Freitag, 22.10.99:  Slowenische Grenzkammstraße - "Spuren einer bewegten Vergangenheit"

Heute machen wir unsere letzte "geführte" Tour: Nr. 4 "Slowenische Grenzkammstraße" heißt sie. Wir haben keine Bedenken, wie sie in unserem Führer geäußert werden: "Als wir beim Frühstück unserer Pensionswirtin ... von unserer geplanten Tour erzählen, rät sie uns mit sorgenvollem Blick von diesem Vorhaben ab: Die Grenzkammstraße oben auf dem Bergrücken zwischen Italien und dem Fluss Soca dürfe nur von Bewohnern der Bergdörfer befahren werden."

... Rückblick Richtung Kobarid - Traumwetter ist angesagt ...

Diese Bedenken erscheinen uns heute nur noch historisch und so brechen wir unbekümmert auf zu unserer Tour, die ebenfalls knapp 40 km lang ist und uns zu den Spuren der bewegten deutsch-österreichisch-italienisch-jugoslawischen Vergangenheit und der letzten Weltkriege führt. 

Bei Idrsko (N46°14.01803´ E013°35.64409´) verlassen wir die Straße 10 und fahren Richtung Livek (Wegpunkt 2, N46°12.42673´ E013°36.11530´). Wir folgen dem Roadbook entlang der Grenze und sind bald wieder in einer Höhe von über 1.000 m, die Strecke ist weiter geteert als noch im Roadbook angegeben ...

"Ein rund tausend Meter hoher Gebirgszug bildet zwischen Kobarid und Nova Gorica die slowenisch-italienische Grenze. Seit Menschengedenken prallen hier die Machtblöcke aufeinander: Im Ersten Weltkrieg verlief hier die grauenhafte Isonzo-Front - vom Partisanenkampf im Zweiten Weltkrieg zeugen allgegenwärtige Mahnmale entlang der Strecke. Und auch in der jüngeren Geschichte wollte keine rechte Ruhe eintreten, trafen doch bis Anfang der 90er Jahre die sozialistische und die westliche Ideologie hier aufeinander. ... Nur die wenigsten Ortschaften, die wir durchfahren, sind auch in der Karte verzeichnet. Doch ihre slowenisch und nicht italienisch klingenden Namen deuten uns, daß wir uns noch auf der richtigen Seite der Grenze befinden. Gleichzeitig öffnet sich der Blick oft weit Richtung Westen, nach Italien hinein." Wieder mal sagt unser Geländewagen-Reiseführer alles, was an dieser Stelle gesagt werden muss ...

Der Hüttenwirt, den Kurt in bewährter Weise am Wegpunkt 9 (wieder mal ein "Planinski Dom") in ein Gespräch verwickelt, bietet uns Wein an und bringt Wasser, als wir dankend auf den Wein verzichten. An der Ruinen-Baustelle am Wegpunkt 11 schließlich empfängt uns fröhliches Winken der Bauarbeiter - wirklich ein herzliches Land mit herzlicher Atmosphäre!

... Pause in der Idylle - jeder stellt sich so, wie er mag ...

Die Strecke führt uns weiter durch malerische Landschaft südlich bis fast nach Nova Gorica, wo in der Weinbauregion nordwestlich davon unsere Tour beendet ist. Die toskanisch-italienisch anmutende Landschaft ist auch in diesem Fall wieder mal die Reise wert ... 

... Toskana oder was? Am Ende unserer Tour nordwestlich von Nova Gorica ...

Ein interessanter Rückweg durch Italien (!) steht uns bevor, vollkommen eingezäunt, der kalte Krieg lässt grüßen, 1947 hat man hier angabegemäß alles so aufgeteilt. Aber wie kommt man eigentlich von Italien aus dahin zum Gebiet nördlich der Straße?

Echtes Autoput-Flair überfällt uns auf der weiteren Rückfahrt Richtung Kobarid, wo wir in Ermangelung anderer geöffneter Plätze und in angenehmer Erinnerung an den Vorabend eine weitere Nacht verbringen wollen. Und richtig: Unser gestriges Lokal, das Kotlar an der Trg svobode, erwartet uns auch heute wieder zu einem Spitzen-Essen! Wen wundert es da eigentlich, wenn auch heute abend viele Österreicher hier ein angenehmes Wochenende einleiten ...?

Heute kommt sie dann: Die unwiederruflich letzte Nacht im Explorer in dieser Saison, in diesem Jahrzehnt, im Jahrhundert, im Jahrtausend - Melancholie macht sich beim Berichterstatter wieder deutlich breit! Dennoch geschieht das ungewöhnliche: Erstmals werden auf einer Explorer-Expedition mitgebrachte Bier- und Schnapsvorräte wieder mit zurück genommen ...

Samstag, 23.10.99: Rückfahrt ...

Strömender Regen begleitet uns auch auf der Rückfahrt. Trotzdem ist die Fahrt von Kobarid Richtung Bovec und dann weiter entlang der idyllischen Soca wieder voller landschaftlicher Schönheiten. Noch über zwei Pässe (zuerst den Vrscic N46°26.13045´ E013°44.63572´ und dann wieder den Wurzenpass) führt die mehrstündige Fahrt zurück nach München - danach steht dem Explorer nur noch das Einmotten für die Winterpause bevor, wenigstens wird er diesmal eine ordentliche Garage haben, in der er von der nächsten Saison träumen kann ...

Und unser Fazit? Tolles Land, das wir wieder besuchen werden - und auch ein lesenswerter Reiseführer, den wir mit seinen eigenen Umschlagworten nur empfehlen können: "Reisen mit dem Geländewagen bedeutet immer auch, die ausgetretenen Wege des Massentourismus zu verlassen. Doch wo kann und darf man noch abseits der geteerten Straßen fahren? Slowenien ist eines der letzten Offroad-Paradiese im Herzen Europas, das für jeden Geländewagenfahrer unzählige und offiziell befahrbare Pisten bereit hält." ...


© Text/Bilder 1999 J. de Haas, Textauszüge aus "Geländewagen Touren Band 3: Slowenien und Istrien"