Albanien 2010:
Mit Weihnachtspäckchen durch das Flussbett ...
Albanienhilfe des CHW
Das Christliche Hilfswerk Wismar e.V. (CHW) liefert gespendete Weihnachtspäckchen direkt in den abgelegenen Bergdörfern in Albanien an die Schulkinder aus. Diese Dörfer sind nur mit Allradfahrzeugen zu erreichen.
Claus und Renate Ruhe, die professionell mit ihrem Geländewagen auf Reisen gehen, haben sich angeboten, diese Hilfsaktion auf eigene Kosten zu unterstützen ...
Am 24.11.2010 ging es über Ancona mit der Fähre nach Durres. Bereits die nächtliche Anreise zum albanischen Stützpunkt in Pogradec wurde zum Erlebnis: Abgerissene Stromleitungen, Erdrutsch und Steine auf der Fahrbahn. Baustellensicherung - Fehlanzeige. Abgesehen von den Hauptrouten gibt es weder Mittelstreifen noch Begrenzungspfosten oder Leitplanken oder Straßenbeleuchtung ...
Dort, im christlichen Bildungszentrum, warteten die Helfer auf die Zollauslieferung des LKW, der 3000 gespendete Weihnachtpäckchen geladen hatte.
Dann wurden die Päckchen in die Allradfahrzeuge umgeladen und die Auslieferung begann.
Sehr schlechte Pisten-Wege mit tiefen Löchern führten in die Berge. In diesen Dörfern warteten schon die Kinder und Lehrer auf unsere Ankunft: Jedes Kind bekam von uns sein Päckchen direkt in die Hand gedrückt. Hier oben waren Schulen nicht als Schulen zu erkennen und in den Klassen brannte ein Kohleofen und neben dem Lehrerpult lagen die Holzscheite für diesen Ofen. Man fühlte sich an den Beginn des letzten Jahrhunderts zurück versetzt. Die Gefühle, die uns dort überkamen, kann man kaum in Worte fassen ...
Während es in Deutschland schneite, regnete es in Albanien bei 15°C dauerhaft und die ohnehin schwierigen Pisten wurden auch für erfahrene Offroader zur Herausforderung. Aber es sollte noch schlimmer kommen ...
Auf dem Weg in das kleine Dorf Holtas, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist, war die Zufahrt durch einen Erdrutsch verschwunden. Auf einer Länge von 50 Metern war die Piste durch den Regen weggespült. Unsere albanischen Freunde hatten aber eine Alternative parat: Der einzige Zugang verlief durch einen 200 Meter breiten Fluss.
Immer wieder mussten wir zwischen den trockenen Passagen durch das Wasser, bis es schließlich einen Geländewagen erwischte: Mitten in den Fluten blieb er stecken und lief voll Wasser. In einer schnell eingeleiteten Rettungsaktion mit Bergegurten und Seilwinde wurde er geborgen, aber der Motor war natürlich defekt.
Während die anderen Fahrzeuge versuchten, die Auslieferung der Päckchen doch noch zu schaffen, haben sich Claus und Renate Ruhe um die durchnässten Insassen des havarierten Fahrzeugs gekümmert. Mitten im Flussbett wurde ein Lagerfeuer entzündet und Kaffee gekocht.
Bis kurz vor den Ort hat das Auslieferungsteam den Weg geschafft. Dann war die Brücke von den Wassermassen weggespült. Die Kinder haben dann ihre Päckchen direkt aus dem Auto an der defekten Brücke erhalten.
Währenddessen warteten die anderen im Fluss auf die Rückkehr - und das Wasser im Fluss stieg immer höher. Die Rückfahrt des gesamten Teams mit 12 Personen wurde dann bei steigendem Wasserstand im wahrsten Sinne des Wortes zum Höllenritt. Und es wurde langsam dunkel ...
Die letzten 200 Meter aus dem Flussbett heraus waren auch bei größter Risikobereitschaft nicht mehr zu schaffen. Es gab nur die Möglichkeit, die Autos auf höherem Grund in Sicherheit zu bringen.
Zu Fuß machten wir uns schließlich über rutschige Trampelpfade und im Schein der Taschenlampe auf den Weg ins nächste Dorf. Dabei mussten wir schmierige Abhänge herunter krabbeln und über eine marode Hängebrücke gehen.
Nach eineinhalb Stunden anstrengendem Fußmarsch kamen wir völlig durchnässt im Ort an, von wo wir eine Transportmöglichkeit in unser 20 km entferntes Hotel organisierten.
Wir waren gerettet und die Autos sicher abgestellt. Das war zunächst beruhigend.
Am anderen Morgen machten wir uns wieder auf den Weg zum Fluss und mussten leider feststellen, dass das Wasser noch weiter gestiegen war. Es gab keine Chance, unsere Autos frei zu bekommen und am nächsten Tag wollten wir eigentlich an der Fähre sein. In der Nacht schlug das Wetter um: Es wurde kälter und der Regen in den Bergen kam als Schnee herunter und blieb liegen.
Um 7:00 Uhr am nächsten Morgen waren wir wieder am Fluss und stellten zu unserer großen Freude fest, dass der Wasserstand tatsächlich gesunken war.
Noch einmal gingen wir über die Hängebrücke und den matschigen Pfad zu unseren Autos und durchfuhren dann ohne weitere Probleme den Fluss. Um 10:00 Uhr waren wir im Hotel zurück, packten unsere Sachen und machten uns auf den Weg zur Fähre. Die albanische Regierung hatte zwischenzeitlich den Notstand ausgerufen und wir mussten wegen der Überschwemmungen im ganzen Land eine abenteuerliche Route durch die Berge wählen. Dennoch standen wir rechtzeitig an der Fähre und konnten die Rückreise wie geplant antreten.
Wir haben es geschafft, alle Weihnachtspäckchen auszuliefern. Diese Auslieferung erforderte allerdings auch eine hohe Risikobereitschaft der Geländewagenfahrer.
Aber wir haben damit viele Kinder glücklich gemacht. Wir haben alle unsere Erfahrungen einbringen müssen und wir hatten auch Glück. Glück - das zum guten Ende beigetragen hat ...
© 2010 Claus Ruhe, outdoor-offroad.de
Anm. der Red.: In den nächsten Jahren geht es erneut auf Hilfsmission:
- Albanien, Winter 2011 - Und wieder eine Päckchen-Aktion ...
- Albanien, Winter 2013: Eine neue Weihnachtsaktion!
Und es gibt auch wieder einen weiteren Bericht von Claus Ruhe, der führt uns nach Russland:
- Russland 2008: Nach Murmansk