Samstag, 10.05.2003
Um 7:45 Uhr rolle ich mich aus der Koje: Die Temperatur im Auto ist auch diese Nacht nicht unter 17-18°C gesunken und ich habe eigentlich gar keine Lust aufzustehen. Frühstück gibt es wieder in der Morgensonne, die sich heute aber gegen den Dunst etwas schwerer tut ...
Im Süden sieht es schon sehr nach Regen aus. Um 9:40 Uhr, die Sonne hat sich inzwischen hinter die Wolken verzogen, mache ich mich auf Richtung Bassano del Grappa. Vorher muss ich noch Tanken und zum Einkaufen. Kurz vor Bassano lädt ein coop-Zentrum ein, den gerade niedergehenden Regenschauer dort zu verbringen. Wenig später beruhigt sich das Wetter etwas und ich fahre weiter nach Bassano: Kurz vor Zwölf ist es hier noch mächtig voll auf den Parkplätzen, aber mit etwas Glück finde ich mitten im Zentrum eine Lücke. Auch hier gibt es Parkgebühren. Jedoch wird die Mittagszeit nicht berechnet und ich kann bis 14:30 Uhr für 40 Cent stehen bleiben.
Bassano liegt am Fuß des mächtigen Monte Grappa, der sich heute allerdings in Wolken hüllt. Die Altstadt ist sehr charmant und an jeder Ecke gibt es Spezialitätenläden mit dem bekannten Tresterschnaps "Grappa" in allen Formen, Farben und Geschmacksrichtungen.
Auch getrocknete Steinpilze werden in großer Auswahl angeboten und ich kann nicht widerstehen, eine Kostprobe mitzunehmen. Für das Erinnerungsfoto posiert der Ladenbesitzer stolz vor seinem Sortiment.
Die Menschen geben sich leger bis elegant und stehen zum Teil auch vor den kleinen Kneipen und genießen Prosecco, Wein oder einen Aperitiv. Schließlich ist ja Samstag und Einkaufen ist so anstrengend ...
Nach einem Bummel durch die Altstadt mit seinem großen Wochenmarkt, lande ich zufällig auf der größten Attraktion Bassanos: Der "Ponte degli Alpini".
Diese überdachte Holzbrücke war Schauplatz der Verteidigung des Ortes durch die italienischen Alpini gegen die Tiroler (einige Einschüsse an den Hausmauern hat man extra nicht neu verputzt) und wurde nach ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg von den Bewohnern wieder aufgebaut. Der ursprüngliche Bauplan stammte sogar vom Baumeister Palladio, der in ganz Oberitalien seine Spuren hinterlassen hat.
Nach dem etwas verregneten Stadtbummel nutze ich meinen fahrenden Hausstand als Verpflegungsstation und überlege mir die weitere Tagesgestaltung. Im Hinblick auf die tief hängenden Regenwolken werde ich keine Tour ins Hochland von Asiago mehr machen, sondern noch ein kleines Städtchen besichtigen. Meine Wahl fällt auf Feltre, das in Richtung meines Stützpunktes La Rocca liegt.
Nach einer guten halben Stunde Fahrt komme ich in Feltre an und finde nach einiger Kurverei einen Parkplatz in der Nähe der Stadtmauer: Die Altstadt liegt strategisch günstig auf einem Felsrücken und ist absolut sehenswert. Umschlossen von einer intakten Stadtmauer mit zwei Torzugängen drängen sich die Häuser. Großteils aus dem 15. Jh., können sie Ihr Alter nicht verheimlichen, aber vielleicht ist es gerade der Verfall, der den Reiz dieser Altstadt ausmacht. Auch hier gibt man sich ausgiebig der Mittagsruhe hin und so kann ich meine Jonglierübungen mit Regenschirm und Digitalkamera recht ungestört vollführen.
In einem ausliegenden Faltblatt werden die Museen des Ortes beschrieben (die leider noch bis 16 Uhr geschlossen sind) und ich beschließe, irgendwann einmal wieder zu kommen und Feltre einen intensiveren Besuch abzustatten. Zufrieden mit der kulturellen Ausbeute des Tages fahre ich zurück zum Campingplatz und beende meine Besichtigungstour mit einem ausgezeichneten Cappuccino an der Bar. Etwas später sitze ich nun unter meinem Tarp und höre, während ich schreibe, den Regentropfen zu. Ein am See gefundenes Wurzelstück inspiriert mich zum Schnitzen und so entsteht dann noch ein kostenloses Reiseandenken.
Ich bin erstaunt, mit welch einfachen Mitteln eine echte Erholung und Entspannung möglich ist und genieße die Ruhe um mich herum. Lediglich meine Tarpkonstruktion erweist sich nicht unbedingt als optimal: Es bilden sich bei stärkerem Regen dicke "Wassersäcke", die ich immer wieder mal entleeren muss und die jedes Mal einen Wasserfall links und rechts neben mir verursachen. Hier muss ich mir wohl noch eine Verfeinerung einfallen lassen.
In der Nacht regnet es leicht weiter, aber Unwetter bleiben aus und ich habe ja eine trockene Schlafgelegenheit ...
Sonntag, 11.05.2003
Der Morgen ist freundlich und die Temperaturen sind mild. Lediglich ein Blick an die mich umgebenden Berghänge macht mir klar, dass auch heute nichts mehr aus einer Offroadtour werden kann. Die Wolken kleben wie Kleister auf den Bergen und ich würde auf der Hochebene Asiagos nur im Nebel herumstochern. Zufrieden mit dem bisherigen Verlauf meines Unternehmens beschließe ich, den direkten Weg über den Brenner nach Hause zu nehmen. Nach 5 Stunden Fahrt habe ich den Rückweg geschafft und eines ist sicher: Ich komme wieder!
Nachtrag, November ´03: Erinnerungswein-Verkostung ...
Uns erreichte noch eine Mail von Matthias, der in der Zwischenzeit ein "Andenken" an seine Reise verkostete und daraus einen Beitrag für unseren Weinkeller-Bestand aus Apulien machte:
hallo jürgen,
wieder mal ein lebenszeichen von mir ;o) . .
. . in gedanken an meine "reise nach la rocca" ...
mir
hat´s spaß gemacht und dabei geschmeckt ;o))))) !
viele grüße matthias
Der Wein zur Reise: La Rocca Vino Rosso 2002
Na ja, zugegeben, das mit der Reise stimmt nur halb. Von meiner "Reise nach La Rocca" habe ich diesen Wein nicht mitgebracht. Liegt "mein" La Rocca doch in der Nähe von Bassano del Grappa und damit eher in einem Gebiet, in dem vornehmlich Prosecco durch die Kehlen fließt.
Davon konnte ich mich auch selbst überzeugen, als ich vormittags im Einkaufszentrum nördlich von Bassano an der Bar meinen Espresso bestellte. Um mich herum standen lauter Männer und Frauen, die sich ein Glas Prosecco und ein paar Panini gönnten ;o). Keiner trank Wein, weder weiß noch rot.
Trotzdem konnte ich bei meinem Einkauf in einem Münchner Fachgeschäft für italienische Spezialitäten nicht widerstehen, als gleich neben dem Eingang ein Vino Rosso mit der Aufschrift "La Rocca" angeboten wurde. In Erinnerung an meine kleine Reise musste ich diesen Wein probieren.
Es handelt sich um einen 2002er aus Apulien, das ja bekanntlich ganz im Süden Italiens den Stiefelabsatz bildet. Die Azienda Vinicola in Torrevento erzeugt diesen Wein, der aus Sangiovese (50%) Merlot (30%) und Primitivo (20%) besteht, in einer modernen Kellerei. Die rubinrote Farbe und der intensive Duft nach Waldfrüchten und Holznoten macht schon beim Einschenken Laune. Im ersten Schluck schmeckt man Brombeere, Kirsche und etwas Preiselbeere. Der Körper ist rund und robust. Im Abgang klingen die noch jungen Tannine nach, die durch ausreichendes Dekantieren sicher noch weicher werden. Alles zusammen ergibt einen guten Begleiter zu gegrilltem Fleisch, Wild oder Käse. Bei uns gab es gegrillten Radicchio mit Scamorza überbacken und einer Soße aus getrockneten Tomaten, dazu Ciabatta.
Ein Gedicht!
© 2003 Text / Bilder Matthias Bernhard