Di 04.08.98: Weiter bis zum Whisky Trail, Keith
Eigentlich hatten wir ja ganz anders fahren wollen, aber die Pleite von Braemar und der (geglückte ungeplante) Abstecher nach Ballater haben uns etwas vom geplanten Kurs abgebracht. Diesen wieder zu erreichen, gilt es heute morgen und so fahren wir halt anstelle von beschaulichen Nebenstrecken die A97 nach Norden - was soll´s, der Verkehr wird hier halt nicht weniger!
Das Kildrummy Castle ist unser nächstes Ziel, das wir schließlich auch auf anderen Wegen erreichen (N57°13.999´ W002°54.177´). Das im 13. Jahrhundert erbaute Castle gehört angabegemäß zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Festungen Schottlands - klingt irgendwie nicht ganz ernst gemeint in Anbetracht der paar kümmerlichen Mauern und nachträglich wieder aufgebauten Ruinenreste, die der Tourist hier vorfindet.
Die Reste eines hochherrschaftlichen Gemäuers, die hier noch zu sehen sind, lassen kaum erkennen, dass die Burg nach einem ungewöhnlichen, schildförmigen Grundriss erbaut wurde und am Anfang eher weniger Festungscharakter hatte als den des Prunkbaus eines erfolgreichen Geschäftsmannes - so wenigstens haben wir die Geschichten verstanden.
Als die Engländer 1306 Kildrummy belagerten, wurde die Festung von einem Schmied verraten und in Brand gesetzt, die Legende erzählt, er hätte seinen Lohn in Gold nach der Eroberung in die Kehle gegossen bekommen ...
Wie dem auch sei, die Burg widerstand mehreren anderen Belagerungen und wurde schließlich nach der Rebellion von 1715 geschleift, weil sie zu dieser Zeit Hauptquartier der Jakobiten war ...
Es fällt auf, dass auf dem Parkplatz des Castle (wie noch bei vielen anderen Sehenswürdigkeiten) nicht nur vor heftiger Kriminalität gewarnt wird, sondern auch das "Keep left" Zeichen zu sehen ist - was muss hier alles schon passiert sein aufgrund von Touristen, die unter dem Eindruck des Gesehenen in alter Gewohnheit wieder auf die "rechte" Fahrbahn geraten sind!
Jede Menge Sturmschäden sind in der Nähe ebenfalls zu erkennen - auch das Wetter scheint hier trotz (derzeitigem) Dauersonnenscheins ab und zu ernst zu nehmen zu sein ...
Im weiteren Verlauf der Fahrt folgen Nebenstraßen bis in das "Stone Circle"-Gebiet. Allerdings finden wir den Stone Circle nördlich von Inverurie trotz Mithilfe Einheimischer nicht, die sich aber immerhin irgendwie an solche Sehenswürdigkeiten erinnern - einer will aber vor allem wissen, ob der Pickup 4-Wheel-Drive hat! Steinkreise finden wir jedoch trotz akribischer Wegbeschreibungen nicht, irgendwie wundern wir uns nicht darüber - Hauptsache, die Landschaft stimmt!
Wir erreichen das Gebiet der Pikten-Steine, Zeugnisse eines Kulturvolkes, das vom 4. bis 9. Jahrhundert in diesem Gebiet gelebt haben soll. Die Pikten wurden von den vorrückenden Schotten letztlich besiegt und eingegliedert und hinterließen viele Symbole, die heute Archäologen und Historiker fasziniert.
Die wichtigsten Überbleibsel ihrer Kultur sind die Symbolsteine, die z.T. immer noch an ihren ursprünglichen Orten stehen und viele Fragen offen lassen. Ob diese Symbole nun Grenzen kennzeichnen, Abstammungen, Bündnisse oder Machtverhältnisse der Pikten, weiß heute letztlich keiner so genau - unser erstes Ziel, der "Maiden Stone" (N57°18.73´ W002°29.62´) zeigt aber auf jeden Fall einen Kamm und einen Spiegel, das können wir bezeugen!
Der rote Granit-Monolith aus dem 9. Jahrhundert soll vor allem dann besonders beeindrucken, wenn von der Seite einfallendes Licht den eigenartigen "piktischen Elefanten" hervortreten lässt ...
Der Picardy Stone (N57°21.67´ W002°38.99´) in der Nähe von Largie (auch noch im Gebiet der A96) steht als vergängliches Beispiel der Pikten-Steine als nächstes auf dem Programm - allerdings erweist sich dieser als so winzig, dass man es kaum glauben mag: War das wirklich ein wichtiger Markierungsstein oder ähnliches?
Traumhafte Buchenalleen umgeben diesen Ort - und Landschaft satt bis zur einsamen Turmruine am Horizont ... aber Unmengen überfahrener Kaninchen, einige platte Igel und auch Vögel warten hier erneut auf der Straße auf uns - irgendwie barbarisch ist hier wieder mal der Eindruck, der bleibt. Unser GPS 12XL bewährt sich dagegen in diesen Baumalleen sehr gut, das GPS 45XL hätte wohl deutlich geringere Chancen hier, sehr viel "poor GPS coverage" wäre vermutlich zu erwarten!
Weiter entlang der A96 nordwestlich Richtung Keith, dem Ziel unserer heutigen Tagesetappe. Ein mehr als hässlicher Unfall vor Keith unterstreicht wie schon vorher die platten Kaninchen die barbarische Atmosphäre: Fetzen eines PKW und ein umgestürzter Discovery neben der Straße. Das auf freier Strecke - deutlich wird hier wieder mal wie so oft auf dieser Tour, dass auch ungeeignete Straßen viel zu häufig als Autobahnersatz genutzt werden ...
Wir erreichen Keith, das mit zu Schottlands "goldenem Dreieck" gehört und auf Besichtigung und kostenlose Erprobung seines "Whiskydrinks" wartet: Als Bestandteil des "Whisky Trails" ist hier eine der wichtigsten Destillerien zu Hause: die Strathisla als "Home and Heart of Chivas Regal", einem der bekanntesten schottischen Whiskys.
Der Campingplatz von Keith, heute kein Ziel einer "geführten" Whisky-Trail-Hochland-Tour, ist nahezu leer. Die Distillerie erreichen wir am Abend nicht mehr, wenn auch der Fußweg zumindest versucht, dann aber abgebrochen wird - Morgen ist auch noch ein Tag!
Die Einkaufsstraße von Keith ist dagegen beeindruckend, aber auch hier finden wir keinen Ersatz für die abgebrochene Wandhalterung der Maglite - dagegen stoßen wir auf einen Ladeninhaber, der nun wirklich nicht mehr Englisch antwortet auf unsere Frage: "Nei han" ist unter anderem aus seiner Erwiderung herauszuhören - "gälischer" geht´s nicht mehr!
Als Entschädigung haben wir einen "Hauspub" am Ende der Straße vor dem Campingplatz, auch hier wie bereits in den Geschäften und auf der Straße überall auffallend freundliche Leute und noch etwas: Sowohl Camping, Einkauf bei "gateway" als auch das Bier in diesem abendlichen Pub sind bisher bei weitem am billigsten seit Beginn der Tour!
Die Klagen über das Wetter, die wir überall von den Einheimischen zu hören bekommen, scheinen irgendwie dazuzugehören: Auch die Platzwartin jammert und meint, sie würde depressiv, obwohl wir selbst das Wetter (abgesehen von ein paar Schauern) als optimal empfinden. Der Sturm abends und in der Nacht, der wieder mal den Explorer zum Rütteln bringt, zeigt allerdings, dass alles Wetterempfinden relativ ist ...
© Text/Bilder 1998-2002 J. de Haas