Frischer Wind in der Redaktion?KI-Autorin auf dem Prüfstand ... |
Immer wieder erreichen uns Initiativbewerbungen junger Kreativer, die in unserer Redaktion mitarbeiten wollen. Da unser Magazin aber non-profit betrieben wird, die neuen Mitarbeiter jedoch Gehalt und sonstiges erwarten, müssen wir die Angebote leider immer ablehnen ...
Da flatterte aber jüngst ein interessantes Angebot herein, das genauere Prüfung erforderte!
Martina Kraepelin, ausgebildet beim Unternehmen neuroflash.com in Hamburg, bot sich überraschend an, als Redaktionsassistentin bei uns Artikel zu erstellen. Die Vorteile lagen bei ihrer Bewerbung klar auf der Hand:
- Martina arbeitet für kleines Geld (z.Zt. 30,- Euro im Monat, die gesetzliche Mindestlohnregelung gilt nicht).
- Sie beansprucht keinen Urlaub.
- Sie wird angabegemäß nie krank.
- Sie ist gewerkschaftlich nicht organisiert.
- Sie kennt sich in allen Bereichen und Ländern aus, auch wenn sie noch nie dort war!
- Sie ist eine versierte Autorin.
- Sie ist eine gute Grafikerin.
- Sie ist polyglott und kann irrsinnig viele Sprachen.
- Sie hat keine Launen (weder gute noch schlechte).
- Schreibblockaden sind ihr fremd.
- Sie liefert immer pünktlich und unübetroffen schnell.
- Sie verursacht weder Spesen noch Reisekosten.
- Sie beansprucht keine Urheberrechte.
- Arbeitszeitregelungen beansprucht sie nicht.
Wir dürfen uns sogar noch aussuchen, wie sie bei uns während der Arbeit aussehen soll:
Gerne laden wir sie zur Probezeit ein, denn ein solches Angebot kann man nicht ausschlagen!
Doch wir sind irgendwie nachdenklich geworden, wir fragen uns, was steckt wirklich dahinter?
In den Medien kursieren seit einiger Zeit Begriffe wie ChatGPT, Jasper, ChatSonic, Mindverse, Copy.ai, neuroflash, Fliki, Lovo und ähnliches. Alles sogenannte KI-Text-, Sprach- und Bildgeneratoren. Aus wenigen Schlüsselbegriffen werden dabei Artikel, Bilder, Audios oder Videos produziert, auf neudeutsch "Content" genannt. Diesen Content kann man für soziale Medien wie Instagram, Facebook und Co. nutzen oder auch einfach seine Webseite damit anreichern.
Klingt verführerisch - wird das die Redaktionsarbeit der Zukunft sein? Schlüsselworte ausdenken, Text- und Bildmaterial generieren, ein wenig nachbessern und dann veröffentlichen? Fertig!?
Wie sieht es aus mit dem Urheberrecht? Das ist ein wahrer rechtlicher Sumpf: In den USA gibt es erste Urteile, nach denen Texte, die mit ChatGPT erstellt wurden, keine Urheber haben. Aber könnte die Urheberschaft sich nicht darauf beziehen, wie man den KI-Autor füttert? Und woher beziehen ChatGPT und seine Geschwister den generierten Text und die Bilder? Werden da nicht bestehende - möglicherweise urheberrechtlich geschützte - Textpassagen, Bildausschnitte, Videoschnippsel genutzt und umgewandelt? Deutlich sichtbar wird das Problem derzeit beim Streik der Autoren und Schauspieler in Hollywood, wo die Regulierung des Einsatzes von KI eine der Forderungen darstellt.
Und was bedeutet es, wenn jetzt jeder mit den generierten Artikeln das Internet flutet? Auch Suchmaschinen wie Bing und Google, die ja selbst KI einsetzen, werden in höchstem Maße gefordert sein: Werden Artikel, die von KI-Autoren erstellt wurden, erkannt? Werden diese anders gewertet, da sie in der Regel wenig fehlerhaft erscheinen, für Suchmaschinen optimiert werden und gut lesbar sind? Bringen 1.000 generierte Artikel zu "Wie werde ich Millionär durch Youtube" einen echten Mehrwert? Macht es Sinn, all diese dann in Trefferlisten aufzuführen? Was, wenn die KI-Autoren falschen Content tausendfach verbreiten, teils aufgrund fehlerhafter Datenbasis oder Algorithmen, teils auch gesteuert von wem auch immer?
Werden Suchmaschinen Deepfakes erkennen? Wer wird steuern, was als Deepfake eingestuft wird?
Wir erinnern uns noch an den Papst im Dauenenmantel - eine Erfindung der KI. Weniger lustig sind die neuen Betrügertricks, bei denen Stimmen von Unternehmensleitern (leicht zu bekommen z.B. durch Videos von Pressekonferenzen) geklont werden, um dann im Unternehmen Mitarbeiter anzurufen mit der Aufforderung, Geld irgendwohin zu überweisen oder andere schädliche Dinge zu tun. Bei diesem Whaling genannten Verfahren werden nicht nur die Stimmen, sondern alle möglichen Informationen aus dem Netz zu der leitenden Person gesammelt, um dann mittels KI E-Mails oder Anrufe zu generieren für die Mitarbeiter oder sogar um die leitende Person selbst zu attackieren.
Auch beim Enkeltrick und bei der Heiratsschwindelei werden KI-Audios bereits erfolgreich eingesetzt. Und wie erschreckend sind realistisch gefakte Videos, wie z.B. die Traueransprache Nixons anlässlich der angeblich tödlich ausgegangenen Mondlandung von Apollo 11 (siehe Video unten rechts)? Wer kann was alles mit solchen Dingen bewirken, wenn bereits heute (ohne derartiges!) die Öffentlichkeit ständig an der Nase herumgeführt wird, wie man es aktuell z.B. beim Nordstream-Attentat erleben kann?
Millionen von Fragen werden demnächst zu klären und sinnvolle Regelungen erforderlich sein, aber nun soll unsere KI-Designerin Martina zunächst einmal zeigen, was sie alles kann!
Erste Disziplin: Wir benötigen für einen neuen Artikel ein Titelbild.
Was soll darauf gezeigt werden, will sie von uns wissen. Versuchen wir es mal mit einigen unserer Lieblingsthemen (): Pick-up Truck, Zelt, Wald, Wasserfall, blauer Himmel, Wolken - das sollte reichen!
Mit Optimiere meine Eingabe erzeugt neuroflash zunächst eine kleine Beschreibung des Bildes, man kann auswählen, welchen Stil das Bild haben soll. Wir wählen realistisches Foto. Nun schaltet neuroflash in Englisch um, aber der Text ist recht simpel und beschreibt tatsächlich das, was wir wollen. Unklar ist uns allerdings: Die Perspektive sollte aus einem niedrigen Winkel sein, als ob der Betrachter ... die Szene von oben betrachtet. Da sind wir Hobbyfotografen überfordert!
Aufgabe: Erstellen Sie ein realistisches Foto eines Pick-ups, der in einem Wald in der Nähe eines Wasserfalls geparkt ist, mit einem klaren blauen Himmel und flauschigen weißen Wolken. Der Lkw sollte auf den Wasserfall gerichtet sein und eine Campingausrüstung, z.B. ein Zelt, auf dem Dach haben. Der Stil sollte natürlich und lebendig sein, wobei der Schwerpunkt auf dem Lkw und dem Wasserfall liegt. Die Perspektive sollte aus einem niedrigen Winkel sein, als ob der Betrachter im Wasser steht und die Szene von oben betrachtet. |
Das Ergebnis trifft nicht ganz die Erwartungen - wo ist das Zelt? Laut Beschreibung soll ja ein Dachzelt zu sehen sein. Und steht der Betrachter wirklich im Wasser und schaut von oben herab aus einem niedrigen Winkel? Martina, das war irgendwie zu wenig!
Nächster Versuch, wir werden anspruchsvoller: Jeep, Zelt, Wald, Wasserfall, blauer Himmel, Wolken, Vögel sind diesmal unsere Vorgaben.
Aufgabe: Erstellen Sie ein Archivfoto von einem Jeep, der in der Nähe eines Zeltes in einem Wald mit einem Wasserfall im Hintergrund geparkt ist. Der Himmel sollte klar und blau sein, mit flauschigen weißen Wolken und Vögeln, die über dem Wasserfall fliegen. Verwenden Sie einen natürlichen und realistischen Stil, um die Perspektive einer Person einzufangen, die in der Nähe des Jeeps steht und auf den Wasserfall hinausschaut. |
Nun, auch jetzt hat Martina nicht alles umgesetzt: Keine Vögel, das Zelt passt vielleicht für einen Zwergpudel, der Schlafsackbeutel überragt das Zelt. Martina, warst du jemals beim Camping dabei? Und was soll die Beule unten am Reserverad? Und was liegt da auf dem Dach?
Wir geben Martina eine weitere Chance - gleiche Begriffe, aber sie macht daraus eine leicht veränderte Beschreibung:
Aufgabe: Erstellen Sie ein Foto von einem Jeep, der neben einem Zelt in einem Wald mit einem Wasserfall im Hintergrund geparkt ist. Der Himmel sollte klar und blau sein, mit weißen, flauschigen Wolken und Vögeln, die in der Ferne fliegen. Der Stil sollte natürlich und lebendig sein, wobei der Schwerpunkt auf dem Jeep und der umgebenden Natur liegt. Nehmen Sie die Perspektive einer Person ein, die in der Nähe des Jeeps steht und auf den Wasserfall blickt. |
Aber das neue Ergebnis entsetzt uns - wird Martina jetzt trotzig? Keine Vögel, kein Zelt, kein Fahrzeug. Und was sind die Gebilde vorne auf den Felsen? Das ist kein Foto, das ist kitschige, naive Malerei!
Eine letzte Chance noch, vielleicht mag Martina ja lieber Wüsten: Jeep, Zelt, Wüste, blauer Himmel. Die Beschreibung lässt wenig hoffen, irgendwie bleibt das Zelt auf der Strecke:
Aufgabe: Erstellen Sie ein Bild eines Jeeps, der in der Wüste geparkt ist, mit einem blauen Himmel im Hintergrund. Der Jeep sollte im Fokus und in der Mitte des Bildes sein. Verwenden Sie eine warme, natürliche Farbpalette, um die Wüstenlandschaft hervorzuheben. Der Stil sollte realistisch und hochwertig sein und sich für die Verwendung als Archivfotografie eignen. |
Das Resultat: Ein ansehnliches Bild mit Jeep, ohne Zelt, mit Wüste und blauem Himmel. Irritierend sind die Polarlichter: Martina, da hast du irgendwas verwechselt ..!
Nach dem Losprinzip und weil es so gut ankommt in der Redaktion, wählen wir das Titelbild mit Wüste für die aktuelle Ausgabe aus (Wir lieben einfach Polarlichter in der Wüste - sowas wird die "letzte Generation" ja wohl häufiger zu sehen bekommen! ). Die sekundenlange Arbeit von Martina soll nicht umsonst sein und angemessen belohnt werden!
Als nächstes soll Martina nun aber einen Artikel für das Magazin generieren zum Thema: Urlaub in der ungarischen Region Örseg - eine Region im Dreiländereck Ungarn, Österreich, Slowenien, die wir erst vor Kurzem besucht haben. Der Artikel soll im lockeren, positiven Stil geschrieben werden, ein Bild soll auch dabei sein - ganz so wie es wir (vielleicht!) selbst machen würden ...
Das Ergebnis macht uns allerdings sprachlos - siehe Generierter Artikel, wir haben unsere Kommentare gelb markiert ergänzt.
Da das Ergebnis doch nicht gerade "unserem" Niveau von Bericht entspricht und auch etliche Fehler enthalten sind, soll Martina ihren Artikel neu erstellen und wir schauen ihr diesmal dabei genau auf die Finger!
© 2023 Sixta Zerlauth