Kapitel 8: Griechenland und Heimreise
Mäßig zielstrebig bedeutet, dass wir Nebenstraßen fahren und kleine Umwege gerne in Kauf nehmen. Ein Problem gibt es aber schon, welches mir die nächsten Tage immer wieder zu schaffen macht: Unsere CB-Funkverbindung ist sehr schlecht, wohl wegen meiner schwachen Antenne, und wir können uns während der Fahrt nicht absprechen, die anderen hören uns einfach nicht.
Deshalb fährt Hans immer voraus, erstens, weil er Griechenland sehr gut kennt und zweitens, weil er Martin neben sich sitzen hat, der (im Gegensatz zu meiner Beifahrerin ) mit den elektronischen Navigationshilfen gut umgehen kann. Und ich muss blind hinterher hecheln, nie richtig wissend, wo wir gerade sind und wie weit es noch bis zu welchem Ziel ist. Eine gute Funkverbindung wird eines der nächsten Ausrüstungsziele!
Mäßig zielstrebig also und nach einer Übernachtung neben einer aufgelassenen Taverne mitten im Wald fahren wir weiter und werden plötzlich von zwei städtisch gekleideten Männern gestoppt, die eine Tankpanne haben.
Sie wollen nach Igoumenitsa und haben keinen Tropfen Diesel mehr. Na, wenigstens Diesel und kein Benzin, wie es uns mit inzwischen gut bekannten Mädels in Island erging. Hier können wir endlich helfen und ich kippe meinen 10 Liter Ersatzkanister in den PKW. Dabei erzählt mir der eine Mann, er hätte seine Brieftasche verloren, sein Geld und seine Scheckkarten seien weg und er komme auch mit diesen 10 Liter nicht viel weiter. Er bräuchte noch zusätzliche 50 Euro und würde mir als Pfand einen dicken golden glänzenden Ring geben. Außerdem seien die Deutschen die hilfsbereitesten Menschen auf dem Globus. Meinen fragenden Blick auf seinen Begleiter beantwortet er schnell, dieser hätte auch alle Karten verloren … Ja so ein Pech, kaum zu glauben!
Ich spreche mich mit meinen Mitreisenden ab und wir werden uns einig, dass wir denen kein Wort mehr glauben. Die 10 Liter Diesel sollten vorerst reichen, in der nahen Stadt müssen sie eben schauen, wie sie weiterkommen. Es dauert einige Minuten, bis ich meinen etwas schwer zugänglichen Ersatzkanister wieder eingepackt habe und endlich losfahre. Die beiden Bulgaren (?) bleiben an Ort und Stelle, als ob sie immer noch keinen Sprit hätten. Wie man das wohl zu verstehen hat ..?
Weiter geht es mäßig zielstrebig und wir kommen am späten Vormittag durch Igoumenitsa und dann Richtung Parga an die Abzweigung zur Sarakiniko-Bucht. Dort sind wir - besser gesagt der alte Freund Hans - eine riesige Überraschung für die Bewohner und wir dürfen unsere Bremachs selbstverständlich im Garten hinstellen, obwohl das kein Camping- oder Stellplatz ist. Der junge Barbesitzer Alex hat noch nicht richtig geöffnet und richtet gerade alles her für die bald beginnende Saison.
Hier bleiben wir zwei ganze Tage, genießen den Strand und das Meer bei standesgemäßem Griechenlandwetter, sorgen vor gegen Sonnenbrand - ja diese Sorgen hatten wir bisher nie - und faulenzen einfach nur.
Die alten Wirtsleute Krista und Ioanis, die lange Jahre in Deutschland gearbeitet und sich anschließend diese paradiesische Existenz hier aufgebaut haben, kümmern sich um uns Gäste: tagsüber mehr kommunikativ, abends kocht Krista für uns auf und erzählt viel von griechischer Küche, wie wichtig frische Zutaten dafür seien und so weiter. Der Charmeur Ioanis hat immer wieder ein Geschenk für "Frau Renate": Ein, zwei Zitronen frisch vom Baum, auch mal eine Grapefruit oder eine frische Bitterorange, dann einige lecker-süße Nespoli, auch ganz frisch gepflückt, einmal sogar mit einer schönen roten Rose garniert und immer Komplimente dazu.
Natürlich gefällt das meiner Dame, aber Renate denkt dabei auch an seine Frau Krista und ist überzeugt davon, dass dieser nun älter werdende Adonis früher bestimmt nicht immer ein einfacher Partner für sie war. In der griechischen Sage geht es der Liebesgöttin Aphrodite ähnlich, sie muss Adonis mit der göttlichen Nebenbuhlerin Persephone teilen. Wie schön - für Adonis …
Nach drei Übernachtungen im kleinen Paradies wollen wir einen Ausflug unternehmen und beginnen bei der nahe gelegenen Stadt Parga, deren Bucht auch nicht viel größer ist als die Sarakinikobucht, in der Saison allerdings tausendmal belebter. Wenn dann der kleine Sandstrand vor Parga überquillt, werden zur Entlastung Tagesfahrten zur Bucht von Alex angeboten, wie auf dem Schild an der Hafenmole von Parga zu erkennen ist: Flüchtlingsboote quasi.
Der Platz ist eher nichts für uns. Aber für Stadtmenschen, die Tuchfühlung zum Nachbarn brauchen und ohne Shoppingmeile nicht sein können, bietet Parga schon das richtige Flair.
Wir werden von Hans weiter in den Süden geführt und kommen zuerst an Resten der riesigen antiken Römerstadt Nikopolis vorbei. Diese wurde nach der brühmten Seeschlacht von Actium gegründet, wo der spätere Kaiser Augustus seine Kontrahenten Antonius und Kleopatra 31 v.Chr. vernichtend schlug und seine 45-jährige Alleinherrschaft, im Prinzip sogar die Jahrhunderte währende Römische Kaiserzeit begründete. Ein historisch bedeutender Ort, fürwahr.
Mein Bild von der 400 Meter langen Wehrmauer aus der späteren Römerzeit zeigt mir wieder einmal deutlich, dass ich eben kein Fotograf, sondern eher ein Erzähler bin.
Im Dumont-Führer finde ich das gleiche Motiv. Allerdings ist der Erzeuger dieser Aufnahme mit gutem Gespür für die Bildgestaltung wenige Schritte eine Anhöhe neben der Straße hochgegangen und hat von dort die Stadtmauer mit dem Tor, das ich links abgeschnitten habe, und dem Hinterland in ein wesentlich besseres Verhältnis gesetzt. Ich fahre nächstes Jahr noch einmal hin und wetze diese Scharte wieder aus, schon klar!
Weiter geht es zur Insel Lefkada, die man auf einer Brücke über die engste Meeresverbindung erreichen kann. Dort fahren wir dann im Westen hinunter und auf der Ostseite wieder hoch und erkunden Bucht um Bucht. Eine besondere Empfehlung unseres Griechenlandkenners sei die Agios Ioannis Beach, die wir spätnachmittags ansteuern und Taverne und Nachtplatz erhoffen.
Aber seit dem letzten Besuch von Hans sind wohl schon einige Jahre vergangen und die Bucht ist nicht mehr oder noch nicht belebt. Stattdessen finden wir wenige Meter vor der Beach eine knapp 1.000 Meter lange Schotterstraße, die immer 5-10 Meter oberhalb der Wasserlinie in nördliche Richtung zur nächsten Bucht mit mehreren Tavernen quert. Diese Anlage und insbesondere die geteerte Zufahrt muss neu sein, da ich sie weder in Google Maps noch in OSM finde. Unsere Schotterstraße ist schon eingezeichnet bei Google & Co, sie endet aber am Südrand der Bucht mitten im Sand, der durch eine 3 Meter hohe Rampe von der neuen Teerstraße getrennt ist. Das Problem erkennen wir aber erst, als der Vorausfahrende den steilen Absatz zur Wasserlinie schon runtergefahren ist, er wohl kaum mehr zurück kann und im Sand fest steckt ...
Flott kriegen wir den weißen Bremach relativ schnell durch Luftablassen, ein wenig schaufeln und unterlegen meiner bewährten Waffleboards. Aber die Rampe zur neuen Teerstraße hoch hat nur zwei oder drei passierbare Stellen, die von den Einheimischen durch Holzbalken verrammelt sind. Sie wollen damit wohl verhindern, dass Fahrzeuge zum Sandstrand runterfahren. Aber unser Bremach ist ganz unabsichtlich schon unten und will hoch, ohne großen Flurschaden anzurichten.
Ein Tavernenbesitzer verweigert die Freigabe "seiner" Strandzufahrt aber energisch und unter Androhung von körperlicher Gewalt, sodass Hans die ganze Bucht queren muss, um eine andere Auffahrt zu finden und wieder zurückfahren muss, als dies erneut verhindert wird. Durch diese Aktion wird der Strand hässlich zerpflügt und Wind und Flut werden einige Zeit brauchen, um die Spuren wieder zu verwischen. Aber Hans hat das ja nicht zum Spaß gemacht und ist stinkesauer auf die sturen Taverni ...
Jedenfalls wollen wir in dieser "verfeindeten" Bucht nicht bleiben, gelangen nach mehrfachem Einsanden an dem steilen Absatz schließlich doch wieder auf unsere Zufahrttrasse und treten den geordneten Rückzug an. Wir finden etwas später in 300 Meter Höhe eine schön gelegene Taverne, die uns neben einem leckeren Abendessen auch einen Stellplatz vor dem Haus bietet, der sogar über einen natürlichen Wecker verfügt. Jedenfalls erfüllt der Hahn um 6 Uhr früh seine Pflicht und mahnt mich, schleunigst zum dogwalk aufzubrechen.
Am nächsten Morgen bedanken wir uns beim Wirt mit einem Frühstück a´la carte, eingenommen bei strahlendem Sonnenschein (Greichenland eben) und setzen unsere Inselrundfahrt fort ...
Als nächstes fahren wir eine besonders schöne Bucht an, deren Bild ich schon in mehreren Führern oder Netzbeiträgen gesehen habe. In Porto Katsiki ist aber Herr Kommerz zu Hause, schon das Parken auf dem riesigen Platz kostet 5 Euro und der Zugang zum Strand ist auch nicht umsonst. Also schnell ein Foto geschossen und losgefahren, bevor der Kassierer kommt. Nicht, dass ich mir 5 Euro nicht leisten könnte. Aber die Art finde ich persönlich abschreckend und die Einheimischenn dort werden auf mich auch nicht angewiesen sein.
Nun führt die Strecke auf der Ostseite von Lefkada wieder zurück und Hans steuert die Stadt Nydri an, schön gelegen am Eingang zu einer sehr gut geschützten Bucht und voll von Segelbooten. Dort verkehren viele Engländer und Hans schwärmt von dem englischen Frühstück, das es dort gibt. Dazu müssten wir aber erst übernachten in diesem Wespennest. Doch wir ziehen eine ruhigere Gegend dem englischen Frühstück vor, fahren suchend weiter, verlassen die Insel Lefkada und landen in Vonitsa, einem kleinen Hafenstädtchen mit Charme.
Nach Querung der Strandpromenade gelangen wir an den kleinen Yachthafen, der uns einen netten Nachtplatz bietet, in Sichtweite zu den vielen Tavernen für das Abendessen. Einige der Yachties sprechen uns an und ein alleinstehender Engländer interessiert sich besonders für unsere Autos. Er sei seit 11 Jahren mit dem Boot in der ganzen Welt unterwegs gewesen und nun etwas seemüde. Er träume von einem 4x4 Wohnmobil und Reisen nach Zentralasien, in die Mongolei und so weiter. Wir können ihn sehr gut verstehen, nicht nur sein fließendes Englisch ...
Nach diesen Begegnungen am Yachthafen trennen sich die Wege der beiden Bremachs endgültig: Hans und Martin wollen noch einige Tage zurück in die Sarakiniko-Bucht. Und wir steuern die Hafenstadt Igoumenitsa an, buchen für 180 Euro eine Überfahrt nach Bari mit Camping an Bord und entspannen danach noch einige Tage auf unserem geliebten Campingplatz Lido di Salpi südlich von Manfredonia.
Auf der Heimfahrt erhalten wir in der Nähe von Ravenna einen Anruf von Martin und erfahren, dass die beiden ebenfalls eine Italienfähre genommen haben, etwa 550 km vor uns und schon in Österreich angekommen sind - uneinholbar für uns. Lassen wir sie also ziehen ..!
Und noch ein Nachtrag: Martin war gerade einmal einen Monat zu Hause, hat seine Kollegen in der Firma kurz wiedergesehen und ist dann dem Lockruf der Adria erneut verfallen: Mit seiner Partnerin Susanne brach er auf - wieder zur Sarakinikobucht in Griechenland. Ob die beiden dort unten bleiben, Neugriechisch lernen und als Unternehmensberater der griechischen Wirtschaft beistehen wollen, steht noch in den Sternen. Das Problem dabei: Griechenland bräuchte ihre Expertise dringendst, kann aber nicht dafür bezahlen. Also machen sie auf Urlauber ...
© 2017 Sepp Reithmeier
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