Unter neuer Reiseleitung ...
Die Straßen sind absolut frei, die Orte wirken menschenleer, auch das berühmte Alvar-Aalto Museeum in Jyväskylä und die Universität direkt daneben sind wie ausgestorben und natürlich geschlossen. Wir sparen uns somit die für Besichtigungen eingeplante Zeit und kommen schnell voran. Leider arbeiten die zahlreichen Starenkasten so wie jeden anderen Tag auch und eine dieser Radarfallen 50 Meter nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung blitzt plötzlich auf. Sofort schaue ich auf meinen Tacho und stelle etwas erleichtert fest, dass ich höchstens 10 km/h zu schnell war. Das dürfte ich mir noch leisten können. Aber natürlich erreicht dieses Blitzen psychologisch seinen beabsichtigten Zweck und ich achte noch mehr auf die Geschwindigkeitsschilder ...
Wenig westlich von Jyväskylä steht eine der schönsten alten Holzkirchen des Landes, die Vanha Kirkko in Petäjävesi, sogar UNESCO-Weltkulturerbestätte, und an der wollen wir nicht ohne einen Versuch vorbei fahren. Und wir haben Glück: Die Frau an der Kasse wollte schon seit 15 Minuten schließen, aber immer wieder kommt ein Tourist wie ich vorbei und will hinein. Diesen Stopp bereuen wir nicht und freuen uns, wenigstens noch einen Höhepunkt auf der langen Querung gefunden zu haben. Bemerkenswert in dieser Kirche ist das strenge Gesicht einer etwas naiv wirkenden Holzskulptur unter der Kanzel. Aber auch die komplett hölzerne geschwungene Decke imponiert ...
Es ist erst 16 Uhr, die Straßen sind leer und die Tage sehr lang. Alle Attraktionen auf der Strecke sind geschlossen an diesem Mittsommertag und so beschließen wir in einem Rutsch bis nach Pori an der Ostsee weiter zu fahren. Dort soll in Yyteri nach Führerangabe der schönste Sandstrand Finnlands sein und zu dem will meine Renate hinfahren, die ab sofort das Sagen hat.
An der Ostseeküste ...
Gegen 19:30 Uhr checke ich am dortigen Campingplatz ein und wundere mich über den hohen Preis von 34 Euro: Bisher kosteten alle Campingplätze 20 Euro und die Lintutorni gar nichts. Ausserdem wird uns ein bestimmter Platz zugewiesen, was in der Regel auch ein schlechtes Omen ist. Der Schreck nimmt zu, als wir erkennen, dass der riesige Campingplatz gut besetzt ist mit vorwiegend jungen Leuten, die hier offenbar ihr Mittsommerfest feiern wollen. Genau hier, wo wir in Ruhe und Einsamkeit den Strand genießen und schlafen wollten. Ich schimpfe laut über die neue Reiseleitung und ihre Fehlplanung, doch ändern kann ich es auch nicht mehr ...
Ein erster positiver Eindruck entsteht durch die schönen Oldtimer, die nahe an unserem Platz stehen: Die Besitzer sind alles recht junge Typen, die in kleinen Gruppen um ihre Zelte sitzen, grillen oder trinken und quatschen. Aber nicht laut, nein sehr gesittet, friedlich, gut gelaunt. Wir suchen sofort den viel gepriesenen Strand, laufen dort auf und ab und wundern uns schon, dass außer unserem Kasper kein einziger Hund zu sehen ist. Wir finden aber auch nirgends ein Hundeverbotsschild. Vielleicht ist es in Finnland ungeschriebenes Gesetz, dass Hunde nicht an den Strand dürfen, wir wissen es nicht. Niemand schaut uns dumm an oder mault wegen dem Hund. Junge Leute sind eben toleranter als starrsinnige Alte, das ist klar. Und kontaktfreudig, was vor allem unser Vierbeiner gut findet und sich gerne von den Mädels kraulen lässt.
In der folgenden Nacht wird sicher viel getrunken, das sagt man den Finnen ja nach. Wir können nur insofern darauf schließen, dass am nächsten Morgen kaum ein Mensch zu sehen ist auf diesem gut besetzten Platz. In der Nacht haben wir allerdings nichts davon mitbekommen. Keinerlei Störung, kein Lärm, unglaublich. Ja, es ist nicht zu übersehen, wir sind an der Ostsee und nicht am Mittelmeer ...
Trotzdem verlassen wir diesen Platz und fahren nach einer kurzen Runde durch das wenig attraktive Städtchen Pori an das Ende einer Landzunge nordwestlich der Stadt und dort weiter über eine Brücke zum zweiten empfohlenen CP in dieser Gegend namens Siikaranta. Der kostet wieder die üblichen 20 Euro und bietet alles, was wir brauchen. Der Strandabschnitt beim Platz besteht allerdings aus glatt geschliffenen Granitfelsen, wie eigentlich alle Schärenküsten und ist von einem schmierigen Algenbelag bedeckt. So glatt und rutschig, dass man nach dem Schwimmen nur mit größten Schwierigkeiten wieder aus dem Wasser kommt. Wir probieren es kein zweites Mal. Ansonsten ist es nett hier, der Betreiber unkompliziert, keine Bürokratie wie bei großen Plätzen und wir suchen uns den Stellplatz selber aus, direkt am Wasser natürlich.
Wenn man die Straße hierher bis zum Ende weiter fährt, kommt man nach gut 2 km an ein regional sehr bekanntes Fischrestaurant, das wir natürlich im Auftrag der Gourmetabteilung des Explorer Magazins testen müssen. Wie praktisch überall gibt es auch hier das Büfett mit Selbstbedienung als günstigste Bestellvariante, aber neben Hering und Lachs in allen möglichen Varianten scheint es in Finnland nicht viel Auswahl zu geben. Zu einem Stern im Magazin reicht es deshalb leider nicht.
Und wieder fallen uns die gut gefüllten Teller unserer finnischen Tischnachbarn auf: Wir wundern uns ja schon eine Weile darüber, dass viele Finnen und vor allem junge Frauen enorme Gewichtsprobleme haben. Vielleicht ist das ein Grund: Die allgegenwärtigen Büfetts, die zum hemmungslosen Zuschlagen verleiten ..?
Hier treffe ich übrigens auf einen besonderen Oldtimer, einen Fiat 600. Dieses Fahrzeug in dunkelblau war vor 40 Jahren mein erstes Auto überhaupt und ich wundere mich heute noch darüber, wie wir damit zu dritt und zu viert zum Klettern in die Berge fuhren, Innenraum und Dachträger hoffnungslos vollgestopft und überladen. Eine Erfahrung, die mich danach zum VW-Bus und nun zum Bremach getrieben hat.
Meine Reiseleitung hat Rauma als nächstes Ziel bestimmt, eine der ältesten Städte des Landes mit sehr vielen hübsch restaurierten alten Holzhäusern. Nett gemacht, frische Farben im Stadtbild und sicher lohnender als Pori. Aber auch kein richtiger Knüller und lange bleiben wir deshalb nicht. Uns zieht es zu einem kulturellen Höhepunkt in dieser Gegend, der alten Kirche in Pyhämaa und deren bunten Deckenmalereien. Nur hat die Kirche geschlossen und wir bestaunen eine andere bunte Malerei auf einer Hinweistafel vor der Kirche: Da soll es in der Nähe wohl einen Badestrand geben, den wir bei der Anfahrt nicht sahen.
Aber mit diesem Plan kommen wir letztendlich doch hin an die Stelle und finden einen öffentlichen Strandabschnitt mit Toiletten, einigen Tischen und Bänken für das Picknick und sogar einem Kajaklager, man könnte ein Boot ausleihen. Am Bootshaus und direkt neben den Anlegestellen für die kleinen Ruderboote befindet sich eine eigenartige Anlage aus Edelstahlbottichen und Holzrosten, deren Bedeutung erst klar wird, als ein finnisches Paar von der gegenüberliegenden Insel angerudert kommt und zwei kleine Teppiche darin wäscht und reinigt. Das heißt, die Frau arbeitet an den Teppichen, wässert, schrubbt, spritzt mit dem Wasserschlauch und dreht die Teppiche schließlich durch eine Walze zum Auswringen. Der Herr macht dabei keinen Finger krumm, seine Aufgabe war und ist alleine das Rudern ...
Der Parkplatz hier ist klein, aber ab etwa 18 Uhr werden die Badegäste immer weniger und die paar Autos machen sich vom Acker, sodass wir und ein weiteres Paar aus Südbayern schöne Stellplätze finden zum Übernachten. Die kleine Bucht vor unserem Badestrand beherbergt übrigens einen besonderen Vogel: In Schottland und Schweden musste ich lange suchen nach einem See mit den seltenen Ohrentauchern, doch hier hat ein Paar seine Wurzeln geschlagen. Wenig scheu kommen sie nahe ans Ufer und sind mit dem Fernglas gut zu beobachten. Wir lassen den Tag ruhig ausklingen und nehmen uns vor, gemeinsam mit den Garmischern am nächsten Tag noch einmal zu versuchen, in die alte Kirche hinein zu kommen. (Leider ohne Erfolg).
Uusikaupunki liegt auf unserem weiteren Weg und dort gibt es das "etwas andere technische Museum", das Bonk-Museum. Die Gründer der Firma Bonk haben zahlreiche Erfindungen zusammengetragen und hier ausgestellt, die alle einen Makel haben: sie funktionieren nicht. Das Museum gilt als eine skurrile Attraktion, aber offensichtlich mehr für Finnen als für ausländische Touristen. Jedenfalls sind die Ausstellungsstücke mit Erklärungstafeln nur in finnischer Sprache versehen, nicht einmal englische Texte findet man bei den Exponaten. Wohl erhält man beim Eintritt eine Art Museumsführer in diversen Sprachen, auch in Deutsch. Dieser erklärt aber mehr die Geschichte des Museums und der Familie Bonk als die Wirkungsweise der Ausstellungsstücke. Deshalb kann ich nur nach dem Erscheinungsbild gehen und die sicher lustige Geschichte der einzelnen technischen Geräte erschließt sich mir nicht. Das Bild eines Geräts, das wohl irgendwie mit Atmung zu tun hat, will ich hier zeigen - es gefällt mir am besten ..!
© 2016 Sepp Reithmeier