5. Tag - südlich von Cesana Torinese, Colle Bercia, Colle Saurel, Lago Nero, Valle del Thùres
In der Nacht hatte es viel geregnet und es herrschte ein sehr starker Wind, der das Zelt kräftig durchschüttelte. Als früh morgens die Sonne heraus kam, war es schnell wieder trocken und es gab angenehme Temperaturen. Das heute zu befahrende Gebiet lag ebenfalls günstig zu unserem Camp: Die Auffahrt zum Lago Nero ist problemlos für jeden normalen PKW fahrbar. Wenn man aber die zahlreichen Nebenstrecken fährt, findet man viel schönen Schotter. Das Gebiet da oben wird vermutlich von Offroadern als Übungsgelände missbraucht. Überall findet man Spuren und wild angelegte Auffahrten - die ganze schöne Landschaft ist zerpflügt.
Wir bewegten uns auf dem riesigen Skigebiet von Cesana Torinese und waren bemüht, nicht über die Grenze nach Frankreich zu geraten - aus Angst vor den französischen Gendarmen. Die Gefahr ist groß, auf der französischen Seite abzufahren in Richtung Le Bourget oder auch Montgenènevre, da man den Verlauf der Grenze ja nicht sehen kann. Man ist zwar versucht, es zu riskieren, sollte es aber unbedingt bleiben lassen.
Das Mittagessen nahmen wir oben im Sporthotel ein, das sogar geöffnet hatte. Im Winter ist hier bestimmt mehr los als im September ...
Am Nachmittag ging es noch in das Valle del Thùres, ein lang gezogenes Tal südöstlich von Cesana Torinese. Bis ganz ans Ende des Tales kamen wir aber nicht, da riesige Muren den Talboden verschüttet hatten und die Fahrerei in Schinderei ausuferte. Auf der Rückfahrt konnten wir wieder viele fettgefressene Murmeltiere sehen.
Auch der Mont Chaberton mit seinen Geschütztürmen war den ganzen Tag wieder sichtbar - ein wirklich dominierender Berg, der früher auch militärisch die ganze Gegend beherrschte, heute dagegen nur noch mit seinem Anblick. Abends nahmen wir unser üppiges Mahl wieder in einem Hotel am nordöstlichen Ortsrand von Oulx ein. Wir fanden es lustig, dass die Bedienung immer erst in der Küche fragen musste, ob wir noch essen könnten. Die italienische Küche ist - passend zur Weinregion Piemont -, wirklich vom Feinsten und etwas für verwöhnte Gaumen ...
6. Tag - Colle dele Finestre, Assietta-Höhenstraße, Forte Serin, Colle dell´Assietta, Colle Lauson, Colle Blegier, Colle Basset, Mont Fraiteve, Sestriere, Sauze d´Oulx
Nachdem Rainer unbedingt zum Jafferau fahren wollte, und ich schon zwei mal dort war, trennten sich unsere Wege für heute. Über Susa ging es zum Colle dele Finestre. Die Auffahrt ist leicht zu fahren und für Autos gebaut, auffallend heute die vielen Kastanien auf der Straße. Direkt am Sattel (2.176 m) gibt es wieder eines der vielen Fortes, das man besichtigen kann. Die Toilette hier bestand aus einer durchgehenden Steinplatte mit zwei runden Ausschnitten. Haben die etwa im Duett ...?
Etwas unterhalb vom Fort zweigt eine alte Straße ab, die westlich zum C.ma Ciantiplagna führt und am P.ta del Gr. Serin wieder auf die Assietta-Höhenstraße trifft. Diese Seitenstraße ist zwar unten mit einer Schranke gesperrt, die aber leicht zu umfahren gewesen wäre. Ich wollte natürlich die Mountainbikefahrer und Wanderer nicht belästigen, deshalb wartete ich etwas. Aber es bogen immer wieder neue Wanderer und Radfahrer in diese Straße ein, so dass ich es schließlich bleiben ließ.
Insgesamt ist die Assietta-Höhenstraße sehr leicht zu fahren: Bei schönen Wetter und guter Aussicht, so wie ich das an diesem Tag antraf, ist die Befahrung natürlich Pflicht.
Wenn man die Cima delle Vallette und den Gran Pela umfahren hat, kommt man wieder zu einer Abzweigung. Die Straße führt zum Gran Serin und zu einem alten Fort. Nachdem die Schranke offen stand, fuhr mein Motorrad wie von selbst in diese Richtung.
Oben am Forte Serin waren einige Motorradfahrer, die in der Mittagssonne ihre Siesta hielten. Als ich unterwegs so da stand und die Karte studierte, war ich plötzlich von lauter Motorrädern umzingelt, die alle aus dem gleichen Landkreis kamen wie ich auch. Es stellte sich heraus, dass der "BMW-Motorradclub Seefeld" einen Ausflug machte. Alle waren sehr schmutzig, was natürlich davon kommt, dass alle hintereinander herfahren und jeder den Staub vom Vordermann schlucken muss. Am besten ist hier wirklich der Tourguide dran, der hat immer die beste Luft und einen sauberen Luftfilter ...
Die anderen Seitenpisten sind alle gesperrt, denn es handelt sich hier oben um das Naturschutzgebiet "Parco Naturale Gran Bosco di Salbertrand". Man konnte viele Mountainbikefahrer, Wanderer und Murmeltiere sehen, letztere mit üppigem Winterspeck. Das sieht lustig aus, wenn sie davon laufen: Das ganze Hinterteil wackelt und schwabbelt (ich meine natürlich auch in diesem Fall die Murmeltiere! ).
Am besten gefiel es mir ganz im Süden der Assietta-Höhenstraße und somit außerhalb des Parce Naturale. Hier liegt der riesige Skizirkus der Via Lattea. Im Mittelpunkt Sestriére - ein großer Name im internationalen Wintersportgeschäft. Auch die anderen Namen wie Sauze d´Oulx, Cesana Torinese, Clavière, Montgenèvre sind wohlklingende Namen in den Ohren von Skifahrern. Aber auch in den Ohren von Offroad- und Endurofahrern!
Überall waren Wirtschafts- und Seitenwege. Auf den Skipisten wurde mit Baggern und Planierraupen "letzte Hand" angelegt. Es war ein Hochgenuss, die Skipisten herauf und herunter zu fahren - und das alles ohne Liftbenutzung, ohne Anstehen, ohne Skipass und im Sommer. Kaputt konnte man da auch nichts machen, denn wo nichts wächst und schwere Erdbaugeräte herum fahren und alles abhobeln, kann man sicher auch mit seinem leichten Gerät fahren. Einige Arbeiter winkten mir sogar freundlich zu, über einen frisch aufgeschütteten Sprunghügel zu fahren. Einfach traumhaft. Ich verglich das mit Deutschland: Wenn ich wieder mal Umzugsgedanken haben sollte, dann werde ich vielleicht ...
© 2002 Hans-Jürgen Weise