Lettland/Litauen, 29.08.04: Good bye Lettland, hello Litauen ...
Wir müssen Latgalen verlassen und es fällt uns schwer, zu gut hat uns die Landschaft hier gefallen. Wo kann man sonst noch abends unbehelligt von Mücken an derart wunderschönen Seen sitzen ..?
Wir setzen unsere Reise fort in Richtung Kraslava: Obwohl es Sonntag ist, hat der Markt geöffnet. Wir erstehen für umgerechnet 1,50 EUR einen frisch gefangenen Zander und für 0,50 Cents frische Tomaten und Kartoffeln. Da sich die paar Lats, die wir in Estland gekauft haben, nicht richtig reduzieren, suchen wir noch den geöffneten Supermarkt auf. Dort bekommt man lettischen Wodka und Riga Black, einen berühmten Kräuterlikör, dem schon die Zarin Katarina die Große verfallen sein soll. Beide Spirituosen sind als Mitbringsel sehr zu empfehlen!
Weiter geht es nach Daugavpils, dem einstigen Dünaburg und der zweitgrößten Stadt Lettlands mit einem Anteil von mehr als 50% an russischen Einwohnern. Die Geschichte der Stadt geht auf 1275 zurück. Auch wenn in Daugavpils noch viele historische Gebäude stehen und sogar eine alte Festung zu besichtigen ist, so überwiegt doch der Eindruck einer Industriestadt. Die Zeit des Sozialismus ist im Stadtbild nicht zu übersehen ...
Nicht weit von hier erreichen wir die lettisch-litauische Grenze bei Medumi. Diesmal werden wir vom lettischen Beamten ganz einfach durchgewunken, wer hätte das gedacht ..? Der litauische Beamte auf der anderen Seite grüßt militärisch: Er prüft die Dokumente, insbesondere den Eintrag LT in der grünen Versicherungskarte. Auch er würdigt das CB-Funkgerät keines Blickes. Er wünscht noch gute Fahrt und fertig sind die Grenzformalitäten.
Was gab es hierzu doch für Fehlinformationen! Allen voran die tours 04/04, die auch nach dem 01.05.2004 ein Visum für erforderlich hielt. In der Ausgabe 05/04 wurde dies von einer Leserin dann teilweise korrigiert, die erklärte, dass (Stand 2003) der Abschluss einer zusätzlichen Kfz-Versicherung erforderlich wäre. Darüber hinaus sei aber lediglich ein gültiger Reisepass nötig. Im Jahr 2004 erweist sich dies jedoch alles als Humbug: Die grüne Versicherungskarte mit Eintrag LT, der Kfz-Schein und der Personalausweis reichen vollkommen aus für eine unbürokratische Einreise.
An der Grenze stehen etliche Versicherungsbüdchen, viele davon sind unbesetzt. Eines der Büdchen bietet auch Geldwechsel an. Wir wollen uns mit Litas versorgen: Da immer noch Lats übrig sind, werden Lats und Euros umgetauscht. Die Lats-Scheine werden entgegen genommen, direkt in die Kasse gelegt und die Litas werden ausgezahlt. Bei den Euros wird Schein für Schein ausgiebig geprüft. Er wird abgetastet, gegen das Licht gehalten und in das Licht gekippt. Die Dame schaut sich alle Merkmale an und beleuchtet die Scheine am Schluss noch mit UV-Licht. Das Misstrauen gegen die Euro-Scheine ist wohl nötig, schließlich erfahren wir kurze Zeit später, dass in Litauen ein großer Euro-Geldfälscherring zerschlagen wurde ...
In Estland und Lettland war es sehr einfach gewesen, an gute Straßenkarten zu kommen. Supermärkte und Tankstellen bieten diese günstig an. Mit dieser Erfahrung fahren wir die erste große Tankstelle in Litauen an. Fehlanzeige! Zwar gibt es Karten für Estland, Finnland und Lettland, aber für das eigene Land scheint nichts vorgesehen zu sein. Auch an der nächsten Tankstelle bekommt man nichts. Immerhin, hier hat man einen Stadtplan von Vilnius. Ein echter Litauer kennt sich halt aus und braucht offenbar so was wie Karten nicht!
Also fahren wir mit unserer Karte und unseren GPS-Punkten weiter, was kein Problem darstellt. Das Ziel ist der Aukstaitija Nationalpark, der älteste Nationalpark Litauens, der 1974 gegründet wurde.18 Campingplätze soll es in der Region an den Ufern der zahlreichen Seen geben. Das Wetter heizt uns wieder mal ein: Die obligatorischen 40°C sind im Cockpit schnell erreicht ...
Schon bald findet sich ein traumhaft schön gelegener Platz, auf dem das Leben tobt: Soviel Campingtreiben haben wir in den vergangenen Wochen nirgends gesehen - sollten die Litauer tatsächlich so "campingverrückt" sein, wie man es von ihnen sagt? Der Campingplatz liegt teils im Wald an einem Seeufer und ist naturbelassen, so wie es hier üblich ist. Feuerstellen mit Grillspießen sowie Bänke und Tische, auch überdacht, laden zum Verweilen ein. Eine Spielwiese und zwei Trockentoiletten, die aber sehr sauber sind, vervollständigen die Platzausstattung. Eine der Toiletten ist als Behindertentoilette gekennzeichnet und sogar für Rollstuhlfahrer benutzbar, da es eine Rampe gibt und Haltegriffe am Sitz.
Wir fangen an, unseren Stellplatz einzurichten. Die Spechte klopfen wieder heftig an den Bäumen. Zwei blonde hübsche junge Frauen, unübersehbar Zwillinge, halten sich in der Nähe auf. Auf eine in Englisch gestellte Frage antworten sie in perfektem Deutsch. Die erstaunte Gegenfrage: "Sprechen hier alle so gut Deutsch?". Die Zwillinge lachen: Nein, aber sie hätten Germanistik studiert. Schnell kommen wir ins Gespräch. Sie warnen uns, zu leichtsinnig zu sein: Es wäre nicht wie in Skandinavien, wo man das Auto nicht abschließt. Hier könnte schon mal etwas geklaut werden. Wir raten ihnen umgekehrt, in Zukunft auch in Skandinavien besser das Auto abzuschließen, denn wie wir wissen und insbesondere auch einer unserer Autoren am eigenen Hab und Gut erfahren musste, ist selbst Skandinavien keine verbrechensfreie Zone ...
Nach und nach packen alle rings um uns ihre Sachen zusammen. Die Zwillinge erklären, dass die Ferien zu Ende sind und alle jetzt nach Hause fahren. Am Abend würde jemand vorbei kommen und das Übernachtungsgeld kassieren. Als wir ein Abschiedsfoto machen wollen, bestehen die beiden darauf, sich dafür zu stylen. Wie wir später feststellen, bestehen litauische Frauen immer wieder vor dem Fotografieren darauf, sich vorher hübsch zu machen.
Gegen Abend sind wir wieder ganz allein auf dem Campingplatz, das muntere Treiben hat sich verflüchtigt. Ein Erlanger Campingbus kommt vorbei und der Fahrer fragt, ob wir nicht einen noch schöneren Platz kennen würden, seiner Frau wäre hier zu wenig Seeblick. Dazu fällt uns wirklich nichts mehr ein und wir sind froh, als der Erlanger sich weiter auf die Suche nach dem perfekten Seeblick begibt.
Neben den Feuerstellen gibt es Brennholz: Es folgt wieder einmal ein kitschig romantischer Abend mit Lagerfeuer und Sonnenuntergang am See - und wieder einmal einer ganz ohne Mücken ...
© 2004-2005 Text/Bilder Sixta Zerlauth