Etappe 1: Auf zum Angel Lake ...
Freitag, 07.07.06
Nachdem wir gestern die Rucksäcke und Tonnen bepackt und zum ersten mal die vollen 38 kg gesehen und gespürt haben, geht es heute los in Richtung Mayo, gemeinsam mit dem langen Japaner vom Youthhostel in Whitehorse. Die Rucksäcke sind sehr schwer und mit der Leichtigkeit der Tour ist es nicht mehr weit her - alles scheint etwas schwieriger zu werden als geplant.
Bei der Fahrt nach Mayo achten wir ständig auf die Baumgrenze auf den Hügeln und Bergen und auch die Dichte des Waldes beschäftigt uns: Die Baumgrenze ist zumeist nicht vorhanden und der Wald so dicht, dass man froh sein muss, wenn man überhaupt ohne Rucksack durchkommt, was ein Problem für unser Vorhaben darstellen könnte ...
Nachdem wir den Ausgangspunkt schon vom Missfortune zum Bonnet Plume Lake verlegt haben, werden nun noch weitere Änderungsvorschläge diskutiert: Wir wollen versuchen, den dichten Wald zu vermeiden und vielleicht auch die Rucksäcke leichter zu machen, deshalb heißt es auch die Karten noch einmal durchzugehen. Eingekauft und gegessen hatten wir bereits vorher in Mayo, das einzige Restaurant dort ist wie es scheint ein Chinese - sehr unerwartet!
Die Prüfung der Karten ergibt, dass die zweite Etappe ab dem Angel Lake ok zu sein scheint, ganz so wie sie geplant worden war. Bei der ersten Etappe allerdings ist ein großes Waldgebiet eingezeichnet und deshalb werden wir mit dem Piloten morgen klären, was wir tun können und wie dicht der Wald tatsächlich ist. Wir haben mehrere Varianten vorbereitet vom Start am Bonnet Plume Lake, über die Flusslandung am Weg bis hin zur Landung am Angel Lake. Wir werden noch früh genug erfahren, wie es wird ....
Als wir uns später an unsere Brotzeit machen, stellen wir fest, dass um uns herum plötzlich extrem viele Moskitos unterwegs sind - schon nach kurzer Zeit flüchten wir mit unseren Bieren in ein Partyzelt mit Moskitonetz.
Auch wenn ich mir dabei etwas blöd vorkomme, aber uns bleibt keine Wahl: Die Viecher sind wirklich extrem, ich hoffe nur, das wird später besser, denn hier ist es katastrophal. Als wir ins Bett gehen, schwirren bereits Hunderte ums Zelt herum - da es unmöglich war, sie alle abzuwehren, höre ich auch jetzt während des Schreibens ständig ihr aufdringliches Summen durch das ganze Zelt ...
Samstag, 08.07.06
Heute morgen sind wir noch einmal nach Mayo gegangen, um uns das Dorf genauer anzusehen und einen Weg zu finden, unsere Sachen von hier aus nach Whitehorse zu bringen. Bei der Post fragen wir nach, wieviel ein 20 kg Paket kostet.
In einem Geschäft wollen wir eine passende Schachtel kaufen, aber es gibt hier keine heute morgen. Wieder zurück im Postamt fragen wir nach, was der Transport einer Tonne kosten würde, die wir schließlich ergattern. Die ist jedoch zu groß für die Post und deshalb gilt es, nach anderen Transportmöglichkeiten zu suchen: Wir finden schließlich ein Frachtunternehmen, das bereit ist, diese Tonne für uns zu transportieren.
Nach diesen Organisationsarbeiten landen wir wieder mal beim Chinesen, um da "lecker Burger" zu essen. Chrisie beginnt sich schon auf Land und Leute einzustellen: Er ist ganz heiß auf die Cola, die dazu serviert wird ...
Nach dem Essen und heftigem Verdauen geht es zurück zum Campingplatz und mit Richard, dem Piloten, wird die Route durchgesprochen: Weil er am Bonnet Plume River nicht landen kann, werden wir zum Rakla Lake fliegen und von da aus in Richtung Norden gehen, das sollte uns eine Ersparnis von etwa 8 Tagen bringen.
Richard überrascht uns damit, dass wir vielleicht noch an diesem Abend fliegen könnten und so machen wir uns unverzüglich daran, unsere Tonne mit den Dingen zu beladen, die wir nicht mitnehmen können, um Gewicht und Platz zu sparen. Solche Sachen sind z.B. alle Bücher, aber auch der der Leatherman, ein Topfdeckel, die Zeltunterlagen ...
Während des Packens, das wegen der Moskitos im Partyzelt stattfindet, gehe ich auch noch einmal zurück zu meinem Zelt, um dort die Nähte zu silikonieren: Hier überfallen sie mich die Viecher in dichten Schwärmen, es ist nicht auszuhalten. Immer wieder muss ich Pausen einlegen und weggehen, um nicht völlig durchzudrehen - es ist wirklich katastrophal!
Nachdem wir das Packen mehr oder weniger beendet haben, geht es noch einmal nach Mayo hinein: Um beim Chinesen erneut einen letzten Burger vor dem Abflug zu essen - so schnell werden wir danach keine mehr bekommen! Plötzlich steht Pilot Richard ebenfalls im Raum und überrascht uns mit der Nachricht, dass der Flug auf den nächsten Morgen verschoben werden muss: Das Wetter an unserem Ziel im Norden ist nicht gut genug, um sofort starten zu können.
Der Burger macht seinen letzten Weg zu unserem Campingplatz, wir wollen noch die Rucksäcke wiegen, um herauszufinden, wer was zu tragen hat. Derzeit wiegen sie (ohne Zelt, Schlafsack und Matte) etwa 23 kg, also komplett dann etwa 26 kg, was deutlich besser ist, als die anfangs geschätzten 38 kg.
Die Lage an der "Moskitofront" ist nun bereits derart schlecht, dass wir beide der Meinung sind, ab sofort nur noch mit Netz, Vollkörperkleidung und Handschuhen im Freien sein zu können, sobald wir anhalten - hoffentlich wird es im Gebirge besser, es wäre schon toll, wenigstens ab und zu mal wieder frei in der Landschaft sitzen zu können ...
Richard wird morgen früh um 6 Uhr aufstehen und sehen, wie das Wetter ist; sollte es passen, wird er uns wecken und wir können dann etwa gegen 7 Uhr losfliegen - ich bin schon so gespannt!
Sonntag, 09.07.06
(Wegstrecke -Luftlinie-: 10 km, Zeit unterwegs: 8 h 30 min)
Das erste, was ich heute morgen um 6 Uhr höre als ich aufwache, ist Regen - also vorerst wohl kein Aufbruch zum See. Ich schlafe wieder ein und werde um 8 Uhr überraschend von Richard geweckt: Wir sollen uns daran machen, unsere Sachen zu packen und sie zum Flugzeug bringen - wir werden fliegen!
Bereits gegen 8:30 Uhr starten wir in Richtung Rackla Lake: Der Flug ist atemberaubend schön, man hätte ununterbrochen Fotos machen können. Nach gut einer Stunde landen wir schließlich am Rackla Lake, wir bringen unsere Rucksäcke an Land und verabschieden uns von dem Piloten - voraussichtlich werden wir in den nächsten 35 Tagen keine anderen Menschen mehr sehen ...
Wir verfolgen den Start der Maschine, die uns hier in der Einsamkeit zurücklässt; Richard wird nun unseren Proviant für die zweite Etappe zum Angel Lake fliegen.
Es ist Zeit, unsere erste Etappe in Angriff zu nehmen: Erstaunlicherweise erweist sich der Untergrund viel besser als erwartet und so geht es eigentlich gleich recht zügig dahin. Da wir noch nicht sicher sind, welche Route wir einschlagen sollen, steigen wir nach einiger Zeit auf eine Hügelkette hinauf, um zur anderen Seite sehen zu können und zu entscheiden, was wir nun machen. Unser Anstieg erweist sich jedoch als überaus anstrengend mit den schweren Rucksäcken, da wir den gesamten Bergrücken erklimmen müssen.
Oben angelangt müssen wir zu unserer Enttäuschung feststellen, dass die Route, die wir eigentlich gehen wollten, von ziemlich hohen Bergen umgeben ist, in die wir dann wohl ebenfalls gehen müssten. Spontan entscheiden wir uns deshalb, nun doch Richtung Westen zu laufen und dort dann ein Tal nach Norden zu nehmen, das uns über einen leichteren Pass zum Gillespie Lake führen soll ...
Auch später, als wir von dem wunderbaren Grat wieder herunter sind (die Aussicht war unglaublich) geht es relativ gut dahin und im Tal stoßen wir zu unserer Freude auch kaum auf sumpfige Stellen, nur die Moskitos sind auch am ganzen heutigen Tag eine Plage. Zumeist tragen wir deshalb Netze, was ihnen nur noch die Hände als Angriffsflächen lässt, in die sie dann auch gerne stechen, bis wir endlich zum Moskitospray greifen, worauf kurzzeitig Ruhe einkehrt ...
Unser Lager (Camp 1) schlagen wir etwa nach 10 km Luftlinie gegen 19:00 Uhr wie geplant an einem Bach auf, wo wir Feuer machen und Beef Stroganoff essen, das leider etwas zu flüssig gerät. Nachdem wir noch die Tagesration Snacks (Müsliriegel, Schoko und Erdnüsse) gegessen haben, verteilen wir unsere Essensvorräte in Drybags und die Rucksäcke rund ums Lager, um zu verhindern, dass alles von Tieren angenagt wird. Ich bin schon gespannt, was morgen früh noch da ist - hoffentlich alles ...
Montag, 10.07.06
(Wegstrecke: 12 km, Zeit unterwegs: 9 h)
Gegen 8:00 Uhr heißt es aufstehen und mit dem Packen anzufangen. Nach einem deftigem Haferflockenfrühstück starten wir um etwa 10 Uhr zur zweiten Etappe unserer Wanderung. Anfangs folgen wir einige Zeit dem Fluss - der Weg ist gut zu gehen und auch das Wetter spielt mit: es ist sehr schön heute morgen.
Am Fluss machen wir dann auch unsere erste Rast, nachdem wir zuvor ein ausgedehntes Waldbrandfeld durchquert haben.
An unserem Rastplatz ist es derart gemütlich, dass es gar nicht so einfach ist, schließlich wieder weiter zu gehen. Nach etwa einer halben Stunde brechen wir dann doch wieder auf und folgen weiter dem Brandfeld: Es ist auch dort eigentlich ganz gut zu gehen, nur gelegentlich müssen wir Bäumen ausweichen oder sie überklettern. Alles in allem kommen wir gut voran und sind guter Dinge, da das Gehen Spaß macht und wunderschöne Ausblicke bietet. Auch ein Sumpffeld, das wir überqueren müssen, erweist sich als sehr beeindruckend ...
Etwa gegen Ende dieses angenehmen Wanderabschnittes ist dann kein Waldbrandfeld mehr da und der Unterbewuchs schon stark, doch auch dort gibt es noch feine Dinge, so zum Beispiel einen wundervollen Bach, an dem wir gerne geblieben wären, falls es denn schon das Ende der Etappe gewesen wäre.
Doch leider müssen wir diesen Bach sofort überqueren und unseren Weg weiter fortsetzen, um auf die geplanten 10 Tageskilometer zu kommen.
Der Weg wird immer beschwerlicher und es sind jede Menge Büsche vorhanden, die das Vorankommen schwieriger machen und uns auch immer wieder zwingen, nach Umwegen zu suchen. Dieses Dickicht verfolgt uns leider bis zum Ende der Tagesetappe und lässt die Moral etwas sinken. Auch das Camp (Camp 2) erscheint uns nicht besonders toll, mitten im Dickicht neben einem eher kleinen Bach.
Nach der Ankunft nimmt Chrisie gleich ein "ausgiebiges" Bad von weniger als 2 Minuten, da das Wasser anscheinend doch deutlich kälter ist als erwartet ... Ich mache mich daran, den Teig für unser Brot vorzubereiten, um ihn etwas gehen zu lassen. Das Mehl mit Hefe drinnen, das wir aus Österreich mitgebracht haben, erweist sich eher als Flop, da der Teig nicht aufgeht und so essen wir mehr oder weniger Fladenbrot mit Saucen, was dennoch aber sehr gut ankommt nach dem heutigen Tag.
Nach dem Essen sind wir nicht mehr sonderlich motiviert, irgend etwas zu tun und so ist der Tag dann "gelaufen", nachdem wir noch das Essen verpackt und die Rucksäcke verstaut haben - wir verschwinden etwa gegen 22 Uhr in unseren Zelten.
Morgen früh soll es dann wieder um 8 Uhr losgehen und: hoffentlich mit weniger Gestrüpp!
© 2007 Richard Schuster