"Essig Hügel" und Überflutungsgebiet
Dienstag, 12. November: Mit fast 140 km Länge erwartet uns eine mittlerweile schon fast "lange" Tagesetappe. Auf vergleichsweise kleinen Inseln kann man sich sehr schnell daran gewöhnen, täglich nur kurz im Auto zu sitzen, um dann am Zielort umso mehr zu entspannen und die Landschaft auf sich wirken zu lassen.
Unterwegs müssen wir schon bald nach dem Verlassen der einsamen Gegend von Pipiriki mal wieder einkaufen gehen: Das soll in Ohakune geschehen, der "Karottenhauptstadt" Neuseelands. Die wird so genannt, weil sie für ihren Gemüseanbau bekannt ist, jedes Jahr ein buntes "Karotten-Festival" feiert und auch am Orteingang eine 10 Meter hohe Karotte die Besucher begrüßt.
Im "New World Ohakune" können alle nötigen Einkäufe getätigt werden, der Fahrer bleibt diesmal am Parkplatz, um noch einiges umzuräumen. Er hat dabei Gelegenheit, die Nachrichten des Tages zu hören, die diesmal mit einer ganz bedeutenden Schlagzeile beginnen: In Kürze wird Prinz Charles samt seiner Camilla Neuseeland besuchen und dabei auch die Leistungen von neuseeländischen Weltkriegsveteranen würdigen. Wenn das keine Topnachricht ist, was dann - wir sind offenbar mit unserer Reise auf der Höhe der Zeit und des Geschehens ..!
Wieder ausreichend gerüstet für spannende einflammige Kochabenteuer im heimischen Camper können wir unsere Fahrt fortsetzen, der Weg führt über den State Highway 1 weiter nach Süden - wir kommen durch "Westerndörfer" wie Taihape und andere, Ziel heute ist ein ehemaliges Überflutungsgebiet, was aber über einen schönen öffentlichen Campground verfügen soll.
Das ist der Vinegar Hill Camp Ground in Ohingaiti, der auch über Toiletten und Wasser verfügt. Zur Entstehung des doch auffallenden Namens vom hier befindlichen Hügel gibt es unterschiedliche Ansichten. Eine der Theorien führt direkt nach Irland (wer hätte das gedacht! ), woher auch etliche Ortsnamen in Neuseeland stammen (einen davon werden wir noch auf der Südinsel besuchen). In diesem Fall wäre es die Erinnerung an die gleichnamige Schlacht von Vinegar Hill, die am Ende des 18. Jahrhunderts im Rahmen der irischen Rebellion gegen die Briten bei Enniscorthy im County Wexford stattfand und ein berühmtes Ereignis in der irischen Geschichte darstellt.
Andere Recherchen in alten Quellen haben allerdings ergeben, dass in der frühen Kolonialzeit hier ein Ochsenfuhrwerk mit Essigfässern einen Unfall hatte und der ganze Hügel mit Essig getränkt wurde. Aber selbst wenn das zutreffen sollte, brauchen wir uns trotz ausgeprägter Essig-Abneigung keine Sorgen zu machen: Der Essiggeruch ist wohl mittlerweile verschwunden ...
Der Campingplatz liegt in einer Schleife des Rangitikei River, im Jahr 2004 wurde die Region und auch der Platz überflutet mit gewaltigen Schäden. Die Sanitäreinrichtungen mussten seinerzeit neu gebaut werden. Ebenfalls berühmt ist das Camp für seine Treffen von Lesben und Schwulen, die hier im Hochsommer Weihnachten und Sylvester feiern - wann sonst?!
Wir erreichen das kostenlose Camp über eine Zufahrtsstraße, die von der Hauptstraße 1 in südöstlicher Richtung abzweigt. Eine weite Rasenfläche erwartet uns, die vorsichtshalber mit "Untersetzung", sprich niedrigstem Automatikgang gefahren wird, bis das Flussufer erreicht ist, wo ein schöner Stellplatz wartet. Zugegeben, der Blick auf den Fluss, der sich hier entlang schlängelt, erfolgt mit mehr oder weniger gemischten Gefühlen, vor allem dann, wenn man die Warnschilder an der Toilettenanlage gelesen hat: Die Warnsirene und Warnblinklichter, die hier aufgestellt sind, werden von einem automatischen Flutwarnsystem ausgelöst, aufgrund dessen man dann "in Ruhe" den Platz evakuieren soll ...
Heute aber bestehen mit Sicherheit keine Gefahren, so dass der malerische Stellplatz an der Baumgruppe am Fluss mit Sicherheit kein Risiko darstellt - man muss schließlich wirklich nicht alles haben!
Ein ausführlicher Rundgang an diesem idyllischen Platz führt hinunter an steile Felswände mit auffälliger Struktur, die am Fluss aufragen und dem Platz eine ganz spezielle Atmosphäre verleihen. Hier zeigt sich auch, dass es selbst in Neuseeland "Umweltschweine" gibt. Da dieser Platz öffentlich zugänglich ist, treffen sich hier auch wohl schon mal Gruppen, die sich in dieser idyllischen Umgebung am Fluss einfach nur besaufen wollen: Leere Flaschen und andere Überreste von diversen Gelagen sind hier leider zu finden, wenn auch nur in geringem Umfang, verglichen mit ähnlichen Orten in der europäischen "Heimat" ...
Ausführliche "Unterhaltung" gibt es wieder mit der auch hier unvergleichlichen Vogelwelt: Besonders auffallend unten am Fluss ein Vogel, der es tatsächlich schafft, die Geräuschkulisse einer " Metallwerkstatt" zu erzeugen, wenn man mit ihm durch amateurhafte "Zwitscherversuche" zu kommunizieren versucht ...
Auch um unseren Camper herum haben wir es mit Vogelbesuch zu tun: Ein Magpie (Flötenvogel)-Pärchen stolziert in unserer Nähe herum. Warnungen vor diesem Vogel gibt es insbesondere in Australien, wo während der Brutzeit schon häufig Angriffe auf Fußgänger und Radfahrer erfolgten, weshalb in deren Brutgebieten sogar ein Fahrradhelm vorgeschrieben ist. Etwas merkwürdig erscheinen aber dabei Warnungen, man solle auch keinesfalls in Richtung des Vogels schauen, um keine Augenverletzungen zu riskieren ...
Offenbar brütet aber unser Nachbar nicht oder die neuseeländischen Exemplare sind (wohl aus gutem Grund! ) deutlich angenehmere Zeitgenossen als die australischen Brüder und Schwestern, auf jeden Fall spaziert einer der beiden gern in unserer Nähe herum und wir verstehen uns ausgezeichnet!
Die Ausziehküche ist auch heute Abend wieder in Betrieb, zum Trost gibt´s allerdings dazu einen schönen Wein aus Südaustraliens Barossa Valley: Ein "Pepperjack"-Shiraz schmeckt auch hier in diesem "Valley" ganz ausgezeichnet!
© 2020 J. de Haas