Entlang der Bucht von Riga ...
Nur ein paar Kilometer von unserem "wilden" Waldcamp entfernt kommen wir am Morgen in Lettland an - nicht dass wir irgendwo ein Grenzschild gesehen oder gar ein Erlebnis wie vor 10 Jahren an der Grenze gehabt hätten: An das damalige "You must go back to Estonia!" des strengen lettischen Zöllners nach der zu schnellen Grenzüberschreitung bei unserer Tour Baltikum 04 erinnern wir uns noch bestens ...
Mittlerweile handelt es sich aber auch in dieser Weltgegend um eine "echte" Schengengrenze und wir merken erst, dass wir in Lettland sind, als wir uns während der Fahrt umschauen: Die Straßen haben sich verändert, auch die Häuser - alles wirkt irgendwie anders, irgendwie etwas ärmlicher als im benachbarten Estland.
Man gewöhnt sich allerdings schnell an die neuen Anblicke und an die vom Zustand her etwas anspruchsvolleren Straßen, die häufiger als bisher in dieser Gegend mit kleineren Schlaglöchern aufwarten.
Unser heutiges Ziel ist das Camp Klintis, wo wir auch die zweite Euro-Tour unserer diesjährigen Baltikumtour machen wollen. Die rund 60 km lange Anfahrt verläuft problemlos, beim letzten Stück handelt es sich um eine recht idyllische Piste, auf der uns auch bereits ein deutscher Campingbus entgegen kommt.
Wie schon im Bericht der Euro-Tour beschrieben, sind die ersten Eindrücke des Camps zunächst allerdings zwiespältig und die gelb bewesteten Beschäftigten dort vermitteln eher den Eindruck, auf einem stark frequentierten Messeparkplatz anzukommen, was auf die nahe Touristenattraktion hinweist. Auch das Gefühl einer Art "postsozialistischen Gängelei", bis wir endlich unseren Stellplatz belegen können, sei an dieser Stelle nochmals erwähnt.
Der Platzbetreiber Sergej schließlich erweist sich wie ebenfalls geschildert als äußerst angenehm und auskunftsfreudig. Als wir uns schließlich am Abend den von ihm geschenkten Fisch schmecken lassen, sind wir insgesamt doch sehr positiv überrascht vom Tagesverlauf. Der wunderbar am Meer gelegene Platz mit seiner besonderen Attraktion, den "Vetszemyu Rocks", einer Hunderte von Metern langen Sandsteinformation, hat viel Positives für den Camper zu bieten. Die Felsen, einst Drehort von Szenen lettischer Spielfilme wie "The Night Without Birds" und "The Long Road in the Dunes", erweisen sich tagsüber von der Besucherzahl her als echte Touristenattraktion ...
Was sich gegen Abend als sehr viel weniger attraktiv erweist, ist das Wetter, das sich auch heute wieder über uns zusammenbraut: Dunkle Gewitterwolken und aufkommende Sturmböen lassen bei uns am 23.08. an unserem recht ungeschützten "Luxus"-Stellplatz, den uns Sergej als besonderes Entgegenkommen zugewiesen hatte, keine rechte Freude aufkommen. Während des Gewitters ergießt sich ein Starkregen über uns und während Blitze unaufhörlich die Nacht erhellen, kommt auch in unserem "OZtent-Pavillion" keine wahre Freude auf ...
Während der Nacht beruhigt sich zwar das Wettergeschehen, aber irgendwie ist noch eine gewisse Unruhe zu spüren, da man nicht weiß, wie es weiter geht: Obwohl wir Sergej mitgeteilt hatten, bei ihm einen Ruhetag zu verbringen, fällt noch bei Dunkelheit die Entscheidung, sofort ab- und aufzubrechen.
Noch im Dunkeln beginnen wir also unsere Sachen zusammenzupacken, hilfreich dafür unser Stellplatz mit benachbarten überdachten Holzbänken. Es ist noch vor 6:00 Uhr morgens, als wir fertig sind zum Aufbruch: Eine Verabschiedung von Sergej ist um diese Zeit und in Anbetracht unseres Spontanaufbruchs leider nicht mehr möglich ...
Wir verlassen das frühmorgendliche Camp und rollen über leere Pisten zurück in Richtung Hauptstraße, die uns nun direkt nach Riga führen soll. Da wir mittlerweile unseren Plan gemäß Roadbook wieder eingeholt haben, wollen wir bei nächster "schöner" Gelegenheit wieder Halt machen - und warum nicht auch einmal in Riga?
Es ist gerade mal 7:00 Uhr am Morgen, als wir nach teils dichtem Nebel und über recht leere Straßen schließlich die lettische Hauptstadt erreichen: Als sich der erste Schock gelegt hat, sind wir froh, dass es noch derart früh und heute Sonntag ist - während der Woche wäre es erheblich unangenehmer geworden! Unschöne Straßenverhältnisse erwarten uns auf der Route durch die Hauptstadt, löchriger Straßenbelag, holprigstes Kopfsteinpflaster. Dazu Dauerrotphasen und echte rote Welle trotz der frühen sonntäglichen Morgenstunden mit wenig Verkehr. Oft auch etwas abgewirtschaftete Fußgänger, denen man deutlich ansieht, dass sie zum großen Teil noch von der Vornacht übriggeblieben sind - insgesamt kein Ort, der uns heute irgendwie zum Verweilen einlädt.
Nur raus hier lautet die Devise an Bord, bevor noch die Stadt zur Hälfte durchquert ist, doch ein Versuch soll noch folgen: In der Stadt gibt es nicht nur einen Campingplatz, sondern ein "Riverside" Flusscamping und noch ein weiterer Platz in unmittelbarer Nähe - vielleicht ein Ort, wo es sich zu bleiben lohnt für eine weitere Erkundung der Hauptstadt ..?
Als wir den "unterirdischen" Betonkai des Flusscampings vor uns haben, auf dem nebeneinander aufgereiht ein paar wenige Fahrzeuige parken, wird enmdgültig klar: Kein Ort für uns und weiter! Vom Camp Klintis auf der einen nach Engure auf der anderen Seite der Bucht von Riga, wo das Roadbook den nächsten Halt vorgesehen hat, sind es zwar insgesamt mehr als 160 km, aber auf der restlichen Strecke bis dahin sollte schon noch etwas anderes Nettes zu finden sein, oder ..?
Wir sind endlich raus aus Riga, das Wetter hat sich deutlich gebessert, aber noch sind überall Spuren der Starkregengüsse in der letzten Nacht zu sehen, als wir verschiedene Plätze ansteuern, die vielleicht für eine Übernachtung in Frage kommen. Doch dieser frühe Sonntagmorgen meint es nicht allzu gut mit uns: Auf dem einen oder anderen nasskalten Platz sind noch die letzten Durchfeierer der Samstagnacht am Zusammenpacken, das Sauwetter dabei hat offensichtlich kaum gestört. Aber hier bleiben ..? Wir fahren weiter und können es kaum glauben: Der erste Platz, der uns tatsächlich zusagt, liegt in Engure und ist derjenige aus unserem Roadbook - wenn das keine hervorragende Planung ist, was dann ..?!
Kempings Abragciems in Engure scheint zwar auch so etwas wie den schon erwähnten "postsozialistischen Charme" zu verströmen, viel Russisches ist auch hier zu hören, aber der Platz mit heute nur wenigen Gästen liegt äußerst idyllisch an der Bucht von Riga: Wir wählen unseren Stellplatz so aus, dass wir von hinten durch den Wald windgeschützt sind und nach vorn über den schönen Sandstrand auf die Bucht schauen können, wo wir zwar heute nicht viel mehr als 13°C haben, dafür aber wieder strahlenden Sonnenschein ...
Am Platz gibt es ein kleines Restaurant, wo man sich vorher am Tresen erklären lassen kann, was es gibt, falls man nicht etwas ganz bestimmtes bestellt, z.B. ganz einfach ein Frühstück mit Eiern und Speck, das wir ausnahmsweise heute mal nicht an Bord genießen wollen.
Das Frühstück schmeckt, das WLAN im Camp funktioniert tatsächlich auch und so ist schon bald ein Platz gefunden, wo man am nächsten Tag, der nun als Ruhetag wirklich verdient erscheint, bei einem schönen lettischen Bier in aller Ruhe die Digitalausgabe der SZ lesen will - was will man mehr ..?
Der Sonntag vergeht wie im Fluge und der folgende Ruhe-Montag zeigt schon wieder ein anderes Gesicht: Ja, haben wir eigentlich Aprilwetter oder funktioniert "Explorer Suntours" nicht mehr? Es schüttet zwischendurch wieder ausgiebig und der Restaurantbesuch im Camp erfolgt "indoor" - morgen geht´s weiter landeinwärts und morgen ist sicher wieder alles ganz anders ..!
© 2015 J. de Haas