Kapitel 3: Neretvadelta und Bosnien
Den naturkundlichen Höhepunkt der oberen Adria-Ostküste, nämlich das breite Delta des Flusses Neretva, will ich aber nicht versäumen; und so biegen wir bei Ploce - das ist das Ende der schnellen Autobahn nach Dubrovnik - von der Hauptstrecke nach Süden ab und erkunden zuerst einmal die Neretvamündung. Danach fahren wir weiter flussaufwärts und finden in Vid ein nettes Lokal an einem Seitenarm des Flusses. Gerne würden wir Fisch aus der Neretva probieren, doch der Wirt hat nur Aal oder Frosch aus dem Fluss zu bieten. Ja, warum nicht? Probieren kann man es ja einmal. Und so werde ich heute einmal den Störchen ein paar Frösche wegessen ...
Und? Wie schmecken Frösche? Nun ja, es muss wirklich nicht sein: Festes, aber relativ geschmackloses weißes Fleisch. Aber interessant sind die Knochen: sehr hart und schwer. Das hätte ich nicht erwartet bei dem quabbeligen weichen Tier. Aber vermutlich dienen sie als Ballast zum Abtauchen. Vogelknochen sind leichter, die wollen ja auch in die Luft getragen werden. Ich werde jedenfalls in Zukunft die Frösche den Störchen lassen ...
Was uns an diesem Lokal irritiert, ist der Kellner, der einmal mit einem weißen Hemd erscheint und kurz darauf einen grauen Pulli trägt. Dann kommt er plötzlich wieder mit dem weißen Hemd. Das darf er natürlich, er kann sich umziehen, so oft er will. Als dann aber plötzlich beide Kellner, der mit dem Pulli und der mit dem Hemd gleichzeitig auftauchen, verstehen wir: Das sind eineiige Zwillinge, die den Laden führen und das Lokal heißt "Duda & Mate". Kapiert ..?
Hier an der Neretva treffen wir unsere Mitreisenden Monika und Herbert, quartieren uns im Camping Rio bei Opuzen ein und lernen den mürrischen Platzbesitzer Luka kennen. Der war wohl im Balkankrieg aktiv und hält sich immer noch für General Luka. Mich mag er aber spontan und beglückt mich mehr als mir lieb ist mit seinem rauhen Charme und einer Einladung zu Sliwowitz - pfui Teufel!
Während wir gerade Tee trinken, überrascht uns ein heftiger Schauer: Früher hätten wir schnell alles in den Bus räumen müssen. Aber ich bin ja dekadent und habe seit diesem Jahr eine Markise an meinem "Expeditionsmobil", die jetzt ihren ersten Einsatz hat und unsere gemütliche Runde rettet. Schon gut, so ein klein wenig Dekadenz!
Abends haben wir eine interessante Vogelbeobachtung. Monika hat dieses Reisehobby auch schon für sich entdeckt und findet am gegenüberliegenden Ufer im Schilf einen etwas größeren Vogel sitzen: Schnell ist klar, dass es sich um einen Reiher handeln muss - aber um welchen? Größe, Verhalten, Verbreitungsgebiet und Färbung sprechen für einen Rallenreiher, eine ziemlich seltene Art. Aber ganz exakt passt das Federkleid nicht zu den Abbildungen im Buch. Nun ja, da muss man etwas flexibel sein. Jungvögel passen oft nicht in das bekannte Raster ...
Am nächsten Morgen trennen wir uns wieder bis zum vereinbarten Treffpunkt in Montenegro, denn ich will einen kleinen Umweg über Bosnien nehmen, dort die nahen Naturschutzgebiete Hutovo Blato und den Popovo Polje anschauen. Wir nehmen dazu den kleinen Grenzübergang bei Metkovic und stehen erst mal in einer Autoschlange. Als ich an der Reihe bin sagt mir der Grenzer, meine Fahrzeugpapiere seien ungültig. Was? Wieso? Natürlich sind die gültig!
Aber da steht doch tatsächlich drin, dass der TÜV nur bis April 2017 gelte. Das hatte ich total vergessen. Obwohl es nicht Sache des Grenzers ist, solche rein nationalen Vorschriften wie die technische Überprüfung zu überwachen lässt mich der Mann an der Schranke nicht in sein geliebtes Land. "Umdrehen, heimfahren, TÜV machen, wiederkommen" bestimmt er. So ein Mist! Diese Reise fängt wirklich gut an!
Nachdem ich mich vom Schrecken erholt habe und wieder klar denken kann, sondiere ich meine Möglichkeiten: Notfalls ließe sich Bosnien ja umgehen, mit Umweg über die kroatische Insel Peljesac. Am einfachsten aber wäre ein zweiter Versuch an einer anderen bosnischen Grenze, an dem vielbefahrenen Übergang Richtung Dubrovnik. Und da klappt es dann auf Anhieb. Ich reiche der Grenzerin auch keinen Fahrzeugschein, sondern nur die grüne Versichertenkarte und die Personalausweise, sie fragt nicht weiter nach und drin bin ich ...
Kapitel 4: Montenegro
Wegen der Unsicherheit, wie die Einreise nach Montenegro ablaufen wird, haben wir keinen Nerv für eine Stadtbesichtigung von Dubrovnik, zumal wir vor zwei Jahren erst dort waren. Wir düsen also daran vorbei und die Spannung steigt, bis wir am Grenzposten zu Montenegro sind. Aber beide Grenzer, der kroatische wie der montenegrinische haben nur Augen für das Auto und nicht für die Papiere. Es kommen die typischen Fragen: Mercedes?? Gut in den Bergen? Und so weiter. Egal, wir sind in Montenegro und es ist doch nicht so schlimm geworden!
Unseren Treffpunkt in Montenegro habe ich aus Google Earth gezogen und er eignet sich auch hervorragend dafür: Direkt vor dem Ortseingang der Stadt Herceg Novi, genau dort, wo man zum ersten Mal das Meer sehen kann, befindet sich auf der rechten Straßenseite ein öffentlicher Parkplatz am Strand ...
Dort beginnt auch die kilometerlange Strandpromenade mit Lokalen, Geschäften, Banken etc. und ich ziehe mir als erstes balkanegrinisches Geld aus dem Automaten. Und was bekomme ich für eine Währung: Euro!! Das hatte ich ganz vergessen, Montenegro zahlt ja mit Euro - sehr praktisch für uns. Und eine SIM-Karte für 3 Euro ist ebenfalls erhältlich - die allerdings nicht funktioniert. Vorsicht also!
Später erfahren wir, wie es wirklich geht, an eine echte SIM-Karte zu kommen: Im Büro einer Telefongesellschaft kann man gegen Vorlage des Reisepasses (mein Personalausweis reicht nicht) für etwa 13 Euro eine SIM-Karte kaufen und der Verkäufer aktiviert diese auch gleich richtig fürs Internet. Und für weitere 5 oder 10 Euro bekommt man ein Guthaben zum Telefonieren. Aber auch hier Vorsicht: Nicht für Gespräche nach Hause nutzen, die 10 Euro sind nach 5 Minuten verbraucht. Wir nutzen das Telefonguthaben nur zur Kommunikation untereinander, also innerhalb des Landes.
Hier treffen wir uns wieder mit den Steiermärkern und auch der zweite Bremach mit Martin und Hans am Steuer rollt am Samstag, den 6. Mai, ein. Bei schönstem Wetter und bester Laune klingt der erste Tag bei einer netten Wirtin gemütlich aus und der Plan steht fest: Morgen fahren wir zum Durmitorgebirge ...
Am nächsten Tag sieht das Wetter aber sehr mies aus: Tiefhängende Wolken lassen nichts Gutes erahnen für eine Reise ins gebirgige Landesinnere. Wir planen deshalb um und besichtigen zuerst die Bucht von Kotor und die Altstadt dort, eine Weltkulturerbestätte.
Zweifellos interessante Gebäude in gut restauriertem Zustand sind zu sehen. Aber wie überall an ähnlichen Orten treten sich die Touristen auf die Füße und wir ergötzen uns mehr über die asiatischen Reisegruppen und deren Fotoverhalten als an den Sehenswürdigkeiten.
Die überteuerten Lokale haben das Potential zum Geldverdienen ebenso entdeckt wie die drei Mädchen links im Bild, die mit sehr geringen musikalischen Fertigkeiten, aber ohne Scheu ihr Glück versuchen. Nichts wie raus aus dem Gewimmel und rein in die einsame Region eines der vorgelagerten Hügel, den wir auf einspurigen Straßen abfahren und dort auch ein gut verstecktes Nachtdomizil finden ...
© 2017 Sepp Reithmeier