Eine Rundfahrt, die zum Rundgang wird ...
St. Brélade, La Corbière, 13.10.18: Heute soll es eine größere Rundfahrt geben, in den Süden der Insel und an die Ostküste. Ziele sind diesmal Dolmen, historische Ruinen aus vergangenen Jahrhunderten und natürlich auch eine Burg, die im "Hundertjährigen Krieg" als uneinnehmbar galt.
Als erstes soll es jedoch zum Hafen von La Roque gehen, an der Südostspitze der Insel gelegen. Zunächst muss man da aber mal die Hauptstadt der Insel St. Helier durchqueren, wohin wir nach dem Frühstück aufbrechen.
Nun ist die Fahrerei auf Jersey schon seit Tagen bei uns Gesprächsstoff: Es ist weniger der Linksverkehr, der nervt, da dieser heutzutage mit Navi und Automatikfahrzeug nicht mehr ein Problem ist wie vielleicht noch vor Jahrzehnten. Hier sind es eher die Straßen, die einen Autofahrer vom Kontinent möglicherweise nerven. Konnte man schon in Irland bei vergangenen Reisen durchaus der Meinung sein, überdurchschnittlich oft in engen, von Hecken und Wällen gerahmten Straßen und Sträßchen unterwegs zu sein, die nicht mal ein Anhalten auf manchen Strecken erlauben, so erfährt dieser Eindruck auf Jersey noch eine Steigerung: Hier sind es nicht Böschungen und Hecken, sondern oft hohe Mauern, die eine Straße in einen engen "Kanal" verwandeln, in dem sich der durchaus häufig nicht gerade geringe oder langsame Verkehr bündelt und begegnet ...
War schon in Irland sehr häufig an den Autos aufgefallen, dass der linke Außenspiegel beschädigt, geflickt oder ganz abgerissen war, so droht auf Jersey fast noch häufiger Gefahr für diesen Spiegel: Der rechts sitzende Fahrer möchte natürlich dem dicht vorbei brausenden Gegenverkehr nicht seinen Außenspiegel abfahren und das mit dessen Fahrer ausdiskutieren, so dass er sich deshalb oft nur Zentimeter entfernt von Mauern und Hindernissen auf der linken Seite des "Kanals" fortbewegt.
Konnte man schon in Irland erleben, wie ungeübte Beifahrer auf der linken Seite in Anbetracht des Abstands von seitlichen Hindernissen instinktiv in Deckung gingen und sich nach rechts wegduckten, so tritt jetzt bei unseren Fahrten auf der Insel dieses Phänomen zum Leidwesen der Beifahrerseite tatsächlich auch ab und zu auf. Die Entschuldigung beim Rennradfahrer war erst gestern noch möglich - bei harten Mauern, die ganz plötzlich und unerwartet einen wenige Zentimeter weiten Vorsprung präsentieren, ist eine derartige Entschuldigung nicht möglich: So gibt es nicht weit hinter St. Helier beim geringfügigen Ausweichen vor dem Gegenverkehr ganz plötzlich auf der Beifahrerseite einen dumpfen Knall und der linke Außenspiegel möchte die weitere Fahrt in eingeklappten Zustand hinter sich bringen.
Der Knall geht unmittelbar in ein gotteslästerliches und sicherlich bis St. Helier hörbares Fluchen des Fahrers über, das den Verkehrslärm spielend in den Schatten stellt. Ein unwillkürliches Abbiegen von der Hauptstraße erfolgt in der Hoffnung, irgendetwas am Außenspiegel wieder richten oder vielleicht sogar den Spiegel wiederfinden zu können. Lautes Gelächter auf der Beifahrerseite löst bei derartigen Erklärungen kurz das unablässige Gefluche ab, denn auf dieser Seite konnte man offenbar wunderbar verfolgen, wie die eigentliche Spiegelfläche in tausende kleine Stücke zerbarst und die Illusion, das Teil vielleicht in einem Stück wiederfinden zu können, als echten Brüller entlarvt ...
Abbiegen in eine Seitenstraße, um sich da den Spiegel genauer anschauen zu können? Nun, das mag ja fast überall auf der Welt möglich sein,. aber sicher nicht auf Jersey! Die Seitenstraße ist natürlich keine Seitenstraße und Anhalten ist natürlich wie üblich auch nirgendwo möglich. Erst nach gefühlten zig Kilometern besteht erstmals die Gelegenheit, das Fahrzeug halb in einem Graben zum Stehen zu bringen, um dort fluchend herumkletternd den Spiegel zu besichtigen. Der hat nur eine deutliche Kerbe auf der Außenseite und von der Spiegelfläche selbst sind natürlich keine Reste mehr zu erkennen. Die Beifahrerseite besteht darauf, dass der Spiegel während der weiteren Fahrt eingeklappt bleibt (warum eigentlich?) und irgendwie stinksauer setzt der Fahrer seine Fahrt fort - verdammte Jersey-Straßen, verdammter Jersey-Verkehr ..!!
Wir erreichen den Hafen von La Rocque, wo man tatsächlich parken kann und vielleicht eine wenig (vergeblich) gegen üble Laune beim Fahrer anspazieren gehen kann. Eines ist jedoch klar: Ohne diesen linken Spiegel hat er überhaut keine Lust mehr, die Rundfahrt fortzusetzen!
Der Hafen von La Roque selbst ist durchaus einen Rundgang wert: Wieder mal ist ein Rundturm zu sehen, der sich jedoch auf privatem Gelände befindet. Rund zwei Kilometer weiter draußen im Meer ist der der Seymour Tower zu erkennen, der - ähnlich wie "unser" Leuchtturm - bei Ebbe zu Fuß erreichbar ist.
Bei diesem Rundgang bleibt es nun aber auch, weil inzwischen frustriert der Entschluss gefallen ist, für heute zurückzufahren. Beim herrschenden besten Wetter wollen wir lieber als Spaziergänger noch die Umgebung unseres heimischen Towers erkunden, die Laune aufbessern und dabei keine Autoteile mehr abfahren ...
Die Rückfahrt nach La Corbière verläuft zum Glück ereignislos und selbst ein Einkauf mit Parkhausbesuch beim "Waitrose" in St. Brélade gelingt! Der Einkauf wird ausgeräumt und wir machen uns auf den Fußweg entlang der "eigenen" Südwestküste, die auch heute eine wunderbare Landschaft bereithält. Wie hatten wir dazu auf einer Jersey-Webseite gelesen:
"Das ist Jersey. Eine Insel, vom Meer geformt und mit einer der erstaunlichsten Gezeiten weltweit, die an die Küste brandet und das Land mit Leben versorgt. Eine Insel von geringer Fläche aber mit großer Ausstrahlung. Hier führen Feldwege zu herrlichen Aussichtspunkten von hohen Felsklippen, und das Meer ist nirgends weiter als zehn Minuten entfernt. Eine Insel zum Entdecken und vollgepackt mit Aktivitäten zum Erkunden, zum Erleben und zum Aufatmen."
Genau das alles trifft heute zu und so ist schon bald die schlechte Fahrerlaune verflogen, als wir die nahen Felsen hinauf- und hinuntersteigen, lange Zeit dabei unseren "Marinepeilstand" immer im Blick, der auch von hier aus die Küste zu dominieren scheint.
Der Spaziergang zieht sich länger hin, schließlich wollen wir auch einen nahen weiteren Bunker besichtigen, der auf einer Immobilienseite für zig Tausend Pfund zum Kauf angeboten wird. Auch diesen hatten wir bereits von unserem "Kontrollraum" aus mit dem Feldstecher erspäht und er schien durchaus in Reichweite zu liegen.
Das Ganze entpuppt sich allerdings als klassische "Luftlinie" und ein gefühlt endloser Walk führt später vorbei am Gefängnis La Moye, dem einzigen Gefängnis der Insel, das aber von außen mit seinen Mehrfachzäunen und Beobachtungskameras eher einem Hochsicherheitstrakt als einem "normalen" (?) örtlichen Gefängnis zu ähneln scheint - wer mag hier wohl einsitzen ..? Von hier aus müsste man wieder zurück an die Küste, um den zu verkaufenden Bunker zu erreichen, aber dieser Weg führt über versperrten Privatbesitz, so dass aus unserem Kauf heute nichts wird ...
Irgendwann kommen wir wieder zurück zu unserem Domizil, der "Rundgang" war zuletzt doch eine deutlich ausgedehntere Wanderung geworden. Aber was soll´s - auch heute lohnt die Rückkehr "nach Hause" wieder wie üblich!
© 2019 J. de Haas