Das Winter Offroad-Abenteuer ...

Wir starten in der Stadt Dobra in Westpommern, begleitet von Regen und Schnee. Norbert - unser Führer - versichert uns, dass wir überwiegend "touristisch" fahren würden. Was allerdings bei ihm "touristisch" bedeutet, zeigt sich schon am ersten Tag ...

Nach ein paar Kilometern stehen wir am Ufer eines Flusses. Die nasse Probe, auf die hier die durchfahrenden Fahrzeuge gestellt werden, besteht der bei uns mitfahrende Nissan Pickup nicht. Das Auto bleibt ziemlich in der Mitte im Wasser stecken und nichts geht mehr.

Die schnelle Hilfe anderer Besatzungen ermöglicht es uns jedoch, bald weiter zu fahren. Schon am Nachmittag erreichen wir unsere ersten Ziele: Die zerstörten Bunker der so genannten "Pommernstellung".

Wir stellen unsere Fahrzeuge ab und machen uns mit Taschenlampen und Seilen auf in die uns unbekannte Tiefe. Der Teamgeist wird sofort geweckt, als einer der vielen Korridore plötzlich mit einer großen "Lücke" im Verlauf endet - die Teilnehmer werden von den stärksten der Gruppe an einem Seil in ein darüber liegendes höheres "Stockwerk" der Bunkeranlage hochgezogen ...

Die so genannte Pommernstellung ist ein System von Bunkern, Schleusen, Stauwehren usw., das noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieg in Pommern gebaut wurde. Besonders interessant erscheint uns heute, wie man die natürlichen Bedingungen des umgebenden Geländes zur Verteidigung benutzte. So gab es z.B. Schleusen, die Wasser in Flüssen und Seen so hoch stauen konnten, dass die Bunker von der Welt abgeschnitten und so geschützt blieben ...

Wir übernachten in der Stadt Borne Sulinowo (Groß Born), die bis 1995 auf polnischen Karten nicht eingezeichnet ist. Sulinowo war eine geschlossene und für die Öffentlichkeit nicht zugängliche Stadt, in der russische Truppen stationiert wurden.

Aus dieser Stadt heraus fahren wir weiter zur Basis der ehemaligen russischen Atomabschussrampen. Die riesigen, im Wald versteckten zylindrischen Bunker machen einen großen Eindruck auf uns ...

Waldwege führen uns nun weiter zu einem Truppenübungsplatz. Bevor wir ihn erreichen, müssen wir uns über eine dicke Eisscholle hinweg auf dem Fluss einen Übergang bahnen. Besonders hart kämpft dabei natürlich unser Führungsfahrzeug, der LR 109 - nach einigen Versuchen findet sich auch für den Rest der Gruppe ein Weg durch den Fluss.


Weiße Panzerattrappen, auf die wir bereits nach kurzer Zeit treffen und die so etwas wie Luftwaffen-Ziele darstellen, machen uns viel Spaß, während wir hier für unseren "Expeditions-Fotografen" posieren ...

Gegen Ende des Tages besuchen wir noch den größten Komplex der berühmten "Pommernstellung". Hier, ein paar Meter unter der Erde innerhalb eines Hügels, wandern wir durch das unüberschaubare Labyrinth der Korridore. 

Es gibt hier Stellen, an denen wir auf allen vieren kriechen und auch darauf achten müssen, keine schlafenden Fledermäuse mit unseren Köpfen von der Decke zu reißen. Die Tiere wirken hier auf uns wie unter der Decke hängende Weintrauben - wir fühlen uns nicht nur an dieser Stelle wie die Entdecker!

Auch während des dritten und vierten Tags bewegen wir uns im Gebiet des riesigen Ostwallsystems. Viele Kilometer der unterirdischen Korridore besichtigen wir im Schein unserer Taschenlampen. Große Säle, Bahnhöfe, Gleise und trotz allem frische Luft - dies alles tief unter der Erde macht auf uns einen einen gewaltigen Eindruck! In der Nacht streifen wir mit einem einheimischen Bauern durch die nahe liegenden Wälder. Hier, in der Nähe von Miedzyrzecz (Meseritz in der ehemaligen Ostmark), kann man faszinierende Objekte finden und auch die Einwohner erzählen geheimnisvolle Geschichten ...

Unter der Erde finden in diesem Gebiet Tausende von Fledermäusen einen ruhigen Platz - da es sich hier um ein Schutzgebiet handelt, wird ihnen der Winterschlaf an dieser Stelle leicht gemacht.

Unsere Fahrzeuge tauchen nun ab in den allgegenwärtigen Matsch. Am Morgen fällt es uns fast schwer, die Autos unter der dicken Schlammschicht zu erkennen. Wir fahren weiter in die Richtung Süden. In Verlauf endloser Wälder finden wir noch einen Bunker - diesmal das Hauptquartier der ehemaligen Führung der in Polen stationierten russischen Armee ...


Vor uns erstrecken sich wieder lange unterirdische Korridore und große Säle des Hauptquartiers. Heute steht der Komplex leer, bewohnt ist er nur noch von Fledermäusen - wahrhaft angenehmere als die früheren Gäste! Es ist schwer zu glauben, dass nur wenige Polen vor zehn Jahren gewusst haben sollen, was man hier in unseren Wäldern versteckt hatte ...

Die letzten Tage unserer geheimnisvollen Reise verbringen wir im Eulengebirge im Südwesten Polens, wo wir diesmal die unterirdischen Objekte des Komplexes "Riese" besichtigen. Das ganze Eulengebirge wird von endlos langen Korridoren durchschnitten. Bis heute streiten die Historiker, zu welchem Zweck der Komplex tatsächlich gebaut wurde, warum Zeugen beseitigt wurden, was für ein Geheimnis unter der Erde versteckt wurde. Baute man hier ein neues Hitler-Hauptquartier? Vielleicht auch ein Laboratorium für eine neue Wunderwaffe? Jeder von uns hat eigene Antwort, jeder eine eigene Meinung ...

 

Und das Fazit unserer Tour? Überall auf der Reise hatten wir gute Offroad-Strecken, Erlebnisse außerhalb der traditionellen touristischen Wege, Schönheit der Natur und das, was für alle Teilnehmer am wichtigsten war - das Abenteuer!

Gemeinsame Entdeckungen während unserer Tour durch geheimnisvolle Landschaften halfen nicht zuletzt viele Freundschaften anzuknüpfen - noch spät in der Nacht konnte man polnisch-englisch-deutsche Gespräche hören ...

Und deshalb werden wir es wieder machen! Vermutlich bereits im Juli und dann wieder im Herbst werden wir uns erneut aufmachen - zu den nächsten Abenteuer-Offroad-Fahrten zu den Spuren der ehemaligen Bunker und Befestigungen ...         


© Text 2000 Lucyna Cywka, Bilder: Wojciech Kossecki