Libyen 2006

In die Wüste, der Sonnenfinsternis wegen ...


"Es gibt Dinge, die man fünfzig Jahre weiß, und im einundfünfzigsten erstaunt man über die Schwere und Furchtbarkeit ihres Inhaltes. So ist es mir mit der totalen Sonnenfinsternis ergangen, welche wir in Wien am 8. Juli 1842 in den frühesten Morgenstunden bei dem günstigsten Himmel erlebten ... Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand und die Erscheinung mit eigenen Augen anblickte, da geschahen freilich ganz andere Dinge, an die ich weder wachend noch träumend gedacht hatte, an die keiner denkt, der das Wunder nicht gesehen." Adalbert Stifter (1805-1868).

Totale Sonnenfinsternis über Libyen: Es wird schlagartig kalt in der Wüste ... Libyen 2006: 3000 Kilometer Hitze, Staub und Abenteuer

Vor 164 Jahren niedergeschrieben, lassen uns Stifters Worte auch heute noch wohlig erschauern: Auch wir hatten nur eine Vorahnung, was uns am 29. März 2006 erwarten würde. Für diesen Tag hatten die Astronomen eine totale Sonnenfinsternis in Libyen vorausberechnet. 

Die optimale Wetterprognose für das Zielgebiet, eine relativ lange Totalitätsdauer von 4 Minuten und die landschaftliche Schönheit der Wüste waren uns eine anstrengende Reise wert. Wegen des Fehlens jeglicher touristischer Infrastruktur in Libyen schlossen wir uns der organisierten Wüstenexpedition von Saro in Rosenheim an. Voraussetzung für die Teilnahme war ein Geländewagen und drei Wochen Zeit für die geplante Fahrtstrecke von 7000 Kilometern ... 


Feinstaub? Der Wüstensand dringt durch allerkleinste Ritzen ... Alle helfen: Der lange Pajero festgefahren in der Düne ...

Es war uns sehr wohl klar, dass dies kein Picknick sein würde - aber schließlich hatten wir die Beruhigung, mit unserem Mitsubishi Pajero Classic die allerbesten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewältigung der vor uns liegenden Strapazen mitzubringen. Die vielen Siege bei der Dakar Wüstenrally kommen ja nicht von ungefähr! Auch in der Zivilausgabe des erfolgreichen Wüstenrenners pocht ein starkes Herz: Mit 160 PS und 373 Newtonmetern Drehmoment sorgt der hubraumstarke 4-Zylinder Dieselmotor für überaus kraftvollen Vortrieb ...

Besonders wichtig ist das beim Durchqueren der berüchtigten Fech-Fech Feinsandfelder, wo schwächer motorisierte Fahrzeuge oftmals stecken bleiben. In Verbindung mit dem Super Select II Allradantrieb mit sperrbarem Zentraldifferential und Geländeübersetzung ist unser Pajero auch überaus pistentauglich.

Und last but not least ist das üppig bemessene Tankvolumen von 90 Litern sehr wichtig in einem Land, wo das Öl zwar überall unter der Erde liegt, Tankstellen aber nicht gerade hinter jeder Sanddüne anzutreffen sind ...

Auch ohne TÜV: Libyer sind begeisterte Off-Roader ... Wie hoch ist eigentlich die eingetragene Dachlast bei unserem Auto ..? Ghaddafi: Der alternde Staatslenker ist allgegenwärtig ...

Bei soviel guter Veranlagung brauchen wir eigentlich nur noch die wüstentaugliche Ausrüstung einzuladen: Vom Zelt über die Sandschaufel bis hin zu Kompass und Solardusche haben wir alles dabei, um uns ein relativ komfortables, aber auch sicheres Überleben in der Wüste zu ermöglichen. Einfach toll, was unser Kofferraum schluckt. Es bleibt sogar noch ausreichend Platz für die sperrigen Teleskope zur Beobachtung der Sonnenfinsternis.

Dann geht es los: Wir starten mit Ziel Genua. Schnell und komfortabel spulen wir die 800 Autobahnkilometer bis zur Autofähre ab und bereits am nächsten Tag schaukelt unser Pajero auf der sanften Dünung des Mittelmeers gen Afrika. An Bord ist viel Zeit, die anderen Reiseteilnehmer kennen zu lernen. Die meisten sind schon öfter auf großer Tour gewesen. Schnell freunden wir uns mit dem 65-jährigen Besitzer eines Mitsubishi Pickup L 200 Club Cab Magnum an. Er erzählt, dass er schon mehr als 20.000 Wüstenkilometer pannenfrei hinter sich gebracht hat und schwört auf sein Auto mit dem Diamant auf dem Kühlergitter ... 

In Tunis rollen die 16 Geländewagen unserer Gruppe vom Schiff. Flott geht es auf gut ausgebauten Straßen in den Süden. Dann die Ernüchterung: Der Grenzübertritt nach Libyen ist ein mehrstündiges Martyrium. Es müssen weiße und gelbe Zettel ausgefüllt und die Passdaten von den Beamten handschriftlich ins Arabische übersetzt werden. Als sich die letzte Schranke hebt, erfolgt aber umgehend Wiedergutmachung für die erlittene Seelenpein: Die gelbe Lampe im Armaturenbrett leuchtet bereits, als wir unseren Pajero an der grenznahen Tankstelle mit Diesel befüllen. Volltanken für den Preis einer Maß Bier auf dem Oktoberfest! Das Leben kann ja so schön sein ...

Nachdem wir unsere Lebensmittelvorräte ergänzt haben, geht es erstmalig runter von der geteerten Straße: Seitlich versetzt und mit einer riesigen Staubfahne hinter uns, tauchen wir in die menschenleere Steinwüste ein. Die Abfolge vorher bestimmter Navigationspunkte auf dem Display des GPS Satelliten-Empfängers ermöglicht die exakte Orientierung. Die Einzelradaufhängung und der lange Radstand unseres 5-Türers lassen uns geradezu leichtfüßig über das rüttelnde Pisten-Wellblech fliegen. Langsam durchdringt die Wüste jede Ritze unseres Bewusstseins. In unserem Pajero erleben wir diese abstrakte Umgebung auf die bequemste Art und Weise, leise umfächelt vom kühlenden Luftstrom der Klimaanlage ...

Pajero unter Palmen ... Nur die Harten kommen in den Garten ... Aus für den Touareg: Nach Fahrfehler Sand im Turbolader ...
Erg Ubari Sandwüste: Paradies für jeden Offroader Badefreuden in der Wüste: Naturwunder Mandaraseen ... Schwarzes Gold in weissen Röhren: Libyen lebt nicht schlecht vom Öl im Wüstenboden ...

In der Sandwüste des Idhan Ubari erlernen wir relativ schnell das richtige Queren von Dünen: Immer mit Schwung und gefühlvoll geht es hinauf, mit Motorbremse und in gerader Fallinie auf der anderen Seite hinunter. Um das Eingraben der Räder zu verhindern, fahren wir mit reduziertem Luftdruck. Bei 1,3 Bar vergrößert sich die Auflagefläche der Reifen schon deutlich und der Wagen sinkt nicht mehr so schnell ein. Hat man den richtigen Dreh erst einmal raus, verlieren selbst unüberwindlich scheinende Dünen ihre Schrecken.

Im ständigen Wechsel geht es hoch und nieder und unser Pajero Classic wird zum Wüstenschiff: Es macht einfach tierischen Spaß, mit diesem Auto durch das Sandmeer zu gleiten. Ein Erlebnis mit Suchteffekt, vor allem nach unserem adrenalinfördernden Steilabstieg von einer hundert Meter hohen Sicheldüne. Kein Problem für die starke Geländeübersetzung des Mitsubishi - nur das Lenkrad festhalten, weder bremsen noch kuppeln, den Rest erledigt der Wagen schon fast wie von selbst.

Beobachtungsstation: Schöne Fernrohr-Aufnahmen der Sonnenfinsternis ...Am Ende werden wir belohnt mit dem faszinierenden Anblick des Um el Ma, einem palmenumsäumten See, gespeist aus Jahrtausende altem Grundwasser. Wir sind tief bewegt beim Anblick dieser Oase der Abgeschiedenheit. Unser Pajero hat uns die Tür zu einem geheimen Platz der Schönheit geöffnet ..!

Auf dem weiteren Weg zur Zone der verfinsterten Sonne überqueren wir das karge Gebirge des Jabal Bin Ghanima. Die Belastung für alle Fahrzeuge ist hier extrem hoch: Kurz hintereinander machen bei einem der Offroader zwei Reifen schlapp. Spitzes Gestein hat sich durch die Gummiflanken gebohrt. Zum Glück hat die Besatzung zwei Ersatzräder dabei und der Radwechsel geht trotz der glühenden Außentemperatur zügig vonstatten.

Weniger Glück hat der Besitzer eines anderen Geländewagens: Ein Motorschaden bedeutet das vorzeitige Ende für seinen Offroader. Das Fahrzeug muss mehrere Tage am Seil durch die Wüste gezogen werden. Unser Pajero und der L 200 bleiben glücklicherweise von Pannen verschont. In der Dämmerung des Vorabends zur Finsternis erreichen wir erschöpft und müde die vorausberechnete Position für die Sonnenfinsternis. 

Um uns herum ist das absolute Nichts: Es sieht aus wie auf dem Planeten Mars. Kein einziger Grashalm, nicht mal Insekten. In der Trockenwüste des Sir Tibesti hat es seit Jahrzehnten nicht mehr geregnet. Außer uns gibt es hier keine Lebewesen ...

Am nächsten Morgen erfolgt der Aufbau der Instrumente. Testaufnahmen werden gemacht, der Himmel ist tiefblau und wolkenlos, nur der Wind bläst unangenehm stark aus Nordost. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Totalität wird es merklich kühler: Pullover werden übergestreift. Der Wind lässt aber immer mehr nach. Die Umgebung erscheint zunehmend in einem kraftlosen und fahlen Licht. Taschenlampen werden in Griffweite positioniert ...

Trainingsgelände für Astronauten: Teleskop im Tibesti - Nirgendwo ... Warten auf die Finsternis: Die Instrumente müssen eingerichtet werden ...
Teilverfinsterung: Sonnenbeobachtung mit Spezialfiltern ... Mittags in der  Wüste: Vier Minuten Nacht und ein schwarzes Auge am Himmel ...

Noch bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreicht, dimmt eine geheimnisvolle Kraft das Umgebungslicht wie im Kino herunter. Jubel und Jauchzen: Wie ein schwarzes Auge, umgeben vom hellweißen Lichtkranz der Korona, der äußersten Atmosphärenschicht der Sonne, steht die vom Mond bedeckte Sonne am Himmel. Schon mit bloßem Auge sind Strukturen zu erkennen und im Fernrohr zeigt sich ein feingliedriges Strahlengeäst, das durch Magnetfelder auf der Sonne in seine Bahn gezwungen wird. Der Planet Venus ist hell strahlend am Himmel zu sehen.

Der Wüstenhorizont ist wie nach einem Sonnenuntergang orangefarben aufgehellt. Ein letztes "Ahh und Ohh" aus vielen Kehlen, bevor der Schatten des Mondes mit 3.000 Kilometern pro Stunde endgültig über uns hinweggerast ist.

Mit 3000 km/h rast der Schatten weiter: Am Horizont wird es schon wieder hell ...Ein wahrhaft kosmisches Schauspiel ist vorbei. Das Erlebnis einer totalen Sonnenfinsternis hat sich für den Rest des Lebens unauslöschlich in unsere Gehirne gebrannt ...

Nach einem wohlverdienten Ruhetag sind wir nach Norden unterwegs, in Richtung des weltberühmten Wau en Namus. Über den Rand des "Mückenkraters" blickt man in eine kilometergroße Senke. In feinen Blautönen schimmert die Wasseroberfläche aus mehreren Kraterseen. Auf tiefschwarzem Sand umrunden wir dieses Naturwunder und steigen zu Fuß in das riesige Kraterloch des erloschenen Vulkans.

Wir sind jetzt wieder auf dem Rückweg in die Zivilisation. Nach strammer Fahrt über geteerte Straßen erreichen wir schon nach zwei Tagen die Mittelmeerküste. Ein Besuch der Hauptstadt Tripolis und der ehemaligen Römersiedlung von Sabratha stehen zum Abschluss unserer Reise auf dem Programm.

Für uns war diese abenteuerliche Fahrt ein sehr tiefgehendes Erlebnis. Fest steht: Am 1. August 2008 ist die nächste totale Sonnenfinsternis zu sehen. Diesmal in der unermesslichen Weite Sibiriens, nahe der Stadt Novosibirsk. Unser treuer Pajero wird uns uns bestimmt auch dorthin begleiten ...


© Text/Bilder 2008 Stefan Thiele, Teleskope von AIT