Estland, 21. - 22.08.04: Insel der Ruhe ...
Ein heftiges Gewitter überrascht am frühen Morgen: Die Reiher flüchten, eine Druckwelle des Donners beult den Balg des Explorers, wir riechen den Blitz eines sehr nahen Einschlags. Es ist nicht wirklich gemütlich und man ahnt ganz plötzlich, warum überall auf dieser Reise unzählige auffällige Blitzableiterkonstruktionen auf den Gebäudedächern zu sehen sind! Doch bald verziehen sich die Gewitterwolken. Wir bezahlen 50 EEK (3,50 EUR) für die Übernachtung, verabschieden uns von unseren freundlichen Gastgebern und fahren weiter zum Meteoritenkrater Kaali.
Wieder führt uns unsere Reise durch wunderschöne Landschaften auf leeren Schotterstraßen. Doch am Meteoritenkrater wird der Tourismus erstmalig spürbar: Dort steht ein finnischer Reisebus und drei Büdchen mit Souvenirs - Holz- und Steinartikel, Spitzendeckchen - warten auf kaufwillige Besucher. Ein Gasthaus sorgt für das leibliche Wohl, eine Akkordeonspielerin unterhält die Passanten. Auch wenn alle von dem Kaali-Krater sprechen, so gibt es doch insgesamt neun davon, die im Luftbild unten rot eingezeichnet sind. Der größte von ihnen liegt von Bäumen umringt und hat einen Durchmesser von 110 m (N58.37202° E022.6728°). Die Krater sollen mindestens 4.000 Jahre alt sein, Mauerreste rings um den Kraterrand aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. lassen vermuten, dass dieser Platz als Heiligtum diente ...
Der Einkauf im Supermarkt zeigt schon deutliche Unterschiede zu Haapsalu: Es gibt kein Fleisch, das Gemüse- und Obstangebot ist eher spärlich. Jedoch gibt es wieder das gute dunkle, saftige estnische Roggenbrot, von dem wir gar nicht genug bekommen können.
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Das Ziel für den Abend liegt im Süden: Kailuka Holiday Village. Wir kommen zügig voran, jedoch finden wir in Kailuka keinen Hinweis auf den Campingplatz oder auf das Holiday Village. Die Gegend ist einsam, man kann niemanden fragen, ohne ihn aus dem Haus zu klingeln. Vorbei an einer für Saaremaa charakteristischen Windmühle wird die Fahrt nach Südosten fortgesetzt, Richtung Suure Rootsi: Ein typisches estnisches Dorf mit den Briefkästen der Dorfbewohner an der Bushaltestelle ...
Dort fragen wir einige Jugendlichen nach Camping und sie schicken uns zur nahe gelegenen Aadu Farm: Und dieser Campingplatz erweist sich als Volltreffer! In herrlicher Landschaft gelegen und vom Besitzer unendlich liebevoll gestaltet bietet sich uns ein kleines Paradies, an dem wir zwei Tage bleiben wollen (N58.22279° E022.73169°) ...
Der freundliche Besitzer Jaan Rooso führt uns stolz herum: Neben dem Campingplatz betreibt er ebenfalls ein Gästehaus und hat auch noch zwei Fußballfelder. Auf Deutsch und Englisch erklärt er uns die Farm, weist auf die traditionell mit Stroh eingedeckten Gebäude hin und gibt uns eine Karte mit Beschreibung für einen "Naturetrail", den wir am nächsten Tag auch ablaufen.
Doch zunächst packen wir unsere Drachen aus, der Wind ist optimal, wir sind wieder ganz allein auf dem Campingplatz und daran kann man sich wirklich gewöhnen! Eine typisch estnische Schaukel steht neben unserem Stellplatz bereit und wer könnte da widerstehen, sie auch auszuprobieren ..?
Am Abend gegen 21:00 Uhr kommen noch zwei junge estnische Pärchen, die die Sauna gemietet haben und einen fröhlichen Saunaabend verbringen wollen. Bereits früh am nächsten Morgen fahren sie schon wieder weg ...
In der Nacht toben wieder Gewitter über dem Explorer: Der Regen knallt so laut auf das Dach der Kabine, dass man immer wieder erwacht. Am Morgen ist der Spuk schon vorbei - der Luftdruck steigt stark innerhalb kürzester Zeit und die Sonne erwartet uns wie üblich zu einem ausgedehnten Rundgang durch die Natur. Es folgt eine beeindruckende Wanderung durch Wald und Heidelandschaft mit giftigen Einbeeren, würzigem Wachholder, herben Kroatzbeeren, Rosenbüschen mit Hagebutten und den vielen Ebereschen, deren orangefarbenen Beeren weit leuchten. Überall spannen Kreuzspinnen ihre Netze.
Der Naturetrail führt zur Nina Beach, einer Bucht, in der große Findlinge liegen. Leider macht der Geruch der verrottenden Algen den Aufenthalt an diesem hübschen Fleckchen für empfindliche Nasen nicht unbedingt angenehm, was jedoch individuell unterschiedlich empfunden wird. Wir kehren zurück und entscheiden: Hier ist das richtige Plätzchen für unsere Euro-Extratour. Lange dürfen die Drachen noch an unserem letzten Abend auf Saaremaa im sonnenüberfluteten Himmel fliegen ...
© 2004 Text/Bilder Sixta Zerlauth