An Bord (2): Die Organisation und ihre Probleme ...

Bei der ersten Reise mit AIDAmar war die perfekte Organisation beeindruckend: Landausflüge, Abrechnungen, Buffetbesuche, alles war problemlos und man konnte sich auf sein Dasein als Passagier konzentrieren ...

Doch wird auch die AIDAprima diesen Anforderungen gerecht?

Nun, das Buchen zusammen mit der freundlichen Beraterin von Aida Cruises ist erfreulich einfach: Wir können uns die Kabine aussuchen (weit oben auf Deck 14 und Steuerbord - das ist in den Häfen meist die Wasserseite) und bekommen noch Tipps zu den Kabinen.

Im Internetportal kann man bereits die Landausflüge, den Transfershuttle und die "Genießercard" buchen, sowie in den Restaurants schon mal vorab reservieren.

Hinter dem Begriff "Genießercard" verbirgt sich die Möglichkeit, einen Betrag für Getränke und Speisen im Voraus zu bezahlen, dafür bekommt man 10% Rabatt - schwer verdiente 10 %, wie sich später herausstellen sollte ...

Verwirrung am Busshuttle ... Check-In in Steinwerder ...

Bei der Reservierung in den Restaurants wird es schon komplizierter. Man benötigt eigentlich für die richtige Entscheidung eine Matrix mit allen 15 Restaurants / Snackbars und den zusätzlichen Informationen: Ob man überhaupt reservieren kann, ob Getränke und Speisen im Pauschalpreis enthalten sind, ob Getränke zu den Essenszeiten im Pauschalpreis enthalten sind, ob Getränke nie im Pauschalpreis enthalten sind oder ob man Speisen und Getränke grundsätzlich immer extra zahlen muss. Diese Restaurantmatrix sollte man somit auch immer bei sich haben, wenn man sich spontan für ein Restaurant entscheiden will, ohne von Zusatzkosten überrascht zu werden ...

Was aus den Beschreibungen der Bars nicht deutlich wird, ist die Tatsache, dass man in einigen Bars das Bier aus Plastikkrügen trinken muss. Für uns ein absolutes NOGO, schließlich haben wir bereits frühzeitig aus unserem Explorer die Plastikbierkrüge verbannt, denn Bierkultur geht anders ...

Nach der Buchung der Tour erhält man zur Buchungsbestätigung allerlei Infos und eine DVD, hübsch verpackt in einer Leinentasche - die Vorfreude steigt!

Der Shuttlebusservice in Hamburg startet am Busbahnhof, aber man sollte vorher unbedingt alles Kleingedruckte in der Buchungsbestätigung genau lesen: Denn das Gepäck wird nicht vom Shuttlebus mitgenommen, sondern muss 300 m entfernt vor dem Hamburger Hauptbahnhof an einer Sammelstation abgegeben werden. Zusätzlich findet sich im Kleingedruckten auch die individuelle Eincheckzeit, damit will man bei Aida wohl die Anreise der ca. 3.500 Passagiere zeitlich etwas entzerren.

In der Praxis sieht man dann entnervte Passagiere ihr Gepäck von der Shuttlehaltestelle zum Hauptbahnhof ziehen und wieder zurückeilen. Die Eincheckzeit interessiert ohnehin niemanden.

Immer wieder wird man nach einem "Ticket" gefragt, mal will man das Kreuzfahrtticket, mal das Shuttlebusticket. Klar, dass man dem Aida Mitarbeiter immer das falsche hinreicht ...

Wer zu früh an der Busstation steht, sieht einen AIDAprima-Shuttlebus nach dem anderen vorfahren, Passagiere der allerersten Tour mit Gepäck aussteigen und die Busse leer zurückfahren. Auf Anfrage, ob man vielleicht schon mal mitfahren könne, erhält man ein entschiedenes Nein.

Irgendwann bringt der Shuttlebus dann die Passagiere der Tauffahrt zum Cruisecenter Steinwerder: In der Check-In Halle wird einem die Sinnlosigkeit der individuellen Check-In Zeit bewusst. Die Halle ist zum Bersten voll, man muss gut 30 Minuten anstehen, bis man zu einem Check-In Automaten kommt. Immerhin wird den Wartenden etwas Eistee gereicht ...

Aida Mitarbeiter sind am Check-In Automaten behilflich, denn der Automat fotografiert den Passagier für die Sicherheitskontrollen und erstellt die Bordkarte. Für den Gesundheitsfragebogen, den man spätestens im Bus unbedingt ausfüllen sollte, interessiert sich niemand.

Anlässlich der Tauffahrt bekommt man ein goldfarbenes Halsband geschenkt für die Bordkarte, die man immer bei sich tragen muss, denn sie dient der Identifikation und als Zahlungsmittel.

Was alle noch nicht ahnen: Die AIDAprima hat ein massives IT-Problem im Bereich der Gastronomie ...

Fahrstuhl am Limit ... Stephan Hartmann turnt für die Seenotrettungsübung ...

Vor der Kabinen steht bereits das Gepäck - das hat funktioniert! In der Kabine liegen bereits die Tickets für die Landausflüge und eine weitere Karte bereit - die Genießercard. Irgendwie hat man als naiver Passagier geglaubt, der vorab entrichtete Betrag wird ganz einfach dem "Kabinenkonto" des Passagiers gutgeschrieben und der Verzehr dann von dort abgebucht. Weit gefehlt - es ist wesentlich komplizierter: Diese Genießercard muss man sich zusätzlich zur Bordkarte um den Hals hängen, zum Glück ist der Karabiner groß genug. Will man etwas verzehren, reicht man dem Service nicht nur die Bordkarte, nein, auch die Genießercard muss abgegeben werden. Zurück kommt dann der Service mit einem Beleg, den man unterschreiben muss und beide Karten hängt man sich anschließend wieder um den Hals.

Am zweiten Tag wollen wir dann mal schauen, wieviel von unserem Budget schon abgebucht wurde: Aufgrund des IT-Problems ist es nicht möglich, Kontostände im Schiffs-Intranet in der Kabine am Fernseher abzufragen. Dazu muss man in die Rezeption und erkennt sofort, dass man offenbar nicht der einzige ist, der sich gerne einen Ausgabenüberblick verschaffen will, neben all den anderen Passagieren mit noch ganz anderen Problemen.

Die Rezeption ist brechend voll: Dort stehen zwei Geräte für 3.500 Passagiere bereit zum Abruf der Kontoinformationen. Eines der Geräte hat auch noch einen Drucker, der allerdings so gut wie nie funktioniert - phasenweise funktioniert überhaupt nur noch ein Gerät ...

Wenn sich nun z.B. ein Pärchen mit Genießercard einen Überblick verschaffen will, muss es drei Konten abfragen: Das Konto für sie - das Konto für ihn - das Konto der Genießercard. Da man nicht glauben kann, dass der Drucker nicht funktioniert (es gibt nicht mal eine Fehlermeldung), wiederholt man die Abfragen mehrmals: Das dauert und das freut alle, die hinter einem stehen. Hier ist nicht nur das Lächeln zuhause - wie der Werbeslogan lautet - hier sind auch Bürokratie und Chaos eingezogen und das Lächeln schwindet allmählich aus dem Gesicht, vor allem, wenn man feststellt, dass die als PDF aufbereiteten Kontoauszüge am Monitor kaum lesbar sind.

Also reiht man sich in die Schlange zum Rezeptionstresen ein, denn auch dort drucken Mitarbeiter die Kontoauszüge bei Bedarf. Mit diesem Ausdruck zieht man sich also zunächst zurück, um ihn in Ruhe zu studieren. Doch nun macht sich großes Erstaunen breit: Das Kabinenkonto ist mit allem belastet, was man verzehrt hat, das Konto der Genießercard ist unangetastet. Statt Kussmund nur noch zusammengepresste Lippen ...

Wieder stellt man sich an der Rezeption an, um sich dann anzuhören, man hätte vermutlich die Genießercard bei der Bestellung nicht abgegeben und NEIN, man könne nichts umbuchen.

Also muss die Bestellstrategie geändert werden:

  1. Man wird dem Service zur Sicherheit jedesmal sagen, dass die Genießercard kein Schmuckanhänger ist, sondern bebucht werden muss.
  2. Man sollte ermitteln, ob und wie man auf dem Beleg erkennen kann, ob die Genießercard bebucht wurde. Wir haben den Belegunterschied gefunden: Belege für die Genießercard haben in dem ganzen Zahlenwirrwarr auch noch einen Saldo - "Balance" auf Neudeutsch.

Dank einer freundlichen Barkeeperin, der wir den Genießercard-Frust schildern, bekommen wir den Hinweis, dass selbstverständlich umgebucht werden kann, wir sollen nur hartnäckig bleiben ...

NoGo für Genießercard: Die Getränkeautomaten ... Überschaubares Nachtischangebot ...

Also stellt man sich wieder an in der Schlange vor der Rezeption - was hat man schließlich sonst als Passagier zu tun - und bittet erneut um Umbuchung. Nun geht es auf einmal und man sagt uns zu, dass bis zum nächsten Tag alles bereinigt ist. In der Warteschlange schnappt man das eine oder andere Problem auf, mit dem sich die Passagiere herumschlagen, aber ein Punkt kommt immer wieder zur Sprache: Ist die AIDAprima nicht doch schon zu groß für einen problemlosen Betrieb? War es auf AIDAmar, AIDAvita nicht viel netter und einfacher? Oder liegt es nur daran, dass fast alles auf diesem Schiff ganz neu ist und sind das Kinderkrankheiten? Vielfahrer werden nachdenklich …

Am nächsten Tag gibt es für uns das gleiche Prozedere, leider nichts umgebucht - aber immerhin, die neuen Umsätze erscheinen auf dem Genießercard-Konto - die Bestellstrategie zeigt Erfolg. Während der Wartezeiten auf die Ausdrucke kommt man mit den Mitarbeitern ins Gespräch: Auf den Aida-Schiffen wird für den Gastronomie- und Hotelbetrieb eine alte, "historisch gewachsene" Software eingesetzt, die mittlerweile von Oracle aufgekauft worden sein soll. Es sei dabei ausgesprochen schwierig, all die Produkte, die das kreative Marketing entwickelt - wie z.B. die Genießercard - mit dieser Software zu unterstützen. Das macht es für Passagiere und Mitarbeiter recht kompliziert.

Tags drauf ein erneuter Anlauf, diesmal erscheinen einige Umsätze auf den Kontoauszügen mit Tageszeiten wie z.B. 02:00 Uhr morgens, zu denen man ganz sicher bereits geschlafen hat. Die Lösung: Es handelt sich um Umbuchungen, die erhalten den Zeitpunkt der Eingabe durch den Barchef.

Die Originaldaten dürfe man uns allerdings aus "Datenschutzgründen" nicht ausdrucken. Und: Natürlich sind nur einige der erforderlichen Posten umgebucht.

Bis zum Ende der Kreuzfahrt stehen wir an manchen Tagen bis zu dreimal an der Rezeption wegen der Umbuchungen - immer in langen Warteschlangen und auch einige vom Personal an der Rezeption werden von Tag zu Tag gereizter und so schnauzt man auch mal vollkommen ruhige Passagiere an, sie sollen sich nicht aufregen ...

Die Kontoauszüge werden natürlich immer umfangreicher, das wiederholte Aushaken dauert immer länger und dann tauchen schließlich auch noch vollkommen unbekannte Posten auf: Wir bestehen auf Vorlage der Belege, nach längerem Suchen räumt man dann ein, dass die Belege zwar da wären, aber nicht unterschrieben wurden. Nun muss also auch noch storniert werden, was sich als mindestens so aufwändig erweist wie das Umbuchen. Bis zum letzten Tag ist "Kontenkontrolle" eine zeitintensive Beschäftigung auf AIDAprima, aber dann ist es geschafft: Die Genießercard ist schließlich aufgebraucht.

Durchsagen, man würde das Intranetportal "updaten", lassen zwischendurch immer wieder hoffen, aber das Ergebnis ist immer das Gleiche: Keine Kontrolle des Verzehrs auf der Kabine möglich.

Der einzige Automat mit Drucker: In Reparatur ... Korrekt gebuchter Beleg für die Genießercard ...

In den Restaurants kann man an kostenpflichtigen Getränkeautomaten Kaffee oder auch ein Glas Wein zapfen. Doch leider reagieren die Automaten nicht auf die Genießercard: In der Rezeption erfährt man, dass man Entnahmen aus den Automaten extra bezahlen muss, eine Zahlung per Genießercard ist nicht zulässig. Aber das macht nix, denn die Getränkeautomaten zeigen während der Reise auch noch so allerlei Fehlermeldungen.

In den Restaurants hakt es auch noch ein wenig: Nutzt man die zweite und letzte Schicht am Abend, wird es mitunter mit der Nachtischauswahl sehr sparsam - dass aber dann 15 Minuten vor Schluss das Vorspeisenbuffet neu bestückt wird, erzeugt bei so manchem Passagier ungläubiges Kopfschütteln.

Doch was wurde aus unseren Reservierungen? Aufgrund von IT-Problemen liegen sie den Restaurants nicht vor. Wir werden aber trotzdem zuvorkommend bedient und erhalten wunderschöne Plätze.

In der Buchungsbestätigung stand etwas unklar, dass Premiumkunden jeden Tag zwei Flaschen Wasser in die Kabine bekommen. Als bis zum Abend nichts kommt, ergibt die Nachfrage, dass die "Wasserversorgung" nicht im Rahmen des Kabinenservice erfolgt, sondern abends bei einem extra Rundgang des Personals. Gut, das Wasser kam. Ob man eigentlich Premiumkunde ist, kann man an der Rezeption auch anhand der Buchungsbestätigung nicht feststellen. Aber man kennt ein Kriterium: Wenn man seine Kabine selbst aussuchen konnte, dann ist man Premiumkunde. Das ist bei uns der Fall und das hat den Vorteil, dass Surfen im W-LAN mit bis zu 250 MB kostenlos ist. Das reicht für Emails, man sollte aber zuvor unbedingt z.B. den automatischen Updateservice von Windows deaktivieren, sonst sind die 250 MB gleich aufgebraucht ...

Die IT-Schwäche zeigt dann in Rotterdam noch eine besondere Variante: Man kann die Reisen buchen von Hamburg nach Hamburg oder aber von Rotterdam nach Rotterdam. Nun scheint es Passagiere zu geben, die zwar von Hamburg nach Hamburg gebucht haben, aber in Rotterdam nicht mehr in die Kabine kommen, da die IT anderer Meinung ist.

Hin und wieder sieht man die IT-Crew schwer bepackt mit Laptops und Tablets durch die Flure eilen - ein wenig erinnern sie an den Central Service im Film "Brazil" - der nichts repariert, Chaos hinterlässt und stets droht: "Wir kommen wieder!"

"Central Services" kümmern sich um die IT ... ... macht den Fernsehempfang aber auch nicht besser ...
AIDAprima Tempelambiente: So ein Schnappschuss will gut überlegt sein ...

Doch AIDAprima muss auch noch unverschuldet Pannen und Bürokratie ausbaden: In Southampton fordert der britische Zoll, dass ALLE (Passagiere und Besatzung) zur Passkontrolle erscheinen müssen, auch wenn sie das Schiff gar nicht verlassen und britischen Boden nicht betreten - der BREXIT wirft hier wohl seine Schatten voraus ..!

Ein liegengebliebener Bus bei der Rückfahrt aus London führt dazu, dass AIDAprima verspätet aus Southampton abfährt und auch verspätet in Le Havre ankommt, wodurch sich die Landausflüge erheblich verzögern und man über eine Stunde im Unklaren gelassen wird, wie die Organisation des Tages geplant ist.

In Rotterdam ist kein Fernsehempfang möglich, da angeblich ein Satellit nicht sendet, der Ausfall bleibt aber bis kurz vor Hamburg bestehen. Offensichtlich nicht nur ein Satellitenproblem, sondern ein weiteres IT-Problem mit "TV over IP".

In Rotterdam gibt es einige Ausflüge, die zeitlich so gelegt sind, dass man kaum Gelegenheit hat, abends in den Restaurants essen zu gehen.

Auch werden in Rotterdam abends die Sicherheitskontrollplätze auf einen einzigen reduziert, obwohl offensichtlich ist, dass viele Passagiere bei Nachteinbruch auf die nahe Erasmusbrücke pilgern, um ein Bild von der nächtlich beleuchteten AIDAprima zu schießen. Den Schnappschuss bezahlt man bei Rückkehr durch lange Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle ...

Hin und wieder sind die neuen Fahrstühle schon außer Betrieb, werden aber immer relativ schnell repariert - "Central Services"?

Am Abend vor der Ankunft in Hamburg erfolgt die Durchsage, dass das Gepäck bis spätestens 02:00 Uhr Nachts vor der Kabinentür stehen muss. Als wir am Morgen die Kabinentür öffnen, steht das Gepäck unverändert im Flur, da hätte man doch noch bequem sein Nachtgewand und das Waschzeug verstauen können, anstatt dies in der Gepäckhalle zu tun ...

Es gibt aber auch jede Menge Dinge, die gut klappen: Die Notfallübung mit Chefentertainer Stephan Hartmann funktioniert reibungslos und ist dank seines Einsatzes als Vorturner mit Schwimmweste kurzweilig. Geschickt zeigt er, wie selbst etwas fülligere Passagiere mit der Schwimmweste klar kommen. Auch die humorvollen Kommentare zu den fehlenden Passagieren sind weit aus unterhaltsamer als der Kasernenhofton, der bei der Übung auf der AIDAmar eher vorherrschte.

Auch der Besuch beim Bordarzt - nicht billig, aber ohne große Wartezeiten. Zwar kann der arme Doktor nichts für seinen Namen, aber ob ein Arzt mit Vornamen Dschihad besonders vertrauenserweckend wirkt mag jeder für sich selbst beantworten. Möchte man seinem seekranken Nachbarn ernsthaft empfehlen: Geh mal zum Dschihad ..?

Alles in allem - bei der Organisation muss AIDAprima noch etliche Schaufeln drauflegen, insbesondere bei der Bürokratie wäre Abbau erfreulich. Aber insgesamt gilt: Aller Anfang ist schwer, auch bei so einem neuen Riesenschiff - und: es wird schon werden, mit Sicherheit!

Geh mal zum Dschihad .. Passagier Reality Show? Das Familien Chaos Spiel ...


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