Glück, See und Kanal ohne Wind zu befahren. Der Gedanke, was hier ein Starkwind verursachen könnte, der immerhin ca. 50 km Anlauf durch die schnurgerade Wasserschneise nehmen kann, war nicht sonderlich angenehm: Vor 3 m hohen Wellen warnt selbst der Donaupapst Verberght.
Dem 500 m breiten Kanal, in dem man beim Hindurchschippern lediglich ein paar Kirchturmspitzen über den Damm blitzen sieht, und der angeblich größten Schleuse Europas ohne Blessuren entronnen zu sein, war ein gutes Gefühl ...
© 2006 Doris Sutter