EU-K(r)ampf: Welche Normen braucht ein Schlafsack ..?
oder: EU-Maulkorb für Profis ...
Vorbemerkung der Redaktion: In unserem Beitrag über die Luftfahrt hatten wir kürzlich wieder einmal aufgegriffen, wie gut sich Bürokratie und Politik ergänzen hierzulande - ein Sachverhalt, der außerhalb des Bereiches Luftfahrt nicht anders ist. Wie hatten wir aus einem offenen Brief von Prof. Dr.-Ing. Konrad Vogeler zitiert:
"... Es geht darum, dass die Gruppe, die dieses Land verwaltet, sich durch immer neue Vorschriften unabkömmlich macht und sich auf diese Weise die anderorts knappen Arbeitsplätze mit den immer knapper werdenden Steuermitteln und mit unglaublich hohen Gebühren sichert."
Wie sehr auch die EU mit ihren Vorgaben das ihrige dazu beiträgt, dass Regelungswut und Bürokratie wertvolle Energien und Arbeitsplätze kosten, zeigt unser aktuelles Beispiel von Lauche & Maas, einem der ältesten Outdoor-Fachgeschäfte Deutschlands ...
Zum Sachverhalt: Die EU-Norm "EN 13537 für Schlafsäcke" ...
Die Norm ist dafür gedacht, Temperaturangaben bei Schlafsäcken zu regeln. Im "Anhang 2" dieser Norm werden dabei sogar eindeutige Schwächen dieser Angaben eingeräumt, denen Labortests zugrunde liegen.
Bei Lauche & Maas sieht man sich jedoch darin behindert, in der Werbung (z.B. im Katalog) eigene Erfahrungswerte zu geben, da die Norm einen Rechtstatus hat, der besagt, dass die Norm die zur Zeit rechtlich relevanten Temperatur-Daten beschreibt.
Und damit macht sich das Unternehmen nach eigener Einschätzung des Betruges schuldig, da man als ältestes Outdoor-Fachgeschäft Deutschlands dem Kunden entsprechend dieser Norm wider besseres Wissen bis zu 15°C (!) tiefere Temperaturwerte vorlügen muss.
Seit 28 Jahren gibt es bei Lauche & Maas Schlafsacktests im Freien, bei Wind und Wetter, mit bis zu 350 Testpersonen, daher weiß man in diesem Unternehmen, wovon man redet.
Als Seiteneffekt dieser Regelung ist festzustellen, dass kleine aber kompetente deutsche Hersteller aus dem Markt gedrängt werden und "Fernostware" punktgenau auf die neue Norm hin produziert wird: Also für gute Laborwerte, aber schlechten Praxiseinsatz. Wie das geht? Ganz einfach: Eine luftdichte Hülle über dem Schlafsack optimiert den Laborwert, in der Praxis dagegen fällt die Füllung in der Nacht durch die Aufnahme der normalen Körper-Feuchtigkeit zusammen und wärmt nicht mehr ...
Da sich Lauche & Maas in ihrer Existenz durch Abmahnvereine bedroht sehen, geben sie Bürgern der EU im Katalog und im Internet keine eigenen Empfehlungen mehr, in den Läden dürfen Mitarbeiter ihre persönliche Meinung natürlich noch äußern.
Aber für Nicht-EU-Bürger hat man eine Tabelle mit eigenen Erfahrungen ins Netz gestellt: Internetnutzer müssen nur bestätigen, dass sie keine EU-Bürger sind ...
Und die anderen? Nun, die sollten vielleicht doch auch mal an das "Verbraucherschutzministerium" schreiben, so wie das Lauche & Maas im folgenden Brief am 17.03.2005 getan haben. Eine Antwort steht übrigens derzeit (Stand Juli ´05) noch aus - wen wundert das nun wirklich ..?
Sehr geehrte Frau Künast,
sehr geehrte Damen und Herren des Büros,
die neue EU Norm EN 13537 zwingt uns zur bewussten Täuschung des Verbrauchers, und damit in einen Straftatbestand.
Diese Norm schreibt zwingend vor, beim Verkauf von Schlafsäcken in Werbung und Verkaufsgespräch einen mit Labortechnik ermittelten Norm-Temperaturwert zu benennen. Es ist uns untersagt, diesen Labor-Wert durch eigene Testerfahrungen zu kommentieren, wobei unsere Werte sogar aus der Praxis stammen. Und diese Praxis ist vorhanden: seit 1976 halten wir, als ältester Outdoorshop Deutschlands, regelmäßig Praxistests ab; auf Wintertreffen mit bis zu 350 Personen.
Wir sehen aufgrund dieser Erfahrung, dass die der Norm zugrundeliegenden Labor-Tests unbedingt einer Kommentierung bedürfen. Hier nur 2 von einigen Beispielen:
Beispiel 1: Ein sog. Deckenschlafsack, also ein Schlafsack in rechteckiger Form, wird im Labor-Ergebnis einem sog. Mumienschlafsack nahezu gleichgestellt. Dies kommt wohl daher, dass die Messpuppe stocksteif und ruhig liegt, und sich der Schlafsack daher an die mumienförmige Form der Puppe anpasst.
In der Praxis wird der Schläfer sich im Schlaf aber bewegen, den Fußraum dadurch erweitern und das so entstehende größere Volumen nicht mehr mit der Körperwärme seiner Füße füllen können. Gerade die der Norm zugrunde liegende Absicht, vor gefährlicher Unterkühlung schützen zu wollen, wird in diesem Beispiel ins Gegenteil gekehrt: es droht die Gefahr gesundheitlicher Schäden. Es ist uns aber verboten, mit der zusätzlichen Angabe eigener Temperaturempfehlungen darauf hinzuweisen.
Beispiel 2: "Billigschlafsäcke" zeigen erstaunlich gute Werte nach der EU Norm. Nach unserer Erfahrung kommt dies daher, dass diese Säcke eine mehr oder weniger luftdichte "Plastik"-Hülle besitzen. Dadurch wird die Wärmeabgabe verringert. In der Praxis kommt es aber durch die ganz normale Feuchtigkeitsabgabe des Schläfers in jeder Nacht zu einer Anreicherung der Feuchtigkeit in der Füllung, die daraufhin partiell zusammenfällt und an Isolation dramatisch verliert.
Zwischen der EU-Norm und unseren Praxistests liegen bis zu 15 Grad Differenz: EN-Norm MINUS 8 Grad, wir empfehlen bis maximal PLUS 7 Grad. Wenn ein Schlafsack bei schlechtem Wetter nicht austrocknen kann, verliert er in der zweiten oder dritten Nacht immer weiter eine Isolationsfähigkeit. Auch hier dürfen wir dem Verbraucher zusätzlich keine eigenen Werte nennen, wohlwissend, dass der Verbraucher damit z.B. eine Woche in regenreichem Gebiet unterwegs sein will. Hier machen wir uns konkret strafbar und haben nach deutschem Recht für die Folgen einzustehen.
Die Labor-Werte werden anhand von Kupferpuppen erhoben, die einer/einem durchschnittlichen Frau/Mann von 25 Jahren entspricht. Bereits ein 35 jähriger Mensch hat einen anderen Grundumsatz, von 40 und 50 jährigen Menschen ganz zu schweigen. Kinderschlafsäcke fallen nicht unter die EU Norm, obwohl gerade da ein hoher Sicherheitsbedarf nötig wäre, weil Kinder viel schneller unterkühlen. Für uns gibt gerade dieser Punkt Anlass zur Spekulation, wer eigentlich welche Interessen mit dieser Norm verfolgt?
Die Auswirkungen sind absehbar: Schlafsäcke werden in Zukunft auf die Norm hin gebaut, also trickreich so konstruiert, dass sie in der Norm glänzen, aber in der Praxis wenig taugen. Kleine Spezialfirmen des Schlafsackbaues, die übrigens in den letzten 20 Jahren immer die besten Schlafsäcke herstellten, die dann in China "kopiert" wurden, werden aus dem Wettbewerb gedrängt, weil das Geld für die EN Prüfung als Vorleistung nicht aufgebracht werden kann (Wir reden hier von 90.000 EUR für eine mittlere Produktpalette - der erste mir bekannte Fall einer deutschen Firma ist vor einigen Tagen bereits eingetreten, weitere werden folgen).
Unsere Frage: Als Ausrüster von Fernreisen haben wir bisher viel Zeit und Energie für die Beratung unserer Kunden verwandt. Wir haben unsere Verantwortung gegenüber dem Verbraucher ernst genommen, und oft Ärger mit den Herstellern gehabt, wenn wir kritisch berichtet haben. Wie lösen wir nun den rechtlichen Notstand, einen Schlafsack in unserem Katalog mit einer Temperaturangabe anzubieten, die aus unserer Praxiserfahrung nicht stimmt, wenn es uns doch verboten ist, eine Bemerkung dazu zu machen. Wir erfüllen damit den Tatbestand der Täuschung und des Betruges, da wir wider besseres Wissen Angaben machen müssen, von denen wir wissen, dass sie falsch sind.
Fügen wir aber eine Bemerkung an wie etwa: " EN Norm 13537 Temperatur: Tcomf = -8 Grad. Diese Temperatur erscheint uns als zu tief, wir empfehlen nicht unter +7 Grad zu gehen", liefern wir uns den Abmahnvereinen aus, da wir gegen gültiges EU Gesetz verstoßen.
Bitte bestätigen Sie uns, dass wir entweder
a) die Temperatur-Werte der EN-Norm 13537 (Temperatur-Werte für Schlafsäcke) mit einem (deutlich als "eigener" gekennzeichnetem) Kommentar kommentieren dürfen, oder
b) sie eben nicht kommentieren dürfen.
Im Zweifelsfall wollen wir im Zuge einer Selbstanzeige Klarheit bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Maas
Geschäftsführung
Lauche & Maas
Alte Allee 28
81245 München
P.S. Ärgerlich ist auch, dass die Originalversion der Norm von einem Bürger der EU für stolze 76,- EUR als pdf-download gekauft werden muss, ich habe jedenfalls keine andere Lösung im Internet gefunden. In der Stichwortsuche des EU-Auftrittes im Web ist die Norm sogar unbekannt.
© Abbildungen Schlafsäcke: Katalog Lauche & Maas 2005