Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Mit dem CAT (City Airport Train) geht es am schnellsten vom Flughafen mitten in die Stadt: Einmal kurz umsteigen und schon steht man auf dem Stephansplatz. Nur zwei Minuten Fußweg vom Stephansdom entfernt wartet das Hotel Graben auf uns, das schon seit dem 18. Jahrhundert Gäste beherbergt. Zum Glück wurde es seitdem wohl schon mehrfach erneuert, so dass es alles bietet, was der Durchschnittstourist benötigt.
Es ist früher Abend, der Stephansplatz ist voll von Touristen aus aller Welt. Es wirkt beengend. Dazwischen eifrige, zum Teil als Mozart verkleidete Verkäufer, die den Touristen Karten für Konzerte und sonstige Veranstaltungen verkaufen wollen. Wir flüchten mit unserem Gepäck in die Rezeption ...
Viel ist für heute nicht mehr geplant, aber der Augustinerkeller der Wirtsfamilie Bitzinger ruft, die auch den berühmten Würstlstand am Prater betreibt. In den Klostergewölben aus dem Mittelalter kann man sich gut verwöhnen lassen mit typischen Wiener Schmankerln. Dazu ein Flascherl Wein aus der Weinkarte: Wir wählen die Wiener Trilogie 2011, eine Rotwein-Cuvée aus Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon. Der Wein wird in Wien angebaut, der wohl weltweit einzigen Hauptstadt mit eigenem Weinanbaugebiet. Zunächst etwas skeptisch (hätten wir vielleicht nicht doch besser einen Blaufränkischen vom Neusiedler See nehmen sollen?) überrascht uns der Wein schließlich sehr angenehm: Eine gute Wahl! Für die Stimmung im Keller sorgt ein Heurigenmusiker mit Ziehharmonika, der sowohl Wiener Lieder als auch internationales Repertoire - ganz nach Wunsch der Gäste - spielt.
Das Lokal ist nicht überfüllt, hier kann man es aushalten. Hunger und Durst sind vergangen und so macht sich Neugier breit, was denn Wien so mitten in der Woche nach 22:00 Uhr abends noch zu bieten hat. Nur wenige Schritte sind es bis zur Albertina (einstmals Wiener Palais), einem Kunstmuseum. Rings herum tobt das Wiener Nachtleben: Unzählige Menschen tummeln sich am Reiterdenkmal von Erzherzog Albrecht, für Getränke wird an einer endlos langen Bartheke gesorgt, hinter der zahlreiche Barmixer voll beschäftigt sind.
Aber man muss sich hier nicht in das Getümmel stürzen, ringsum haben noch jede Menge gemütliche Lokale geöffnet.
Obwohl es schon Mitternacht ist und ein normaler Werktag, bekommt man zu trinken und zu essen, welch ein Unterschied zu München, wo die Küchen um 22:00 Uhr schließen und die Wirte spätestens um 23:00 Uhr aufstuhlen lassen.
Da fällt einem doch gleich der Fendrich-Song ein: Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Haben Sie das schon erlebt?
So schön es ist, mehr als ein Absacker ist nicht mehr drin, schließlich gibt es morgen noch so viel zu erledigen ...
© 2014 S. Zerlauth