Kein Hummer zum Abkochen ...


Waren wir voll es Lobes gewesen ! In unserem Editorial Neu 11/02 hatten wir über "Schluckspechte, Dinosaurier und die Doofen" nachgedacht und waren dabei auf ein ganz besonderes Fahrzeug gestoßen:

"Die (Zeitschrift offRoad) hatte doch in ihrer Ausgabe 8/02 über eines der neusten Produkte der ruhmreichen amerikanischen  Geländewagenindustrie berichtet - General Motors hatte sich bei AM General eingekauft und den "Baby-Hummer" heraus gebracht, einen schnuckeligen Abkömmling des militärischen Geländewagens "Humvee": Den Hummer H2 oder "Das Baby des Barbaren", wie man es liebevoll nannte.

Kein "Baby-Hummer": Das Original als Kartonmodell ...Dieser süße Kleine mit einer Länge von 4,82 m, einer Breite von 2,06 m und der Höhe von 2,01 m mochte ja noch ganz handlich erscheinen, wenn man damit nicht gerade auf dem Park & Ride-Platz an der S-Bahn stehen muss, doch allerdings hatte der Schnuckel einen kleinen Schönheitsfehler: Sein Verbrauch auf 100 km wurde "ab etwa 24 Liter" angegeben - ganz schön durstig, das süße kleine Monsterchen!

Überzeugend dann dazu ein Leserbrief in der nachfolgenden Ausgabe 9/02 der selben Zeitschrift. Da schrieb ein Franz Eugen K. per Email an die Redaktion: "... Dieses Auto fasziniert mich sehr. Aber nachdem ich alles gelesen hatte, bin ich ratlos gewesen und wütend. Es darf doch nicht wahr sein, dass diese Amis die Zeichen der Zeit so vollkommen ignorieren: Jetzt ein Auto auf den Markt zu bringen, das 24 Liter Sprit auf 100 Kilometer wegschluckt, zeugt von einer Ignoranz, die einfach unfassbar ist. Sind die US-Autobosse wirklich so verblendet und sind die Techniker wirklich zu doof, um einen vernünftigen Diesel in so ein Gefährt einzubauen? ..."

Soweit das Zitat aus unserem obigen Editorial. Aber der Reihe nach.

Das Fahrzeug, insbesondere sein militärisches Vorbild, hatte uns keine Ruhe gelassen. Der Name des Prototyps lautete HMMWV (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle). Daraus entstand der "Kosename" Humvee, der dann später durch den Namen "Hummer" abgelöst wurde.

Die erste Generation dieses Militärfahrzeugs erschien Mitte der achtziger Jahre (des vorigen Jahrhunderts ), wurde aber auch bereits an Zivilisten verkauft (den Mythen der Geschichtsschreibung zufolge soll auch Arnold Schwarzenegger daran nicht unbeteiligt gewesen sein).

Das Fahrzeug wurde als Nachfolger für den legendären "Jeep" entwickelt und ist heute nicht nur auf allen amerikanischen Militärbasen zu sehen, sondern auch gern in einschlägigen Spielfilmen: Im Mogadischu-Straßenkampfgemetzel "Black Hawk Down" war zu sehen, was dieses Fahrzeug mit MG auf dem Dach auch als Ersatzpanzer zu leisten vermag ...

Der Wagen verfügt über stolze Leistungsdaten: Mit einem zulässigen Gesamtgewicht von ca. 4,7 t hat er einen Achtzylinder-V-Dieselmotor mit Abgasturbolader mit einem Hubraum von 6.463cm³. Die Leistung von 145 kW (197 PS) verhilft ihm zu einer Höchstgeschwindigkeit von 143km/h, der Verbrauch kann dabei bis über 29 l/100 km reichen.


Ein stabiles Kartonmodell ...

Wen wundert es da, wenn wir dieses, fast 2,50 m breite Fahrzeug zwar nicht unbedingt in unserer Garage haben müssen, aber ganz sicher doch in unserem Modellkeller? Also schauten wir uns um und fanden ein äußerst reizvolles Modell bei Scheuer & Strüver: Im Maßstab 1:18 gab es dort unter der Art.-Nr. 631 11 10 für 8,90 Euro ein tschechisches Kartonmodell von der Firma Betexa mit "Inneneinrichtung und Fensterfolie". Das mussten wir natürlich haben, stellen doch Kartonmodelle für den Modellbauer eine größere Herausforderung dar als irgend welche Plastikmodelle ...

... mit viel Liebe zum Detail ... ... und tief gehenden Innenansichten ...

Und in der Tat: Dieser Hummer erwies sich als sehr anspruchsvolles und extrem stabiles Kartonmodell mit äußerster Liebe zum Detail. Selbst die Verschlüsse für die Anschnallgurte muss der Modellbauer hier einzeln anfertigen und neben den vier exakt nachgebildeten Sitzen anbringen. Muss noch erwähnt werden, dass dieses Modell sogar über einzeln aufgehängte, bewegliche Vorderräder verfügt, die gemeinsam in unterschiedliche Lenkrichtungen eingeschlagen werden können?

Kann man auch offen vorzeigen! Der beste Leim für Kartonmodelle: Pritt Bastelkleber ...

Insgesamt erwies sich unser erstmalig eingesetzter "Pritt Bastelkleber" als die Sensation: Gemeinsam mit der hervorragenden Papierqualität des Modells ergab sich hier eine optimale Kombination, die auch die genaue Ausformung schwieriger Modellteile erlaubte. Ab sofort gilt: Dieser "Bastelkleber" ist unsere Empfehlung für jeden Kartonmodellbauer!

Nicht erstaunlich ist, dass wir uns letztlich nicht entschließen konnten, dass Modell gemäß Anleitung zusammen zu kleben: Wir ließen Karosserie und Fahrgestell getrennt - die beiden über 4 Stecknadeln verbundenen Teile lassen sich somit jederzeit wieder lösen und erlauben so auch künftig den genauen Einblick in den detailliert gestalteten Innenraum, ohne durch die "verglasten" Fenster ins Innere hinein schauen zu müssen. Auf die wüste Airbrush-Verzierung des Dachs haben wir allerdings lieber verzichtet und dafür alles mit Revell-Farbe 302 schwarz gestrichen ...

Trotz manchmal etwas unklarer und in Teilen fehlerhafter Bauanleitung doch insgesamt ein sehr erfreuliches Modell, wie man auch unseren Bildern entnehmen kann!

Von der Motorhaube .... ... bis zu den Außenspiegeln ...

Mehr Einzelheiten kann man nicht verlangen!


Ach ja, kommen wir noch einmal zurück zum zivilen "Baby-Hummer": Natürlich erhielten wir auch zu unserem obigen Editorial etliche Lesermails - zwei von diesen in der Folge als Ergänzung zu unserem Beitrag. Wo könnten die ausführlichen Anmerkungen von Michael Hoff und Franz Lechner wohl besser hinpassen als zu unserem Modell-Hummer ..? 

Hummerbaby und trunksüchtige Dinosaurier

Hallo Explorer Team,

gerade war ich in den USA und konnte mich vor Ort von den schluckfreudigen Amikisten überzeugen. Den Amis (Amerikanischen Bürgern) ist es keinesfalls egal, wieviel ihre Kiste verkonsumiert. Mileage (Verbrauch) Angaben bei Neufahrzeugen sind größer als der Preis abgedruckt. (City, Landstrasse und Autobahn, nach Staatlichen Prüfkriterien). 

Kein Hummer zum Abkochen ... Die Zeiten des billigen Sprit sind auch drüben vorbei, zwar nicht so astronomisch wie bei uns, aber immerhin so teuer, daß Tanken ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor in der monatlichen Haushaltsplanung geworden ist. Außerdem gibt es auch in den USA eine Umweltdiskussion.

Die Amis sind sehr wohl in der Lage vernünftige Dieselmotoren zu bauen. Z.B den (uralten) 6.2 V8 von General Motors, den es auch in der 6.5 Liter Version mit Ladeluftkühlung, Commonrail und Elektronik Schnickschnack gibt. Erstere Version treibt meinen "Explorer" an. Einen 84er Chevy Fullsize Pickup mit Allrad. Verbrauch etwa 13-15 l, wobei meistens 13,5 l anstehen. ...

Die meisten Pickups in den USA und auch schwere Vans werden ... mit Benzinmotoren (jenseits der 5 Litermarke) angetrieben. Gründe:

1. Diesel ist teurer als Benzin (weil in USA 100% schwefelfrei). Somit ist der Preisaufschlag für Dieseltechnik höher als die Verbrauchseinsparung bei normaler Laufleistung.

2. Die Benzinmotoren haben sich auch in den USA das Saufen abgewöhnt. Modernes Motorenmanagent a la Bosch machts möglich. Unser 8,50 m Wohnmobilschiff kam locker mit 18 Litern Normalbenzin aus. Ein europäisches Wohnmobil dieser Größe braucht etwa 15-17 Liter Diesel, wobei jedoch auf die äußerst angenehme Art, wie ein 5.7 Liter Chevy V8 seine 270 PS zu entfallten pflegt, verzichtet werden muß.

3. Die Ami Benzinmotoren laufen einfach fantastisch!!! Man kann wirklich ein 2 Eurostück (damals 5 Mark) hochkannt auf den laufenden Motor stellen ohne das es umkippt! Wenn ich in den USA leben würde, käme mir bestimmt kein Diesel ins Haus.

Warum die Legende vom versoffenen Ami umher geht weiß ich nicht, habe aber mehrere Gründe dafür in Verdacht: 

1. Umrechnung: Die Amis rechnen Miles per Gallon. Rechne doch mal um: 25 MPG. Eine US-Meile wird dann oft mit 1.5 (tats. 1.602) Kilometer abgerundet, während die Gallone auf 4 Liter aufgerundet wird, oder es wird mit der englischen Gallone (über 4 Liter) gerechnet, wie es im Langenscheid steht. 

2. Europäische Fahrweise: Einen drehmomentzwergigen Europäer (man kann auch sagen Drehzahlfreudig) gewohnt, jubelte ich meinen 93er 5.7 Liter Caprice (inzw. verkauft, die Euro 3 Norm wurde zwar erreicht aber vom Fiskus ohne Gutachten nicht anerkannt) kräftig durch die Gegend. Gas und Drehzahl ohne Ende, weil man sonst nichts hört und man das Gefühl hat daß sich nichts bewegt. Ergebnis 16 Liter auf 100 km. Später gewöhnte ich mir eine viel viel ruhigere Fahrweise an. Der Verbrauch ging auf gute 12 l zurück. Auf der Autobahn waren unter 10 Liter drin. ...

3. Vergleich von Äpfel und Birnen: Ein 93er Chevy Caprice (Amerikanisches Vollschiff, wird nicht mehr gebaut, seufz, selbst für USA zu groß!) kommt keineswegs mit den 8 Litern eines Passat aus, 25 Liter sind aber reine Legende! Man muß den Caprice mit einem 500er Benz vergleichen (natürlich nicht Preis und Verarbeitung). Beide haben um die 5 l Hubraum und etwa das gleiche Gewicht. Der Benz ist gewiss schneller, der Chevy wesentlich grösser. Um im Benz an den Verbrauch des Caprice ranzukommen, muß man schon ziemlich schleichen, was aber keiner macht, der solch ein Auto fährt. Um im Caprice an die 18 Liter des Benz ranzukommen muß man auf die linke Spur und BMWs scheuchen, was den meisten Caprice-Fahrern (zumindest mir) zutiefst wiederstrebt und deshalb nicht getan wird. In der Praxis zerrt der Caprice also weniger an den Energieressourcen dieser Welt als der Mercedes. ...

4. Die Amis gehen mit ihren Verbrauchsangaben nicht zimperlich um. Lieber zuviel angeben, als hinterher eine Milliarden-Klage der Konkurenz am Hals zu haben. Demnach währen die 24 Liter des Hummerbaby also der absolute Spitzenverbrauch, quasi alles was die Spritpumpe hergibt. Reicht also nicht aus um einen Mercedes G 500 unter den Tisch zu saufen :-)))

Die europäische Verkehrspolitik ist für die Amerikaner zu unübersichtlich und die Verhältnisse zu instabil (wer weiß, ob ich mich morgen mit meiner Amikiste nicht strafbar mache), Ökosteuer, unklare Hubraumsteuer (LKW/PKW 2,8-3,5t?), ständig neue Abgasnormen, Volksverarschung usw., als daß es sich lohnen würde, ein Nischenprodukt wie das Hummerbaby hier zu lancieren und gar mit einem kleinen hochaufgeladen Diesel und dazugehörigem Schaltgetriebe auszustatten. (Standard in USA ist Automatik, die an Hubraumzwergen keinen Sinn macht). 

Seit der engen Kooperation zwischen GM und Fiat wäre ein Euro-Hummerbaby mit der Antriebstechnik des Ducato durchaus denkbar, und erfolgreich! Weil aber das Management von GM eher durch Orientierungslosigkeit und Ratlosigkeit geprägt wird, und sich momentan mehr und mehr verstrickt, können wir hier in Europa lange darauf warten ...

Mit der Hoffnung etwas Aufklärung betrieben zu haben und um eine Lanze für die hierzulande ungeliebten amerikanischen Autos zu brechen, mit besten Grüssen

Michael Hoff


Hallo Jürgen,

da ich vor kurzem in den USA war und kurz darauf die neue Ausgabe des Explorer Magazins gelesen habe, sind mir folgende Gedanken gekommen. 

Eine Gallone Sprit kostet zur Zeit in den USA 1.44 USD, das macht somit auf metrische Einheiten umgerechnet 38 cent pro Liter. Bei uns in Österreich kostet zur Zeit 1 Liter Diesel ca. 80 cent. (Der Einfachheit rechne ich mit 1 USD =1 Euro).

Umgelegt auf den Spritverbrauch:
Baby-Hummer braucht 24L/100 km --> 100 km kosten 9.12 USD
Mein Mazda Pickup (wäre wohl ungefähr einen Geländewagen wie den Baby-Hummer mit einem Fiat Seicento zu vergleichen) braucht ca.11L/100 km --> 100 km kosten mich 8.80 Euro

Nun setze ich dies noch in Relation zu meiner eigenen Basiswährungseinheit, nämlich einem Krügel Bier

0.375 L Bier kosten in den USA 3.50 USD, bei uns kosten 0.5 L Bier 2.60 Euro.
--> 1 L US-Bier kostet USD 9.33
--> 1 L A-Bier kostet Euro 5.20

Es entsprechen also 
100 km Baby-Hummer fahren: 1.02 L US-Bier
100 km Japan-Pickup fahren: 1.69 L A-Bier

Damit ist also klar erwiesen, daß der Baby-Hummer sparsamer ist als so ein Japan-Pickup, da er ja nur 1.02 L Bier pro 100 km benötigt, wo hingegen der Japaner mit stolzen 1.69 L/100 km da steht.

Ich kann also nicht verstehen, wie es jemand wagen kann, den US-Bürgern vorzuwerfen, daß sie ignorant seien und mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten verschwenderisch umgehen.

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PS: Jürgen, ich hoffe du verstehst diese Abhandlung als was so gemeint ist, nämlich als Darstellung, daß in den USA die Relationen wirklich absolut verdreht sind. 

Nach meinem letzten USA Aufenthalt muß ich sagen, daß es wirklich kriminell ist, wie dort Ressourcen verschwendet werden und eigentlich der ganze Planet dafür die Rechnung präsentiert kriegt. Dies beginnt bei den Shuttle-Busen am Flughafen, wo Riesenbusse einzelne (1-2) Reisende vom Flughafen zum Parkplatz bringen und diese Busse den ganzen Tag den Motor laufen haben, bis zu den Unmengen Müll, die man gezwungen ist zu produzieren. Ganz abgesehen von den kriegerischen Ambitionen, die es allerdings nur dort gibt, wo es um Erdöl geht. 

Mit freundlichen Grüßen
Franz


© 2002 J. de Haas