Mittwoch, 29.12.99: Auf in die Berge!

6:00 Uhr, der Wecker klingelt auch heute, aufstehen! Der Freiwillige von gestern geht wieder raus zur Schneewäsche vor die Tür, heute sind es - 20°C. Frühstück gibt es um 7:30 Uhr, wir haben viel vor und wollen das kurze Tageslicht (9:30 Uhr Sonnenaufgang - 14:50 Uhr Sonnenuntergang) für unsere Exkursion ins nahe gelegene Vedungsfjället nutzen. Stefan ist schon auf und "wässert" die Hunde. Sie bekommen ihr Futter mit großen Mengen Wasser verrührt - so eine Art Eintopfsuppe. Das viele Wasser brauchen sie, denn sie werden auf unserer Tour viel schwitzen ...

Die Tour könnte lang werden, denn Stefan weiß nicht, ob der Trail bis zu unserer Berghütte gespurt ist. Falls nicht, müssen die Hunde - und das ist Schwerarbeit für die Kerle und Stefan - durch den Tiefschnee.

Bei beginnender Morgendämmerung packen wir die Schlitten mit Gepäck und Vorräten für 2 Übernachtungen. Für die Route sind die Gebietskarten W1 Grövelsjön-Lofsdalen und W2 Fulufjället-Sälenfjällen Fjällkartan 1:100.000 optimal.

Die Hunde sind sehr unruhig und toben wild umher. Stefan stellt fest, dass die Bremse an seinem Schlitten defekt ist und muss sie reparieren - das entsprechende Werkzeug ist nicht zur Hand, während kurzzeitig das Chaos auszubrechen scheint.

Frosty, immer ganz cool bleiben!

Während des Anschirrens der Hunde gelingt es nämlich Venus, der sehr schlanken Leithündin Jürgens, sich durch den Torspalt der Arena zu zwängen und weg ist sie. Stefan brüllt hinter ihr her, aber er weiß, sie wird nur mit großem Glück zurückkommen, denn Venus ist eine äußerst kapriziöse Dame - schnell beleidigt - oder wie ich meine: eine echte Zimtzicke. Stefan gibt nicht auf, er rennt hinter ihr her und hat Glück. Widerstrebend läßt sie sich zur Arena ziehen. Kaum öffnet sich der Spalt des Tors, um Venus reinzubugsieren, nutzen drei andere gewitzte Kerle ihre Chance und rasen davon. Stefan ist stinksauer! Die Zeit läuft uns davon. Aber mit Hilfe von Nicole sind alle Ausreißer bald wieder da. Mittlerweile sind die Hunde natürlich kaum noch zu bändigen, das Prozedere bis zur Abfahrt dauert ihnen zu lange, und so rasen wir dann endlich noch ungestümer als gestern von der Farm ...

Wann geht es denn los?

Nicole fährt mit dem Auto voraus und sichert kurzzeitig die Straßen, die wir hinter der Farm heute überqueren müssen. Ab dann haben wir nur noch Natur pur. Wir fahren in Richtung Särna, ich fliege wieder mal vom Schlitten und renne an Jürgen vorbei meinem Schlitten hinterher. Dabei sehe ich, seine Wange ist voll Blut, ein Ast war im Weg. Es sieht jedoch dramatischer aus als es ist. Aber eine kleine Narbe wird ihn noch sehr lange daran erinnern ...

Hinter Särna müssen wir über einen zugefrorenen See, die Oberfläche ist stellenweise aufgeweicht. Meine Hunde werden langsam, obwohl es nur eben ist. Stefan kann es erklären. Einige meiner Hunde und auch  Merlin aus dem Explorer Team sind mal mit ihm zusammen bei - 30° C im Eis eingebrochen, deshalb sind sie sehr vorsichtig und haben Angst. Recht haben sie! Hinter dem See geht es überwiegend nur noch aufwärts. Wir helfen den Hunden dabei, indem wir wie auf einem Tretroller mit den Füßen den Schlitten etwas anschieben. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich, es geht durch tief verschneite Wälder und über angefrorene Moore. Auch hier zeigen die Hunde Nerven, denn kaum sehen sie Wasser im Trail, ziehen sie uns erbarmungslos aus der Spur. Zum Glück fällt keiner von uns vom Schlitten ins Wasser ...

Traumhafte Landschaft, traumhafte Strecke - sind wir in einer anderen Welt?Unterwegs erfährt Stefan, dass der gesamte Trail bis zur Hütte vom Motorschlitten gespurt ist. Der Stress fällt ab. Kurz vor Lissevallen werden die Hunde "gesnackt". Jeder bekommt ein großes Stück einer speziellen, kalorienreichen Hundewurst. Wir wollen keine Pause für uns, zu schön ist die Strecke und zu kurz ist das Tageslicht. Wir steigen von Lisservallen aus in einem großen Bogen weiter ins Gebirge bis auf fast 1.000 m, es hat - 20°C, uns und den Hunden wird jedoch nicht kalt.

Nun stellt sich heraus: Die Auskünfte waren falsch. Das letzte Stück ist nicht gespurt und so spuren die Hunde durch eine atemberaubende Landschaft langsam im Tiefschnee ihren Trail. Stefan zeigt, wie man ein großes Gespann durch ungespurtes Gelände führt. Wir sinken ein bis zu den Oberschenkeln, wenn wir den Hunden durch Hinterherlaufen helfen wollen. "Rollerfahren" behindert hier mehr, als dass es hilft ...

Nun macht sich bezahlt, dass wir auf die Pause verzichtet haben, denn wir erreichen die Hütte Nysättervallen (N61°51.81´E013°14.863´) auf 720 m in der Dämmerung gegen 15:30 Uhr. Eine Strecke von fast 70 km sind wir heute gefahren. Doch nun beginnt der nächste Teil der Arbeit, alle müssen anpacken. Für jedes Gespann wird eine "Stakeline" (lange Kette)  zwischen zwei kräftigen Bäumen befestigt, daran werden die Hunde für die Nacht festgemacht, nachdem wir ihnen das Geschirr ausgezogen haben.

Wer allerdings meint, die Hunde müssten müde sein, irrt! Es braucht schon viel Kraft, die Hunde bis zur Stakeline zu ziehen, zu schieben und zu zerren. Im tiefen Schnee hat man selbst keinen Halt und landet schon mal samt Hund auf dem Rücken. Aber sie lassen alles über sich ergehen, knurren nie und bleiben stets freundlich. Nur manchmal schauen sie uns ganz geduldig an und man versteht die Frage: "Müsst ihr Menschen denn so ungeschickt und langsam sein?"

Ein weiteres, kältebedingtes Problem sind die eingefrorenen Karabinerhaken. Mit Handschuhen ist man zu unbeweglich und mit bloßen Händen bleibt man schon mal am Metall kleben. Aidshandschuhe sollen hier helfen, aber so etwas haben wir nicht dabei. Erst als alle Hunde festgemacht sind, können wir in die Hütte. Die Geschirre werden zum Trocknen aufgehängt, Holz wird geholt und der Ofen in der Stube angeheizt. Wir haben Glück, denn der Brunnen hat noch Wasser, wir müssen keinen Schnee schmelzen. Große Töpfe mit Wasser werden für die Hunde erwärmt. Die Stube heizt sich auf.

Im Vorraum, der als Küche fungiert, sind bald schnuckelige +6°C. Stefan beginnt mit der Fütterung der Hunde, erst der Hund - dann der Mensch!

Ich reiße das Küchenregiment an mich, inspiziere die Vorräte und koche auf dem Gasherd erstmal Suppe, die alle mit Begeisterung löffeln. Auch das Hauptgericht ist bald fertig. Allen schmeckts und alle werden satt. Vorsicht ist in der Küche bei der Spüle angesagt, hier darf nämlich kein Wasser abgelassen werden, denn dann könnten die Rohre platzen ...

Erwähnenwert ist das Plumpsklo, das einige Meter entfernt von der Hütte steht und in dem man dank der frostigen Temperaturen festzufrieren droht, wenn man zu lange braucht. Eines wird uns jetzt schon klar: Das wird ein frisches Morgenvergnügen geben!

Stefan beschließt, die dünne Venus soll in der Hütte schlafen und Svenja darf das auch. Wobei Svenja dies weniger ihrer zarten Figur zu verdanken hat, als vielmehr ihrer Fähigkeit, sich aus Hundehalsbändern schnell zu befreien. Beim bullernden Ofen, im Kerzen- und Gaslampenschein kommt schon bald eine prächtige Stimmung auf, für den morgigen Tag ist eine Rundfahrt durchs Fjäll geplant.

Stefan nimmt seinen Schlafsack und stapft nach draußen, er wird die Nacht draußen bei seinen Hunden verbringen und es wird eine kalte Nacht mit -25°C bis -30°C. Stefan - Knallhart!

Weniger knallhart ist da Svenja, sie teilt sich mit Manuel das Bett ...

Ohne Kommentar ....


© Text/Bilder 2000 S. Zerlauth