BergSonnwend und andere Wasserspiele ...
Allzu viel Zeit haben wir nicht. Die letzte Seilbahn zum Patscherkofel wird noch vor 16:00 Uhr starten und der Weg bis nach Igls zieht sich. Nur wenige Fahrgäste besteigen gemeinsam mit uns die Bahn, während wir Richtung Heiligwasser abheben, wo man auf dem Weg zum Gipfel umsteigen muss. Der Blick aus der Kabine bestätigt alle Befürchtungen: Wir können bis tief nach Innsbruck hinein sehen und was dort bereits über der Runway des Flughafens angekommen ist, wirkt nicht gerade vertrauenerweckend ...
Bereits vor der Bergstation verschwindet unsere Bahn in der dichten Wolkendecke - als wir oben aussteigen, pfeift ein kalter Wind und heftige Regenschauern entladen sich aus der mittlerweile undurchdringlichen Bewölkung. Wir haben noch genau 15 Minuten, eine weitreichende Entscheidung zu treffen: Denn dann wird die vorletzte Bahn ins Tal fahren, die letzte wird erst heute spät in der Nacht der Bergsonnwendfeuern folgen, und bis dahin werden noch rund 6 Stunden auf diesem Berg auszuharren sein.
Nach kurzer Überlegung treffen wir eine Entscheidung - es ist aussichtslos: Auch der Mann vom Personal der Bahn bestätigt uns in der Meinung, dass das Wetter im Laufe der heutigen Nacht eher noch erheblich schlechter werden wird. Wir steigen ein und finden uns wieder als einzige Passagiere, die nun gen Tal fahren, während heftige Windböen und Regenschauer an der Kabine zerren: Wirklich kein Abend für beschauliche Bergfeuer ..!
In Heiligwasser stoppt die Bahn, wieder müssen wir umsteigen. Doch diesmal ist hier fürs erste Endstation: Heftige Gewitter und Regengüsse veranlassen das Personal, die Weiterfahrt zu unterbrechen. Gern warten wir auf halber Höhe vom Patscherkofel, während es rund um uns herum grollt und wie aus Kannen schüttet - wer musste schon einmal eine Seilbahnfahrt aus Wettergründen unterbrechen?
Ebenfalls warten müssen noch zwei entschlossen wirkende junge Männer, einer von ihnen heftig nach Benzin riechend und auch mit einem 10l-Kanister im Gepäck: Es gibt noch einige, die die heutige Nacht mit ihren Bergfeuern verbringen werden, auch wenn sie von unten an diesem Tag niemand zu Gesicht bekommen wird. Das alles scheint wenig zu stören, ganz genauso wie die brisante Fracht, die mit der Seilbahn nach oben geschafft wird: Sicherheitsrichtlinien, die so etwas verbieten, scheint es hier und heute eher nicht zu geben ...
Irgend wann geht es weiter zu Tal und wir stehen wieder in Igls: Schon bald wird der Bus uns wieder zurück in die City von Innsbruck bringen.
Auch hier regnet es mittlerweile in Strömen: Unter einem Regendach müht sich das Team eines Radiosenders ab, musikuntermalt die Zielankunft der am Brenner gestarteten Speed-Marathonläufer anzukündigen, die in diesen Minuten erwartet werden, gemischt mit jeder Menge von Halbmarathonläufern, die heute ebenfalls unterwegs sind.
Der Sieger aus Ghana läuft nach 2h 15min in die Maria-Theresia-Straße ein und erreicht den Zieleinlauf - die ziemlich verregnete Veranstaltung hat ihre Helden!
Als der Abend hereinbricht, bessert sich das Wetter geringfügig. Heute sind wir im "Elferhaus" in der Herzog-Friedrich-Straße, einer belebten Kneipe in einem langgezogenen Gewölbe und in diesem läuft wie an vielen anderen Stellen auch die Übertragung eines Spiels der Fußball-Europameisterschaft: "Letten plätten" ist angesagt für den Abend, aber die deutsche Nationalmannschaft denkt nicht daran, irgendwen zu plätten und so endet das Spiel unter großer Aufregung der Gäste unentschieden. Wohl nicht ganz Ernst gemeint sind die geschichtlichen Erläuterungen, die ein Einheimischer einem anderen Zuschauer gibt: "Die Österreicher haben nur zwei Feinde: Die Deutschen und die Tschechen ..."
Wir probieren noch den Eisbock Bierbrand, bevor wir wieder hinaus gehen in die Innsbrucker Nacht, wo in der Altstadt noch gesungen und gespielt wird. Auf ein Stelzentheater, eine Feuerperformance, eine Demonstration von Bundesheer und Wasserrettung wird man allerdings am heutigen Abend genauso vergeblich warten wie auf einen Hubschraubereinsatz an der Innbrücke oder eine spektakuläre Landung von Fallschirmspringern.
Und dass unsere Entscheidung, den Patscherkofel zu verlassen, richtig war, zeigt sich schließlich auch noch: Kein Gipfel und keine Nordkette sind in dem wolkenverhangenen Himmel erkennbar - die BergSonnwend 2004 ist ins Wasser gefallen.
Doch auch wenn wir morgen unverrichteter Dinge wieder aus dem regnerischen Tirol Richtung München fahren werden, so ist dennoch eines sicher: Nächstes Jahr versuchen wir es erneut zur BergSonnwend. Wir wollen wieder die Feuer sehen. Jetzt erst recht ..!
© 2004-2014 J. de Haas