Österreich ´10 / ´11:
Wieder ins Burgenland: Zum "Ruster Herbst Zeitlos" ...
Höhepunkt und Finale im pannonischen Herbst bilden auch heuer wieder die Tage der offenen Kellertür, das sogenannte "Martiniloben". Bis 14. November 2010 stehen Jungweine, Ganslsuppe und Martinigansl in allen Variationen gepaart mit Ausstellungen, Vorträgen, Wanderungen und Exkursionen in der farbenprächtigen Naturlandschaft rund um den pannonischen Steppensee im Mittelpunkt.
Früher trieben um den 11. November - es ist der Tag des Heiligen Martin, Schutzpatron des Burgenlandes - die Bauern das Vieh in die Winterställe. Die Winzer gingen zum ersten Mal in ihre Weinkeller, um den einige Wochen vorher geernteten jungen Wein zu kosten. Diesem alten burgenländischen Winzerbrauch entsprechend öffnen heuer über 250 Weinbaubetriebe in 19 Tourismusorten in der Region Neusiedler See bis 14. November ihre Kellertüren und laden zur Verkostung ein. ...
Ruster Herbst Zeitlos
Jedes Jahr Anfang November wird der junge Wein feierlich getauft, das heißt von den Geistlichen des Ortes gesegnet. Nachdem die Vorboten des neuen Weinjahres in die „Wein-Gemeinde“ aufgenommen wurden, können sie natürlich auch verkostet werden. Außerdem laden die Weinbauern in ihre Keller und bieten die Möglichkeit, die Topweine der letzten Jahre kennenzulernen. Das heurige Motto der Themenverkostung im Seehof lautet: RUSTER BLAUFRÄNKISCH: EINE CHARAKTERVOLLE VARIATION. ...
Wieder einmal hatten wir unseren Blick Richtung Österreich ins Burgenland gelenkt und waren nach entsprechender Web-Recherche schließlich auf den Seiten der Neusiedler See Tourismus GmbH und der Stadt Rust am Neusiedler See gelandet, wo wir die obigen Hinweise fanden.
Nach unserem Ausflug zum Martiniloben nach Purbach, der nun schon wieder 3 Jahre zurück liegt (mein Gott, wie die Zeit vergeht ..! ) hielten wir es für eine gute Idee, in der Trostlosigkeit des bayrischen Spätherbstes 2010 mal wieder in eines unserer bevorzugten (Rot-)Weinländer zu reisen. Da die Entscheidung dazu sehr kurzfristig fiel, kam der Ort Purbach diesmal nicht in Frage - wie sich bereits nach wenigen Telefonaten herausstellte, war der gesamte Ort in Hinblick auf Übernachtungsmöglichkeiten komplett ausgebucht.
Also - warum sich in dieser Situation nicht einmal in der Nähe umschauen? Auch die angekündigte Weindegustation in 27 verschiedenen Betrieben des Örtchens Rust am 6. und 7. November 2010 bei einem Eintritt von 18,- EUR pro Person versprach interessant zu werden. Und außerdem: Von da aus könnte man ja schon mal am Vorabend in das nur wenige Kilometer entfernte Purbach "rübermachen", um dort kurz beim dann bereits begonnenen "Martiniloben" vorbei zu schauen ...
Fr, 05.11.10: Mit Rückenwind ins Burgenland ...
Eine ganz andere Anreise erwartet uns heute Mittag als noch vor 3 Jahren: Zwar findet das Martiniloben diesmal ein paar Tage früher statt als damals, aber das ist sicher nicht die Erklärung für das fast schon frühlingshafte Wetter, das uns während des ganzen Wochenendes begleiten soll. Sicherlich war es mit ein Grund für die Entscheidung, heute wieder hin zu fahren - wie oft schließlich hat man das Vergnügen, im November bei rund 18° C am Neusiedler See spazieren zu gehen?
Auch TomToms Lisa, die uns bei den letzten größeren Touren gute Dienste erwiesen hatte, überzeugt heute erneut: Ein recht angenehmer Kurs führt uns über die berüchtigte B12 in die Richtung von Braunau, wo wir Österreich erreichen. Der heute herrschende starke Westwind kommt zum Glück nahezu exakt von hinten und wird als Rückenwind gemeinsam mit der Talfahrt ins Burgenland zu einem Spritverbrauch führen, der gut ein Liter/100 km niedriger liegt als sonst oder beim Rückweg, wie wir später feststellen werden.
Noch vor Wien stehen wir dann irgend wann auf einem Autobahnrastplatz, trotz Wind hat man bei 18° C im strahlenden Sonnenschein ein sehr angenehmes Gefühl - der Trip beginnt offensichtlich diesmal richtig!
Schon wenig später sind wir bereits in Rust, eine tolle Abfahrt hier hin gewährt einen Anblick wie bei einem Landeanflug - vor und unter uns der Ort und direkt dahinter recht malerisch das Ufer des Neusiedler Sees. Mit rund 2.000 Einwohnern gilt die Freistadt Rust als der kleinste Verwaltungsbezirk Österreichs. In der Tat verfügt sie über ein faszinierendes Ambiente, wie wir bereits am Ankunftsnachmittag feststellen können. Besonders angenehm: Wir gewinnen tatsächlich eine ganze Stunde, die wir früher im Ort ankommen als geplant, da doch tatsächlich bei Fahrtantritt übersehen wurde, das TomTom-Navi auf Winterzeit umzustellen - auch so was passiert!
Dafür wird aber gleich wieder eine halbe Stunde abgebucht: Wie uns der PDA umgehend mitteilt, wird hier heute Abend die Sonne rund eine halbe Stunde früher untergehen als in München - wie gewonnen, so fast wieder zerronnen!
Wir kommen an in der Pension Alexander am Ortsrand, wo wir nach unserer Reservierung mittels Telefon und Mail am heutigen Nachmittag freundlich begrüßt werden. Ausgerüstet mit Stadtplan und Freizeitkarte von Rust und den von uns mitgebrachten Ausdrucken zu Restaurants, Gasthäusern, Buschenschenken und den am Wochenende zu erwartenden Highlights des "Ruster Herbst Zeitlos" machen wir uns schon kurz nach unserer Ankunft auf den Fußweg in die Ruster Innenstadt.
Trotz der gegen 16:30 Uhr einbrechenden Dämmerung an diesem Freitagabend wird schnell erkennbar, dass nicht übertrieben wird, wenn "die malerischen Gassen von Rust, die alten Häuser und Buschenschenken, dazu der See als Traumkulisse" gelobt wird, und zwar von niemand anderem als Harald Krassnitzer, der in der TV-Saga "Der Winzerkönig" die Hauptrolle spielte. Und diese Fernsehserie bescherte nicht nur dem österreichischen Burgenland eine erhebliche Aufmerksamkeit, sondern insbesondere auch dem Haupt-Drehort Rust. Erst im Juli dieses Jahres startete die dritte Staffel der Serie, in der Krassnitzer wieder den Winzerkönig Thomas Stickler spielt. Die Serie wie auch die Dreharbeiten sollen der Region einige Tausend Übernachtungen gebracht haben, wie man lesen konnte.
Und dass wir hier heute Abend tatsächlich an den Original-Drehorten stehen, wo nicht erst Kulissen aufgebaut werden mussten, können wir an etlichen Tafeln erkennen, die auch die einzelnen Motive der Serie enthalten: So spazieren wir z.B. vorbei am Motiv 1 "Rathaus" oder am Ort der Szene 1 "Herzlich Willkommen" der dritten Staffel oder auch am Motiv 6, der "Stadtvinothek". Auch wenn man bisher keine einzige Folge dieser Serie gesehen hat, wächst doch an diesem Abend schon der Wille, das so bald wie möglich nachzuholen ...
Leer ist es am heutigen Freitag Abend, und als wir schließlich in der Elfenhof-Schänke nahezu allein beim Abendessen samt hervorragender Blaufränkisch-Cuvée sitzen, bekommen wir doch Bedenken: Hier soll an diesem Wochenende der große Ramba-Zamba des "Ruster Herbst Zeitlos" stattfinden? Wo sind eigentlich die zu erwartenden Gäste? Kommen die alle erst morgen mit den angekündigten Shuttle-Bussen aus dem nahen Wien?
Fragen über Fragen und schließlich gewinnt die Vorsicht: Vielleicht ist in Rust doch nur "tote Hose" und so machen wir uns am Abend noch auf ins nahe Purbach, wo genau wie vor drei Jahren in der berühmten Kellergasse schon heute Abend wieder der "Martiniloben-Bär" tanzt - schwer beladen mit Weinen von Haffner, Eitler und anderen machen wir uns am späten Abend wieder auf den Rückweg nach Rust. Was wird dort wohl morgen los sein? Werden wir etwa ein weiteres Mal wieder nach Purbach fahren müssen ..?
Sa, 06.11.10: Ramba-Zamba und mehr ...
Man lässt sich in Rust tatsächlich Zeit mit dem Martiniloben-Business: Die "Wein-Segnung" zum Auftakt der Veranstaltung ist erst für 13:00 Uhr vorgesehen im Seehof der Freistadt Rust an der Hauptstraße, Weindegustationen in den Betrieben folgen erst ab 13:00 Uhr und sollen bereits um 19:00 Uhr beendet sein. Dasselbe Programm ohne Weinsegnung dann noch einmal am Sonntag. Ein wenig gelästert hatte man schon am Vorabend in Purbach über diese Abläufe in Rust - offenbar gibt es hier zumindest kleine Sticheleien, was die beiden nur wenige Kilometer auseinander liegenden Orte angeht.
Wir nutzen die noch "freie" Zeit bis Mittag zu einem ausgiebigen Spaziergang zum nahen Neusiedler See, der über eine bei den heutigen (für unsere Verhältnisse) schon fast sommerlichen Temperaturen endlos wirkende gerade Straße von Rust aus zu erreichen ist. Wir besichtigen bei dieser Gelegenheit auch den nur noch von Dauercampern bevölkerten und eigentlich geschlossenen Campingplatz des Ortes - vielleicht sollten wir dem ja zu Beginn der nächsten Saison mal einen Besuch mitsamt Explorer abstatten ..?
Unternehmen kann man hier und auch in der Umgebung am Neusiedler See sicherlich einiges, wenn man ein paar Tage bleibt: Man kann sich informieren über die Bedeutung des Status einer Freistadt von einst und kunsthistorische Schätze besichtigen, wie etwa den Seehof oder die Kirchen des Ortes. Auch die Weinakademie von Rust kann besucht werden, in der schon erwähnten Stadtvinothek kann man sich die Geschichte des Weinanbaus in Rust erklären lassen und selbstverständlich Spitzenweine degustieren bis hoffentlich nicht zum Umfallen, man kann schließlich in einem typischen Ruster Restaurant oder in einer der zum Verweilen einladenden und sehenswerten Buschenschenken einkehren. Vielleicht sollte man aber auch einfach mal mit dem Schiff auf die andere Seite des Sees übersetzen und wieder in Illmitz einkehren, wo wir vor unserer Tour Ungarn 2005 einst Station gemacht hatten? Und, und, und - ich glaube, die paar Tage im April oder Mai nächsten Jahres sind hiermit eingeplant ..!
Es geht gegen Mittag und wir kehren in den Ort zurück: Eine Besichtigung der drei hier tatsächlich überwinternden Störche ist ein Muss - erstaunlicherweise lebt ein Pärchen genau auf dem Haus des örtlichen Storchenvereins und ein weiterer einzelner Storch ausgerechnet auf dem Dach des Seehotels Rust. In diesem Hotel findet (welch ein Zufall!) genau zum Zeitpunkt des "Ruster Herbst Zeitlos" auch die zweitgrößte zahnärztliche Fachtagung Österreichs statt, wo man unter dem Motto LUST AUF RUST entspannt über praxistaugliche Methoden der abnehmbaren Kieferorthopädie diskutieren kann und wo z.B. auch gezeigt wird, was mit modernen Materialien im Wurzelkanal praktisch umsetzbar ist ...
Es ist endlich 13:00 Uhr: Im Seehof haben sich mittlerweile etliche Besucher eingefunden und ein Vertreter vom Burgenländischen Weinbauverband hält die Eröffnungsansprache. Probleme und Chancen des Jahrgangs 2010 werden angesprochen und die aufgrund von Wetterkapriolen geringere Erntemenge des Jahrgangs. Die "Weinsegnung" folgt im Anschluss: Zwei Geistliche predigen hier über Weinthemen, ein gemeinsames Vaterunser mit den Besuchern beschließt den geistlich-alkoholfreien Teil. Nach den Ständchen des örtlichen Männergesangvereins wird dann der junge Weißwein des Jahrgangs 2010 zur Probe ausgeschenkt: Als bekennender Vertreter des (Rot-)Weinkellers kann man sich ganz besonders hierbei aber problemlos zurückhalten ...
Doch dann ist es soweit, endlich auch den "Glanz edler Weine", für den Rust bekannt und beliebt ist, kennen zu lernen: Die "´Themenverkostung Blaufränkisch - eine charaktervolle Variation im Seehof an der Hauptstraße" nimmt ihren Lauf. Die 27 Betriebe, die an der Degustation teilnehmen, sind auch dabei vertreten und wir können uns schon hier recht einfach ein Bild vom Angebot machen. Die auf der Übersicht angegebenen Preise pro Flasche ab Hof schwanken bei den verschiedenen Blaufränkisch Varianten zwischen 4,20 EUR (Weingut Gabriel) und 32,- EUR (Weingut Giefing), dazwischen finden sich sehr interessante Weine auch im Bereich von 10,- bis 20,-EUR.
Wir haben nun bis 19:00 Uhr Zeit, die einzelnen Weinkeller zu besuchen, von denen viele sehr verkehrsgünstig einer neben dem anderen an der Hauptstraße des Ortes liegen. Und im Laufe der Stunden, die wir bei bestem Wetter hier verbringen - z.T. draußen im Bereich der Höfe und Buschenschenken - wird uns klar, dass wir nicht nur mit Sicherheit im nächsten Frühjahr nochmals hierher kommen werden, sondern dass sich Rust bezüglich seiner Weine wahrhaftig nicht hinter Purbach verstecken muss: Ganz im Gegenteil, die Zahl der Spitzenweine, die wir heute verkosten, wäre in Purbach kaum zu erreichen ... Wir müssen uns aufgrund der gestrigen Käufe nun leider etwas zurückhalten, aber die eine oder andere vorzügliche Flasche passt wohl noch in den Kofferraum!
Der Nachmittag vergeht schnell und die Dämmerung bricht herein. Es wird Zeit, sich eines der vielen gemütlichen Lokale auszusuchen, wo wir heute Abendessen wollen. Doch nun folgt die zweite große Überraschung des Tages: In keinem der vielen Schenken, die wir aufsuchen, gibt es noch freie Plätze - alles schon seit langem reserviert! Es ist kaum zu glauben, aber ausgerechnet in dem Ort, wo wir am gestrigen Abend nahezu allein in etlichen Lokalen hätten sitzen können, ist hier und heute der Teufel los und alles hoffnungslos überfüllt.
In etlichen Lokalitäten ist bereits ab 21:00 Uhr die Küche geschlossen und so landen wir schließlich entnervt im Seehotel Rust, wo deutlich sichtbar auch noch nicht reservierte Plätze zu finden sind. Aber auch da folgt die nächste Überraschung auf dem Fuße: Außer dem Tagesmenü wäre hier nichts zu haben - man bedauert, uns kein Essen à la carte anbieten zu können, da die Küche hierauf nicht mehr eingerichtet wäre!
Langsam aber sicher steigt die Panik auf, ausgerechnet am heutigen letzten Abend in Rust nirgendwo mehr etwas zu essen zu bekommen, wenn man einmal von einzelnen weniger einladenden Lokalitäten absieht. Wir gehen zurück in Richtung unserer Pension: Auf dem Weg dorthin gibt es noch ein Restaurant - mit Sicherheit unsere letzte Chance. Und die "Storchenschenke" in der Feldgasse hat noch Platz für uns - der Abend ist gerettet.
Deutlich später sind wir wieder zurück in unserer Pension Alexander, von wo aus wir am nächsten Morgen wieder zurück Richtung München fahren werden. Der zweite Degustationstag vom "Ruster Herbst Zeitlos" wird ohne uns stattfinden - wie heute wohl wieder bei bestem Wetter, ganz anders als vom Wetterbericht vorher angekündigt ...
Nachtrag, April ´11: Osterspaziergänge am Neusiedler See ...
Bereits beim obigen Besuch hatten wir es uns vorgenommen: Zu Ostern 2011 sind wir wieder vor Ort - diesmal als zünftige Camper, zwar ohne Explorer, dafür aber mit OZtent. Bei wunderbarem Osterwetter können rund 4 Tage im "Storchencamp" zugebracht werden - im Gegensatz zum übervölkerten Platz von Podersdorf geradezu eine Erholung!
Neben natürlich wieder ausführlichen Weinverkostungen () gab es diesmal auch viel anderes zu unternehmen. So z.B. ein Besuch in der Landeshauptstadt Eisenstadt: Sehenswert dort das z.B. Esterházy-Schloss und sein Weinmuseum, die Bergkirche samt ihrem einzigartigen "integrierten" Kalvarienberg und der Haydn-Gruft, oder auch das Haydn-Haus in der Innenstadt.
Weiterhin stehen Schiffstouren auf dem Neusiedler See auf dem Programm, sowohl ins Naturschutzgebiet an der "Hölle" als auch mit dem "Powerboat" hinüber zum überfüllten Podersdorf samt seinem zu Ostern bereits randvollen Campingplatz, den wir zuletzt bei unserer Tour Ungarn 05 besucht hatten ...
Rust selbst und seine inzwischen wieder zahlreich erschienenen (und nachwuchstechnisch hochaktiven! ) Störche sorgen auch im Ort für ausreichende Unterhaltung. Selbst den langen Fußweg in der (schon wieder funktionierenden) pannonischen Glutsonne vom Camp hinein in den Ort kann man sich für einen Abend ersparen, um das neu eröffnete große Seerestaurant Katamaran zu besuchen. Neben den sich drängenden Touristen lassen auch die bereits ebenso zahlreich erschienenen ersten Insekten am Seeufer hier die bange Frage aufkommen, wie das hier wohl zur Hauptsaison zugehen mag ...
Fazit: Insgesamt wieder mal ein gelungener (Vorsaison-)Trip zu unseren Nachbarn ins Burgenland, der nach Wiederholung verlangt. Aber gab´s da nicht so was wie einen Herbstzeitlos im November ..?
© 2011 J. de Haas