Pflichtenheft für unser Fahrzeug
- Das Basisfahrzeug sollte möglichst einfach aufgebaut und ohne Elektronik-Schnickschnack ausgestattet sein, so dass es auch in entferntesten Ländern mit einfachen Mitteln repariert werden kann
- Es sollte vorzugsweise von einem Hersteller kommen, dessen Ersatzteilversorgung möglichst weltweit ausgebaut ist
- Das Fahrzeug sollte uns für mindestens 14 Tage autark von jeglicher Versorgung machen. Nach unserer Einschätzung und dem Vergleich mit den technischen Daten anderer Fernreise-Mobile sollten hierfür 300 Liter Trinkwasser, mindestens 300 Ah Batteriekapazität für den Aufbau sowie eine Tankkapazität für eine Reichweite von rund 1.000 Kilometern ausreichen
- Allradantrieb: Damit wir an all die einsamen Strände zum Wind- und Kitesurfen kommen und auch sicher wieder zurück
- Es sollte mindestens ein Moped, besser noch eine Enduro mitgenommen werden können, damit man nicht immer mit dem Wohnmobil zum Einkaufen in die Stadt fahren muss. Mit einer Enduro hätte man noch den Spaßfaktor und die Möglichkeit, kleinere Touren per Zweirad anstatt per WoMo zu unternehmen
- Es sollte von seiner Dimensionierung nicht durch unsere Auf- und Ausbauten das technische Gewichtslimit ausreizen
- Es muss uns ein gemütliches "Zuhause" bieten, in dem wir uns auch auf längeren Reisen und bei ausgedehnten Schlechtwetterperioden wohl fühlen
- Festbett, damit nicht jeden Abend das Bett durch Umklappen von Sitzbank o.ä. neu gebaut und bezogen werden muss. Im Notfall muss auch mal einer während der Fahrt im Bett liegen können. Auch ein Alkoven-Bett war uns nicht so recht geheuer. Mit einer Kopffreiheit von 60 bis 70 cm ist das Raumgefühl doch eher beengt und für eine Langzeitreise nach unserem Geschmack eher ungeeignet
- Warmwasser-Dusche und WC
- Kochgelegenheit, Kühlschrank
- Viel Stauraum für Kleidung, Proviant und Ausrüstung
- Es muss ausreichend Stauraum für Werkzeug und Reiseequipment wie Klapptisch, Klappstühle, Grill usw. vorhanden sein
- Das Windsurf- und Kitesurf-Equipment muss logischerweise auch noch mit
- Zwischen Fahrerhaus und Wohnaufbau sollte ein Durchstieg bestehen, so dass man bei schlechtem Wetter nicht durchs Freie muss oder in einer kritischen Situation auch schnell die Flucht ergreifen kann
- Bezahlbar sollte das Ganze sein
- Investitionssicherheit: Fahrzeug und Ausbau sollten so beschaffen sein, dass man das Ganze im Falle eines Falles auch ohne erheblichen Wertverlust wieder verkaufen kann.
Fazit: Was wir suchen, ist ein geländegängiges Zweizimmerküchebad-Appartment mit Keller und Dachboden auf 8 bis 10 Quadratmetern oder anders ausgedrückt: "Die eierlegende Wollmilchsau auf vier angetriebenen Rädern".
Dass ein solches Pflichtenheft für jeden anders aussieht, versteht sich von selbst. Deshalb ist es besonders wichtig, dass man sich klar macht, wofür und wie man ein solches Fahrzeug nutzen möchte.
Nachdem klar war, was wir suchen, konnte selbige beginnen, was in unserem Fall mit Hochdruck geschah. Ich hatte ja wie gesagt meinen Job gekündigt und am Liebsten wäre es uns gewesen, gleich los zu fahren ...
Gründe, die uns zum Kauf des MB 914 bewegten
MB 914 AK (Allrad Kipper) - Vorteile: Fahrzeug fährt sich fast wie ein PKW. Die Lenkung ist leichtgängig, die Schaltung präzise mit kurzen Wegen, die Druckluftbremsen ziehen beachtlich und im Fahrerhaus herrscht beinahe eine PKW-ähnliche Geräuschkulisse, in der man sich noch bequem unterhalten kann. Vmax 100 km/h trotz bescheidener 140 PS. Untersetzungsgetriebe, Hinterachssperre und Mittelsperre. 310 cm Radstand, von Fabian Heidtmann bereits mit 365/80-20 einzelbereift, robuster Zwischenrahmen mit Zentralrohr vorhanden, der nur noch auf die Koffermaße angepasst werden muss. Mit einem auf 7,5 Tonnen abgelasteten 9-Tonnen-Fahrgestell ist dieses selbst bei reichlicher Ausnutzung der 7,5 t immer weit unterhalb des technischen Limits ...
Nachteile: Mit 140 PS nicht gerade übermotorisiert, mit 20.000 Euro ein stolzer Preis für ein 20 Jahre altes Ex-Bundeswehr-Fahrzeug (Niederländische Armee). Die niedrige Kilometerleistung von nur 36.000 km und der vorhandene Zwischenrahmen relativierten den Preis, da für einen Zwischenrahmen zwischen 4.000 bis 7.000 Euro veranschlagt werden müssen.
Alles in Allem sind das schließlich genügend Gründe, uns für diesen LKW zu entscheiden. Außerdem sind es sowohl Edith´s Bauch als auch meiner, beide knurren ganz spontan freundlich und fühlen sich zu unserem späteren "Sternchen" hingezogen. So nennen wir es liebevoll, weil es von der Apotheke mit dem Stern kommt, zur leichten Klasse zählt und damit doch ein kleiner LKW ist ...
Bei unserer Gelände-Jungfernfahrt entsteht dann "zufällig" das nachfolgende Bild, auf dem sich die Sonne im Mercedes-Stern bricht. Wenn das kein gutes "Zeichen" ist ...
Aufbau-Auswahl
Zum Zeitpunkt der Fahrzeug-Entscheidung war die für den Aufbau bereits getroffen: Nachdem wir uns bei den gängigen Kabinen- und Aufbau-Herstellern wie Ormocar, Füss, Langer & Bock, Alustar und einigen anderen mehr informiert haben, ist klar, dass eine neue Gfk- oder Alu-Kabine unseren Budgetrahmen dann endgültig sprengen würde. Die Preise liegen zwischen 8.000 und 16.000 Euro ...
Auch den Selbstbau einer Gfk-Kabine ziehen wir in Betracht und holen uns verschiedene Angebote ein. Allein das Material würde auf ca. 6.000 Euro kommen, ohne Türen, Stauraumklappen und Fenster. Von einem Forumsmitglied weiß ich, dass der Selbstbau einer Gfk-Kabine mit rund 200 Stunden zu Buche schlägt.
Bundeswehr-Shelter I und II
Generell gibt es Bundeswehr-Shelter von zwei Herstellern, Zeppelin und Dornier, in zwei verschiedenen Größen, wobei nur die große Variante Stehhöhe bietet. Dieser sogenannte Shelter II hat folgende Maße: Außenmaße: L 425 cm x B 220 cm x H 223,5 cm. Innenmaße: L 411 cm x B 206 cm x H 191 cm.
Der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Shelter von Zeppelin und dem von Dornier liegt in der Aufbaukonstruktion des Shelters.
Der Zeppelin-Shelter hat eine innere und eine äußere Aluwand von ca. 2 mm Wandstärke, die mit einer 6 cm starken PU-Schaum Isolierung verbunden sind.
Der Dornier-Shelter hat drei Aluwände: Zwischen der äußeren und der mittleren befinden sich 3 cm Isolierung. Zwischen der mittleren und der inneren Isolierung befindet sich ein Hohlraum, durch den die Bundeswehr mittels Heizung warme Luft bläst. Der größte Unterschied liegt aber im Gitterrahmen des Dornier-Shelters, der alle 40 mal 60 cm einen vernieteten Alusteg aufweist. Von außen ist dies sehr leicht an der Vielzahl der Nieten in der Außenhaut erkennbar, die der Zeppelin-Shelter nicht aufweist.
Das bedeutet, dass man bei sämtlichen Einbauten in der Außenhaut (Tür, Fenster, Dachluken, Stauraumklappen) immer wieder auf die Alustege stößt, die mit der Stichsäge oder Flex zu durchtrennen sind. Außerdem bilden diese Alustege Kältebrücken, die zusätzlich isoliert werden müssen, will man Schwitzwasser im Fahrzeug vermeiden ...
Unserer Meinung nach ist der Zeppelin-Shelter unter Preis-Leistungs-Gesichtspunkten die beste und für uns am ehesten geeignete Koffer-Lösung.
Die Gründe für die Entscheidung seien hier noch einmal aufgelistet:
- Zeppelin-Shelter sind zwischen 1.100 Euro (mit viel Glück direkt bei der VEBEG) und 2.800 Euro zu bekommen und kosten damit nur einen Bruchteil eines neuen Gfk- oder Alu-Koffers.
- Sie sind damit zwar zwischen 500 bis 1.000 Euro teurer als Dornier-Shelter, aber die bessere Isolierung und der gitterrahmenfreie Aufbau rechtfertigen diesen Mehrpreis allemal.
- Die Stabilität des Alu-Koffers kann gegenüber Gfk-Koffern als deutlich höher eingestuft werden. Dies ist zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung zwar nur eine Mutmaßung, die aber dadurch gerechtfertigt wird, dass die Shelter bei der Bundeswehr unter härtesten Bedingungen zum Einsatz kommen.
- Mittlerweile - nach unserer Testtour durch Marokko - ist aus der Vermutung Gewissheit geworden: Ein Balkon, den ich beim nächtlichen Rückwärtsfahren in Tarifa, Andalusien, nicht auf der Höhe von 3,50 m vermutet habe, musste leider eine Ecke lassen. Am Shelter sind nur Kratzer. Ein Gfk-Koffer hätte hier sicher den Kürzeren gezogen ...
- Das Gewicht eines Zeppelin II Shelters liegt mit 960 kg im akzeptablen Bereich.
- Das Dach ist durchgehend begehbar.
- Mit der Hecktür ist bereits eine äußerst stabile und massive Tür vorhanden.
- Der Shelter wird mit den vier Container-Locks auf dem Zwischenrahmen befestigt und kann jederzeit problemlos vom Fahrzeug abgehoben werden.
- Die Kastenform macht den Ausbau relativ einfach.
Der Fairness halber sollten aber auch die Nachteile eines solchen Shelters mit aufgeführt werden:
- Die Maße sind nicht beliebig wählbar wie bei einem Gfk-Koffer. Gerade die Breite ist mit 206 cm (innen gemessen) doch deutlich geringer, als bei üblichen Gfk-Koffern.
- Die Stehhöhe von 192 cm ist für große Menschen ebenfalls zu gering.
- Die Vorder- und Rückwand sowie die umlaufenden Kanten bilden Kältebrücken, die gesondert isoliert werden müssen, will man bei kalten Außentemperaturen Schwitzwasser vermeiden.
- Einbauten für Türen und Fenster sind auch beim Zeppelin-Shelter nicht völlig frei wählbar, weil jeweils 110 cm von vorne und hinten gemessen (außen) ein 8 cm breiter Spriegel verläuft, der nicht durchtrennt werden darf. Zusätzlich ein weiterer Spriegel rechts der Aufstiegshilfe (Leiter) zum Dach, was ich zu meinem Leidwesen zu spät bemerkte (dazu später mehr in einer meiner "shit happens" Stories ...).
Zwischenrahmen
Ein auf die Maße des Shelters verlängerter Zwischenrahmen ist notwendig, um die Verwindungen des Fahrgestells nicht in den Koffer einzuleiten.
Üblicherweise ist der Zwischenrahmen fix mit dem Fahrgestell verbunden, während der Koffer mit einer Drei- oder Vierpunktlagerung auf dem Zwischenrahmen fixiert wird. Je verwindungsfähiger ein Fahrgestell ist, desto geeigneter ist es für den Geländeeinsatz, weil durch die Verwindung gewährleistet wird, dass alle Räder am Boden bleiben und möglichst viel Traktion liefern.
Wie verwindungsfähig der Leiterrahmen ist, zeigt das Bild unten rechts, denn obwohl ein Rad ca. 70 cm hochgehoben ist, bleiben alle drei anderen am Boden.
Am 30. Januar 2008 holen wir unser "Sternchen" schließlich bei Fabian Heidtmann in Landsberg ab. Damit geht es schnurstracks von Fabian´s Hof direkt auf die benachbarte Baustelle, wo wir unsere ersten Offroad-Erfahrungen sammeln ...
© 2011 Ulrich Dolde