Hi-Lift + Farm Jack = Farm Lift oder Hi-Jack?    

Neue Werkstatt-Erkenntnisse ...

Neues aus der Landy-Werkstatt ...

Für die einen die Wunder- und Allzweckwaffe unter den Wagenhebern. Für die anderen der gefährlichste Wagenheber der Welt ...

Unter Geländewagenfahrern ist es eine leidenschaftlich diskutierte Frage, welchen Wagenheber man braucht, um das Fahrzeug auch mal bergen zu können. Das ist fast so leidenschaftlich diskutiert wie die Frage nach dem besten Öl für den Motor. Beim Aufkommen solcher Fragen holt man am Besten schon mal Popcorn und Bier, denn es wird sicher unterhaltsam ...

Vor vielen Jahren kaufte ich einen günstigen chinesischen Farm Jack Wagenheber mit 1,2 Meter Länge für den Land Rover: Die universellen Einsatzmöglichkeiten abseits vom Bergen des Autos überzeugten mich damals schon. Das teure amerikanische Original, den Hi-Lift, konnte und wollte ich mir nicht leisten, also nahm ich den Günstigeren, auch wenn er als Plagiat verrufen war. Beide sahen ja auf Bildern gleich aus und ich dachte mir "was kann man da schon verkehrt machen?"

Das Original: Hi-Lift ...

... und das Plagiat: Farm Jack

Dieser Wagenheber mit dem Klettermechanismus an einer Lochstange ist ein echtes Universalwerkzeug: Da man mit der 1,2 m Variante bis zu einem guten Meter hoch heben kann, eignet er sich für viele Lebenslagen. Man kann ein versumpftes Auto mit einer guten Unterlage aus einem tiefen Loch heben und mit dem Felgenadapter sogar an der Felge anpacken, um ein eingesunkenes Rad direkt zu heben und ein Sandblech drunter zu schieben. Ein Auto kann man sogar mit etwas Geschick an Ort und Stelle um 180° drehen, indem man wechselweise vorne und hinten jeweils ungefähr in der Mitte anhebt, bis beide Räder leicht in der Luft sind und den ganzen Heber dann in die jeweils entgegengesetzte Richtung umwirft. Das Fahrzeug wird dann immer vorne und hinten ein wenig zur Seite versetzen, je nachdem, wie hoch man sich zu heben traut. Die entsprechende Stoßstange vorausgesetzt, wird sich das Auto dann auch an engen Stellen wenden lassen. Kratzer, zumindest an der Stoßstange, sind jedoch vorprogrammiert ...

Da die Wagenheber mit einer anschraubbaren Gegenklammer geliefert werden, kann man sie sogar als große Schraubzwinge oder zum Spreizen verwenden, denn der Klettermechanismus hat in beide Richtungen Kraft. Sogar Pfosten und kleinere Wurzelstöcke lassen sich gut aus dem Boden ziehen. Auch als Greifzug ließe er sich benutzen, wenn der kurze Weg nicht völlig praxisfremd wäre. Man könnte damit wohl gerade die Elastizität eines Seilsystems überwinden. Zugkraft ist dann noch keine ausgeübt. Eine lange und schwere Kette ohne Elastizität schleppt man ja nicht mit. Die Funktion als Greifzug ist also eher theoretischer Natur.

Die Bedienung dieses angeblich so gefährlichen Teils betrachte ich persönlich als gut durchschaubar und beherrschbar. Im Wesentlichen gilt es zur Sicherheit zu beachten, dass man den Betätigungshebel nie los lässt oder zu zaghaft hält. Denn dann kann der Hebel wild auf- und abschlagen, wenn der Antrieb auf "nach unten" eingestellt ist. Das Gewicht des Autos wirkt dann wie das Zuggewicht einer Kuckucksuhr, das intermittierend die Unruh der Uhr antreibt. Das Gewicht des Autos treibt dann den Klettermechanismus an, der sukzessive nach unten klettern wird, wobei der Hebel wild hin und her schwingt wie die Unruh der Uhr. Das kann im einfachsten Fall blaue Flecken geben, im schlechtesten Fall gebrochene Kiefer.

Es lohnt sich auf jeden Fall mal YouTube nach richtigen und falschen Bedienungen zu durchsuchen. Die Suchbegriffe "hi lift jack operating" führen zum Erfolg. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob das Ding für ihn beherrschbar ist oder nicht. Ich entschied mich ihn als gut beherrschbar zu betrachten, obwohl er sicher nicht ungefährlich ist. Es lässt sich gut beobachten wie die Bolzen im Normalbetrieb in die Löcher der Kletterstange rücken müssen, um eine richtige Funktion zu gewährleisten. Insofern kann man immer beobachten, ob alles in Ordnung ist. Man durchschaut es sofort und über viele Jahre verrichtete der Farm Jack bei mir klaglos seinen Dienst. Wann immer ich das Auto anheben musste, kam er zum Einsatz und nicht nur da.

Eines Tages wollte ich den bekannten Container anheben, womit sich der Farm Jack dann doch etwas überfordert zeigte. Der Klettermechanismus funktionierte gut, aber ich verbog den Handhebel, weil das Gewicht wohl doch zu hoch war. Wenn der Hebel knickt, dann klettert auch nix mehr ...

Zu viel Gewicht: Ich verbog den Handhebel ... Etwas angerostet: Der Hi-Lift Klettermechanismus ...

Nun bekam ich tatsächlich von einem Freund einen alten rostigen und recht vermoderten Hi-Lift geschenkt; Dieses Original lies sich auf jeden Fall wieder schön herrichten. Hurra, ich hatte ein Original, ohne es zu wollen!

Durch den direkten Vergleich fiel mir jedoch sofort ins Auge … eigentlich ist der Farm Jack ja in der Tat besser gebaut als der Hi-Lift! Ich konnte es kaum glauben, gilt der chinesische Farm Jack doch als billiges Plagiat.

Aber tatsächlich: Die Kletterstange des Farm Jack ist stärker dimensioniert, der Klettermechanismus scheint kräftiger gebaut und die Gelenkbolzen der Hebelei sind auch dicker dimensioniert. Hmmm, da überlegte ich mir doch lieber einen neuen Hebel für den Farm Jack ..!

Der war auch schnell gefunden in Form der kompletten Gelenkhebelei am Hi-Lift. Das einzige Merkmal, das am Hi-Lift wirklich besser als am Farm Jack gelöst war. Warum also nicht versuchen, aus zwei eins zu machen?

Alles passte tatsächlich gut und die Löcher in der Hi-Lift Hebelei für die dickeren Gelenkbolzen des chinesischen FarmJacks waren gleich aufgebohrt und die Gabel der Hülse etwas schmaler geschliffen. Die gute Passform lässt also durchaus ein Plagiat vermuten, aber andererseits wurde trotz vermutetem "Abkupfern" der größte Teil stabiler und besser gebaut und so ein Klettermechanismus mit zwei Bolzen in einer Lochstange ist ja nun auch nicht gerade eine mechanische Innovation oder Raketentechnik. Der alte Isaac Newton und Grundsätze der Mechanik sind ja auch schon lange in China bekannt. Die landen ja nicht umsonst auf der Rückseite des Mondes. Da muss man nicht nur Newton kennen ...

Ich kombinierte also den Klettermechanismus samt Stange des chinesischen Farm Jack mit der Gelenkhebelei und dem Hebel des amerikanischen Hi-Lift …. ich machte quasi einen "Farm Lift oder Hi-Jack" aus den besten Teilen von beiden Geräten. Auf dem nächsten Bild sind beide Mechanismen nebeneinander: Farm Jack hellrot, Hi-Lift weinrot. Man erkennt auch gut, dass der Hi-Lift eine Hülse hat, in die man den Betätigungshebel einstecken kann. Er lässt sich also nun selbst in beengten Situationen ohne die lange Stange, dafür aber mit kürzeren Hilfsmitteln und weniger Kraft betreiben. Ein Vorteil des Hi-Lift, der nun auf meinen Zwitter übertragen ist. Am chinesischen Farm Jack ist ja der lange Hebel fest montiert, was ihn in beengten Situationen unbenutzbar macht.

Zwei Konkurrenten verheiratet ... ... und hier ist die Kombi in Bewegung

Resumé:

Der billigere chinesische Farm Jack ist keineswegs die schlechtere Option zugunsten eines günstigeren Preises, ist er doch im Wesentlichen tatsächlich aufwändiger und stabiler gebaut. Ihn als billiges Plagiat zu betrachten, ist ungefähr so, als würde man chinesische Kugelschreiber als Plagiate betrachten. Kugelschreiber können doch alle.

Eigentlich ist er bis auf die Verbindung des Hebels besser gebaut und die ist am Auto in keiner Weise überfordert. Ich war tatsächlich überrascht, beide direkt nebeneinander zu sehen und zu erkennen, dass das mehr verrufene Model eigentlich das stabilere ist. Nase rümpfen ist hier nicht angebracht!

Zubehörteile des Hi-Lift wie der Felgenadapter oder der Adapter für den Land Rover können mit wenig Aufwand passend gemacht werden. Beachtet man ein paar Regeln, wird diese Form des Wagenhebers zu einem guten und sicheren Arbeitsgerät.

Was zu beachten ist:

  1. Sauber halten. Am Fahrzeug wird er in der Regel außen montiert und ist dem Straßendreck ausgesetzt.
  2. Schmieren nur mit recht dünnem Öl. Zähes Fett verhindert die zuverlässige Funktion der Bolzen und sammelt Dreck, der die Funktion zusätzlich behindert.
  3. Transporttasche benutzen. Sie verhindert Korrosion und Dreck, die aus den Punkten 1 und 2 resultieren.
  4. Bei jeder Bedienung immer darauf achten, dass der Hebel gut fest gehalten wird, gerade wenn er nass ist. Er kann sonst unter bestimmten Bedingungen frei schwingen, wenn man abrutscht und Unheil anrichten.
  5. Niemals den Hebel 90° abstehen lassen, wenn eine gewünschte Endlage erreicht ist. Der Heber stützt stabil, wenn der Hebel parallel zur Hubstange befestigt ist. Das vermeidet versehentliches dagegen stoßen.
  6. Für eine sichere Hebung braucht er eine stabile Unterlage oder festen Boden.
  7. Generell gilt bei allen Wagenhebern: Sich niemals ohne zusätzliche Sicherung unter ein gehobenes Fahrzeug legen!
Felgenadapter Land Rover Adapter ... ... und der gelungene Test am Auto

Inzwischen gibt es einige verschiedene Modelle wohl auch von verschiedenen Herstellern. Insofern gilt wohl nicht für alle Produkte chinesischen Ursprungs sicher, dass sie eigentlich stabiler gebaut sind. Ein genaueres Nachfragen und Prüfen lohnt sich jedoch in jedem Fall und man sollte nicht immer vermeintlichen Plagiaten gleich die Qualität absprechen ...


© 2024 Sigi Heider  


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