Zeebrügge, Mittwoch 11.05.16
Die AIDAprima hat es mal wieder geschafft: Mit Schleichfahrt ab Le Havre erreicht man tatächlich eine Liegezeit am Kreuzfahrtterminal Zweedse Kaai (Swedish Quay) des belgischen Hafens Zeebrügge, die erst ab 10:00 Uhr des nächsten Morgens beginnt.
Die Bordzeitung warnt bereits: "In Brüssel besteht eine latente Gefährdung durch Anschläge mit terroristischen Hintergrund." Nun, wie man schließlich weiß, bestehen in Belgien, Frankreich oder Großbritannien bereits entsprechende Gesellschaftsstrukturen samt Gefährdungslagen, an deren nachhaltigem Aufbau etliche hierzulande heimische Politiker samt Kohorten derzeit eifrig basteln - warum die EU-Ostblockländer sowas nicht wollen, kann schließlich kein Mensch verstehen, oder ..?
Und so kann man auch nicht ohne weiteres im belgischen Hafen herumlaufen, der eigentlich ein Stadtteil von Brügge ist: Zum einen besteht Ausweispflicht mit entsprechenden Dokumenten, die man beim Landgang mit sich führen muss und zum anderen ist ein Shuttlebus-Service zwingend, da es die örtlichen Behörden nicht gestatten, sich zu Fuß im Hafengelände zu bewegen. Am Hafeneingang ist bereits weit vor dem Schiff eine Sicherheitskontrolle zu durchlaufen, bevor man vom Shuttlebus wieder zurückgebracht wird. Dies alles gilt sowohl für Teilnehmer eines AIDA-Ausflugs als auch für solche Passagiere, die auf eigene Faust unterwegs sein wollen.
Organisierte Ausflüge gibt es auch hier wieder eine ganze Reihe. Eine Panoramafahrt in die belgische Hauptstadt wird angeboten: Unter dem Slogan "Brüssel - Europas charmante Metropole" soll man die Stadt näher kennenlernen, wobei vom Atomium über das EU-Parlament bis zum Königsschloss dabei natürlich nichts fehlen darf.
Weiterhin kann man "Brügges mittelalterliche Meisterwerke" besuchen und dabei nicht nur eines der schönsten Rathäuser Belgiens besichtigen. "Glanzvolle Entdeckungen in Antwerpen" ist ein Ausflug in Flanderns größte Stadt, die seit Jahrhunderten als Zentrum des weltweiten Diamantenhandels gilt. Wem das nicht reicht, kann "Gent - Belgiens süße Versuchung" probieren und neben Kunstschätzen auch Genüsse in einer der berühmten Schokoladenmanufakturen erleben.
All dies reizt uns beim aktuellen Stopp allerdings gar nicht, so dass wir am heutigen Liegeplatz einen Landgang "auf eigene Faust" planen. Und der soll gar nicht weit weg führen, sondern einfach nur mit der so genannten Kusttram erfolgen, einer Straßenbahn, die entlang der Küste von Zeebrügge fährt.
Der Shuttlebus bringt uns zur Kontrollstelle am Hafeneingang in der Nähe des maritimen Themenparks Seafront: Offenbar sind eine ganze Menge Leute auf dieselbe Idee wie wir gekommen, denn ein ganzer Pulk bewegt sich nun vorbei am dort liegenden stark verrosteten ehemaligen russischen U-Boot Foxtrot sowie dem Feuerschiff West-Hinder.
Ein selten zu sehendes Verkehrszeichen mit durchgestrichenem "GPS" zeigt in der Nähe ein Problem, auf das man noch im März 2016 öffentlich bei der Verbindung E40-E403 Zeebrugge hinwies: "Tipp - Folgen Sie den Umleitungsschildern und schalten Sie Ihr GPS-Gerät aus!"
Alle Passagiere der AIDAprima, die jetzt auf "eigene Faust" unterwegs sind, wollen offenbar mit der Kusttram von der Haltestelle Kerk (Kirche) Richtung Südwesten fahren. Beim Anblick der Masse Mensch an der Haltestelle entscheiden wir uns spontan für die Gegenrichtung: Liegt dort doch schließlich das weltberühmte Seebad Knokke samt seiner Baai van Heist, das nur wenige Haltestellen entfernt sein kann. Von da aus soll ein langer Strandspaziergang zurück zum Schiff folgen ...
Gesagt, getan: Noch während berittene weibliche Polizisten neben uns vermutlich "Sicherheit zu Pferde" verbreiten sollen, versuchen wir eine Fahrkarte zu kaufen. Das erweist sich allerdings als vergeblich, weil Schalter Kerk "gesloten" ist. Da auch in der kurz darauf kommenden Bahn keine Möglichkeit besteht, als "normaler" Fahrgast eine solche Fahrkarte zu kaufen, werden wir unvermittelt zu Schwarzfahrern. Vorsichtig, mehr nach Kontrolleuren als nach Terroristen in der Bahn Ausschau haltend, fahren wir einige Haltestellen Richtung Knokke: Ausgerechnet der letzte Abschnitt, den wir noch nehmen wollen, erweist sich als der längste und der Fußmarsch von der Haltestelle in vermutete Richtung Nordsee würde nun wohl doch ganz beachtlich werden, falls überhaupt möglich.
Irgendwann jedoch sind wir da: Wir sind nicht mehr sicher, ob es uns tatsächlich gelingen würde, durch diverse Straßen eines Wohngebiets bis zum Strand vorzustoßen, aber schließlich ist es doch leichter als erwartet geschafft: Die Nordsee liegt vor uns und am Horizont hinter dem letzten Häuserblock ist endlich auch mal wieder ein Containerriese in der Ferne erkennbar ...
Vorbei am Beachclub anemos stapfen wir durch den Sand Richtung Hafen: Trotz der längeren Straßenbahnfahrt können wir weit hinten bereits die AIDAprima erkennen und somit am Strand entlang den Rückweg mehr verkürzen, als wir uns beim Ausstieg aus der Kusttram jemals hätten träumen lassen - offensichtlich ein sehr empfehlenswerter Ausflug für Fußgänger!
Als wir bereits nicht mehr damit rechnen, dass man hier und heute am Strand noch etwas zu trinken bekommen kann, taucht auf der linken Seite schließlich der Außenbereich der Brasserie Bristol auf, der in lockerer Strandatmosphäre und freundlicher Bedienung zu einem Bier einlädt. Auch ein freier WiFi-Zugang soll bei diesem Bier genutzt werden, was allerdings aufgrund einer hier wohl üblichen Kleinigkeit schließlich nicht stattfindet: Internetzugang nur über Facebook - ein persönliches NoGo!
Wir nähern uns wieder dem Hafen und dem Schiff, eine ganze Kreuzfahrer-Radlergruppe kommt uns dabei entgegen. Überall am Strand sieht man kleine Pavillons, die man wohl dauerhaft mieten kann, heute allerdings kaum belebt sind. Wir erreichen eine Aussichtsplattform am Hafen, von der aus man einen guten Überblick bis zum Kreuzfahrtterminal und zur AIDAprima hat. Ununterbrochen übt ein Fahrer neben uns mit einem Containerfahrzeug vorwärts- und rückwärtsfahren: Niemand wird wohl bei "LKW WALTER" ahnen, wie oft hier und heute einer ihrer Container ununterbrochen hin- und hergefahren wird vom Lagerpunkt bis zur Kaimauer ...
Später passieren wir wieder die Sicherheitskontrollen, die allerdings nicht ganz überzeugend wirken, und erreichen mit dem Shuttlebus die AIDAprima. Beim Versuch, für ein Foto bis zum Bug vorzugehen, kann man dann aufgescheuchte Sicherheitsleute erleben: Selbstverständlich ist so viel Bewegungsfreiheit hier am Terminal nicht gestattet und man wird trotz maximal humoristisch in Richtung Bug geschwenkter Selfie-Stange auf der Stelle vom herbeilaufenden Sicherheitsmann zurückgepfiffen ...
Der Weg zurück ins Schiff klappt schließlich und vom Balkon auf Deck 14 kann man in Ruhe wieder das Hafentreiben beobachten. Witzig erscheint die Versammlung einiger RoRo-FrachterInnen, die hier operieren: Melusine, Adeline, Pauline sind jetzt zu sehen, erstere in Belgien registriert, die beiden anderen auf Malta.
Weitere lustige Mädels wird man heute Abend dann sicher noch an Bord erleben - das wie schon damals auf der AIDAmar wieder umfangreiche Abendprogramm des Kreuzfahrers wartet bereits ..!
© 2016 J. de Haas