Weitere Eindrücke in Georgien
Während des weiteren Aufenthaltes änderte sich unser Eindruck vom grimmigen und mürrischen Georgier zum "Georgier sind sehr unterhaltsam und lustig, wenn sie trinken." In Tbilisi lernten wir zwei junge Einheimische auf einer Restaurantterrasse kennen: Schon als sie ankamen, sahen sie etwas beschwipst aus. Jeder hatte eine Dose Bier dabei und sie fragten den Kellner ernsthaft nach einem Glas. In Deutschland unvorstellbar!
Tatsächlich brachte der Kellner zwei Gläser. Gleichzeitig hatten sie einen Viertelliter Chacha-Schnaps und zahlreiche Khinkalis bestellt. Beim Chacha handelt es sich übrigens um einen starken Schnaps, der aus den Resten bei der Weinherstellung entsteht. Ich würde ihn auf einen Alkoholgehalt von circa 40 - 50 Vol. einschätzen.
Auch wir haben daraufhin Khinkalis und Chacha bestellt: Wenige Augenblicke später haben wir zusammen angestoßen und trotz der Verständigungsschwierigkeiten einen netten Nachmittag verbracht. Der eine Georgier sprach grundlegendes Englisch, der andere nur Russisch und seine Muttersprache.
Mit Alkohol im Blut klappte die Verständigung dann doch irgendwie: Ich kann mich noch gut an den Satz "This is our king and this is our church" erinnern. Wir saßen nämlich am Fluss Mtkvari gegenüber einer Kirche und einer Statue. Natürlich war das Gelächter laut ...
Zumindest hatte sich unser Eindruck über die ernsten Georgier etwas geändert: Ich habe es irgendwann hingenommen, dass sie immer grimmig schauen, egal ob die Sonne scheint oder es regnet. Erst wenn man ihnen zulächelt und ein Gespräch beginnt, tauen sie so langsam auf. Es scheint wohl in den Genen zu stecken ..?
Ab ans Schwarze Meer
Je mehr wir vom kleinen Land im Kaukasus sahen, desto mehr gefiel es uns. Unsere Reise ging weiter nach Batumi ans Schwarze Meer: Von Tiflis aus erreicht man die Schwarzmeerküste in "nur" fünfeinhalb Stunden mit dem Zug. Es war nicht irgendein Zug, sondern ein Schweizer Doppeldecker-Zug der Marke Stadler. Brandneu von innen wie von außen. Natürlich ist dies nicht der Standard in Georgien, aber für diese Strecke setzt man neue Züge ein.
Mit stets 80 km/h ging es durch das bergige Landesinnere, vorbei an tollen Landschaften bis zur Küste. Zwar könnten die Züge bis zu 160 km/h fahren, die alten Gleise bremsen ihn aber aus ...
Ich erinnere mich sehr gut an die eintönige Fahrt: Es gab weder ein Bordrestaurant noch sonst irgendeine Art von Unterhaltung. Dafür waren die Sitze der Zweiten Klasse sehr bequem. Das Erste Klasse-Abteil hatte lediglich weniger Sitzplätze, ansonsten sah alles gleich aus.
Im Jahr 2021 haben die 400 Kilometer Fahrt von Tiflis nach Batumi circa 6 Euro gekostet. Heute, Ende 2023, zahlt man bereits 12 Euro für die Strecke, also das Doppelte. Zugfahren ist wohl nur für die wohlhabende Generation Georgiens. Natürlich sind 12 Euro für uns Deutsche immer noch ein Witz, wenn man bedenkt, dass ein ICE-Ticket von Frankfurt nach Würzburg schon 35 Euro kostet, den Sparpreis mal ausgenommen.
Batumi oder Las Vegas?
Wenn man aus anderen Teilen Georgiens nach Batumi anreist, ist der Schrecken groß: Keiner würde moderne Hochhäuser, zahlreiche Casinos und einen langen Boulevard erwarten. Die vielen Casinos werden vor allem von türkischen Touristen aufgesucht, schließlich liegt die Grenze zum Nachbarland nur 20 Kilometer entfernt. Und in der Türkei ist "Gambling" verboten.
Natürlich gibt es auch einen alten Stadtteil in Batumi, der immer noch aussieht, als wäre die Zeit stehen geblieben. Konzentrieren wir uns aber lieber auf das Außergewöhnliche am Schwarzen Meer.
Vor allem das Zentrum rund um den Europaplatz wird gerne von Touristen besucht. Er ist umgeben von Gebäuden aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die dem Baustil einiger europäischer Städte nachempfunden sind. Die Architektur der Altstadt von Batumi ist ein bunter Mix aus der osmanischen, sowjetischen und der neuen, modernen Architektur.
Man merkt schnell, dass auch internationale Architekten an den Projekten beteiligt waren. Auch wenn ich kein großer McDonalds-Fan bin, ist zum Beispiel das Design der Filiale von Batumi sehr speziell. Ich würde fast sagen, der Baustil ist einem Raumschiff nachempfunden.
Viele wollen wegkommen von den sozialistischen Bauten, auch wenn die neue Entwicklung bei der Bevölkerung viel Unmut erregt ...
Eine Einladung zum Essen
Im Hotel Lifetime in Batumi ist es dann passiert: Wir sind von den Gastgebern zum Essen eingeladen worden. Unter dem Begriff "Hotel" versteht man in deutscher Sprache oft ein Haus einer großen Hotelkette. Hier handelte es sich vielmehr um ein älteres renoviertes Gebäude mit nur etwa sechs bis acht Zimmern und einem großen Aufenthaltsraum.
Geleitet wurde die Unterkunft von einer sehr netten alten Georgierin namens Nana. Sie sprach sogar ein bisschen Englisch. Gefühlt heißt aber jede zweite ältere Dame in Georgien so. Ebenfalls lernten wir den Sohn Levan kennen, der uns am Abend zum Essen einlud - natürlich im selben Hotel. Auch die Frau von Levan war anwesend. Beide sprachen gutes Englisch und waren sehr nett. Bei den Georgiern gibt es sogar beim Essen spezielle Sitten und Bräuche.
So wird vor einem größeren Abendessen mit spezieller Tischkultur, der sogenannten Supra, ein Tischmeister (Tamada) bestimmt. Letzterer ist für die Trinksprüche zuständig. die vor dem Nippen am Glas ausgesprochen werden. Es handelt sich dabei meist um sehr persönliche und tiefgründige Worte ...
Levan hatte an diesem Abend vor dem Trinken mehrmals seine Mutter Nana erwähnt, der er alles zu verdanken hat. Nicht nur sein Leben, sondern auch sein Besitztum. Ich vermute, dass die Einnahmen der Unterkunft in der Familie geteilt werden. An diesem Abend durften wir tiefer in die Esskultur und Sitten der Georgier eintauchen. Am nächsten Tag hat uns Levan sogar noch auf eine Tour durch Adscharien eingeladen.
Im Gegensatz zum restlichen Teil des Landes ist die Küstengegend Adschariens bedeutend grüner und feuchter. Bei unserem Ausflug fuhren wir zu einem Wasserfall, die Gegend hat uns wirklich beeindruckt. Mittlerweile, Stand Ende 2023, war ich bereits dreimal in Georgien zu Besuch: Abgesehen von den Anfangsschwierigkeiten und den teils grimmigen Menschen habe ich auch viele schöne Erfahrungen machen dürfen: Georgien, ich komme wieder!
© 2023 Tom Bischoff
Nachtrag der Red.: Besuch am georgischen Messestand ...
Vom 27.11. bis 03.12.2023 fand auf dem Münchner Messegelände die "Heim + Handwerk / FOOD & LIFE" statt. Ausgerechnet am Samstag, den 02.12.23, musste diese allerdings geschlossen bleiben, weil München und die Region von einem extremen Wintereinbruch mit ungewohnten Schneehöhen heimgesucht wurde, der nicht nur den öffentlichen und privaten Verkehr weitgehend lahmlegte, sondern auch eine Messeschließung erforderte.
Glücklicherweise machte sich das Explorer Team bereits am Vortag, nämlich am Freitag, den 01.12. auf den Weg zur Messe und besuchte bei dieser Gelegenheit auch den georgischen Messestand von weinachy im Bereich FOOD & LIFE. Schnell kamen wir ins Gespräch mit den äußerst freundlichen georgischen Ausstellern, die seit einigen Jahren in Innsbruck leben und regelmäßig zur Münchner Messe kommen.
Ihr Motto haben sie auch ihrer Webseite vorangestellt: "Das Sammeln des besten Georgischen Weins aus ausschließlich Georgischen Rebsorten und die Vorstellung desselben bei Weinkonsumenten auf der ganzen Welt, unter Wahrung der einzigartigen georgischen Traditionen und unter Verwendung von 8000 Jahre alten Technologie und wissenschaftlichem Wissen in der Weinindustrie."
Neben georgischen Bränden interessierten wir uns natürlich insbesondere auch für die in Toms Bericht erwähnten Qvevri (Kvevri)-Weine mit der 8.000 jährigen Tradition, aber auch die Chacha-Technologie kam zur Sprache, die den gern verkosteten Schnaps betrifft. Selbstverständlich haben wir auch Weine für die Verkostung bei uns mitgenommen von der Messe (siehe Bilder oben) und wir können heute schon ankündigen, dass wir mit Sicherheit in einer der nächsten Ausgaben auch Georgien in unserer Rubrik (Rot-)Weinkeller aufnehmen werden.