Anreise durch Finnland (1): Es geht los ...
Sa. 15.07.00
07:00 Uhr: Ankunft in Helsinki, ehrlicherweise muss man zugeben, dass er schon mächtig genervt hat, der Seetag - bei einer Anfahrt nach Island kann man so was ja schon verstehen, aber nach Helsinki? Die Tischnachbarn, die heute morgen die frühest mögliche Aufstehstrategie durchkreuzen und zur gleichen Zeit am Tisch sitzen, machen es im "echten" Morgengrauen und in Anbetracht ihrer Gesichter mehr als deutlich: Wenn da nicht die Kosten wären, könnte man eigentlich trotz der sensationellen "All-inclusive"-Leistungen nur zum "Finnjet" ab Rostock raten ...
Fahr´n, fahr´n, fahr´n auf der finnischen "Autobahn" E75-4 - insgesamt 450 km sollen es heute am ersten Tag auf finnischem Boden ungefähr werden: Die Ausfahrt aus dem Hafen von Helsinki wird aufgrund der anderen Anlegeposition noch einfacher als im Vorjahr, wieder warten offensichtlich fantastische Verkehrsverhältnisse auf die entspannten Explorer-Insassen ...
Nicht nur psychologisch durchatmen kann man, nachdem man in diesem Land wieder von Bord gegangen ist. Eben nicht nur verkehrstechnische Disziplin und Gelassenheit, die in Raser-Land Deutschland undenkbar wäre, sondern auch sonst alles anders: Finnland ist nach wie vor auf der aktuellen Korruptions(freiheits)skala der Organisation Transparency International (TI) für das Jahr 2000 auf Platz 1 geblieben, während Deutschland von Platz 14 auf Platz 17 abgesackt ist - wen wundert es nach den politischen Erkenntnissen des letzten Jahres ..!
Mehrere Stunden vergehen während der Fahrt - Finnland war so schön, im Vorjahr, aber das war ja auch der Osten des Landes! Nun fahren wir im Westen, und das auf einer Hauptverkehrsstraße. Zwar immer noch viel Disziplin hier, mehr als bei uns jemals denkbar, aber doch unvergleichlich viel mehr Verkehr ist heute anzutreffen, und das über hunderte von Kilometern! Eine lange Etappe wird das in der Tat - der Westen ist doch deutlich dichter besiedelt, wie wir feststellen müssen ...
Wir folgen der uns seit Skandinavien 99 schon bekannten Route über Lahti und Joutsa Richtung Jyväskylä.
Wieder wird wie schon im Vorjahr in Joutsa eingekauft, nur diesmal müssen wir noch erheblich weiter in den Norden! Was kurz nach der Weiterfahrt von dort erheblich aufschreckt: Lautes Schnarren des abgerosteten Hitzeblechs macht sich ausgerechnet jetzt bemerkbar. Bei kurzer Pause wird das Blech mal eben abgebogen - ganz nach Art der "Nissan-Meister" in München - wird es weiter halten?! Bei Jyväskylä verlassen wir nun die Vorjahresroute, um uns ziemlich direkt nach Norden in Richtung Oulu zu bewegen - weiter geht´s auf der E75-4, wieder deutlicher werdendes Schnarren von unten lässt unerfreuliches ahnen ...
Vorbei geht es an Wäldern und vielen Seen der finnischen Seenplatte - langsam aber sicher beginnt sich die Strecke zu ziehen, disziplinierter Verkehr hin oder her! Auch die Geräusche vom Unterboden lassen keinen echten Entspannungseffekt aufkommen. Doch dann, ein Halt muss sein: Nördlich von Jyväskylä bei Tikkakoski findet sich ein Museumsbereich, den man auch im Stress des ersten Anreisetags kaum auslassen kann. Zunächst treffen wir auf einen Unterstand aus dem 2. Weltkrieg, kurz dahinter das Finnische Air Force Museum (N62°23.26355´ E025°40.8515´). Interessant: Alle möglichen russischen Flugzeuge, dazu die finnischen mit dem Runenzeichen, das nichts mit dem Nazi-Symbol zu tun hat, wie die Erklärungen dazu ausführen:
"Blaue Swastika (Hakenkreuze) wurden auf die Flächen des ersten Flugzeugs der finnischen Luftwaffe in Umea gemalt (Der Spender des Fluzeugs: Graf Eric von Rosen). ... Die von der finnischen Luftwaffe von 1918-45 benutzten Swastika haben keine Verbindung mit den deutschen Nazi-Hakenkreuzen, die auf Flugzeugen schwarz waren und auf der Spitze standen ... Bei Swastikas handelt es sich um frühzeitliche Ornamente, die in verschiedenen Teilen von Europa und Asien gefunden, aber auch in Afrika und Amerika entdeckt wurden ..."
Nach diesem Ausflug in die europäische Geschichte und dem Anbringen eines weiteren Aufklebers auf dem Explorer-Heck gehen wir wieder auf die Strecke - Zielort ist der Campingplatz Emolahti Beach in Pyhäjärvi am Pyhäjärvi-See gelegen (Camp 1) (N63°39.87709´ E025°53.89992´), wo wir am Nachmittag nach ca. 450 km doch nicht mehr ganz so gemütlicher Fahrt eintreffen. Wir sind hier bereits auf der nördlichen Breite von Iisalmi vom Vorjahr, nur eben etwas westlich versetzt.
Heiß ist es heute abend, über 25°C, aber am Camp wartet der örtliche "Biergarten" mit 0,4 l Bieren (wohlschmeckend!) für kaum 10 DM - was will man mehr im Zeitalter des Spielgeldes? Nicht nur Womos in ausreichender Menge, sondern auch ganz in der Nähe unseres Biergartens: Schwimmende Finnen in der "Badeanstalt" am See - sind Finnen eigentlich die weißesten Menschen der Welt?
Gewitter ziehen auf am Horizont, doch nur leichtes Tröpfeln stellt sich ein - die einzigen paar Regentropfen für die nächsten Tage und Wochen!
So. 16.07.00
Weiter geht es nach Norden, geplant sind für heute ca. 230 km. Wir fahren vorbei an Finnlands Technologiezentrum Oulu. Ein kurzer Gruß an unsere finnischen Technologieaktien, und tatsächlich: Von der Straße aus gut zu erkennen sind Firmenschilder wie Nokia, Sonera - wie mögen sie heute stehen??
Oulu erlebte im 18. Jahrhundert seine Blüte durch die Gewinnung von Teer. Hier gab es eine Teerbörse, denn Teer war unverzichtbarer Werkstoff für das Kalfatern der Holzschiffe. In Mitteleuropa waren die Nadelwälder schon erheblich reduziert worden für die Teergewinnung und so verlagerte man diesen "Industriezweig" in die Region um Oulu. Rings um Oulu schwelten Teergruben, 1901 brannte die Teerbörse nieder und die Teer-Ära ging zu Ende ...
Ab Oulu fahren wir entlang des Nordrands der Ostsee - besser bekannt als bottnischer Meerbusen.
Wir passieren einen Ort mit dem erstaunlichen Namen Li (glaubt man kaum in Finnland, fehlen hier ca. 43 Buchstaben??), dann Olhava und schließlich Taipale. Hier biegen wir auf die Strandstraße ab und fahren zum Kalotti-Majat (Camp 2) (N65°31.46417´ E025°15.56933´), wo wir nahe des Ostseestrands unser Lager aufschlagen. 2 Campingplätze - nicht im offiziellen Verzeichnis - gehören zu einer Feriensiedlung. Aber rummelig wie erwartet ist es doch kein bisschen: Wieder sind wir hier allein, nur die Sauna des Platzes erfreut sich gewisser Beliebtheit an diesem Abend. Es fällt auf, dass die "hartgesottenen" Finnen an diesem warmen Abend drinnen sitzen im Lokal des Campgrounds - während draußen am Eingang die Räucherspirale qualmt, zieht man es offensichtlich vor, sich den Quälgeistern zu entziehen ...
Verstehen kann man es schon, zwar trinken wir unser finnisches Bier draußen, aber das scheint nur was für die harten Touris zu sein. Es ist noch echt warm heute Abend und die finnische Luftwaffe fliegt Dauereinsätze - wen wundert es, dass nun der erste Autan-Großeinsatz folgt? Fast schon belustigt im nachhinein die Planung der Reise, in der für den bottnischen Meerbusen (wegen des Windes!) kaum Mücken vorgesehen waren - sie wissen eben nichts von solchen albernen Planungen!
Zwar erfolgt zusätzlich zum Autan der erste Probeeinsatz von Mückenhut und Mütze mit Ohrenklappen, doch für deren Einsatz ist es viel zu heiß. Und wenn der Schweiß fließt, sind die munteren Begleiterinnen gleich nochmal so aktiv - so wandert die "Panzerung" gleich wieder zurück in die Explorer-Kleiderkammer. Besonderes Problem, das ab sofort jeden Tag da ist: "Wasserlassen" hinter dem Strauch wird zur echt stressigen "Action" - so intensiv kann man nämlich das kostbare Körperteil gar nicht bewachen, dass nicht etliche der heißen Mücken-Mädels sofort darauf landen wollen - da verlässt einen doch glatt (kurzzeitig!) der männliche Stolz über soviel Anziehungskraft auf die örtliche Weiblichkeit ...
Bottnischer Meerbusen: Eigentlich auch nicht anders als viele bisher gesehene große finnische Seen, nur kann man an manchen Stellen von hier aus eben Wasser bis zum Horizont sehen. Dennoch: Kaum anders als sonst, man ist halt schon wieder verwöhnt mittlerweile, wenn man abends die Stimmung der (kaum noch) untergehenden Sonne genießt - und seine Freundinnen vertreiben kann ...
© Text/Bilder 2000 J. de Haas