Am Lago d´Idro: Di, 30.10. - Mi, 31.10.01
Wir verlassen die Straße am Westufer des Gardasees in Gargagno. Am Westrand befindet sich hier die Villa Feltrinelli, das neuste und kleinste Grandhotel am Gardasee: Hier war der letzte Aufenthalt von Mussolini - Hitler beschlagnahmte 1943 das Haus und brachte seinen alten Freund, den Duce, hier unter und in Sicherheit - eine Art Schutzhaft. Mussolini passte irgend wie hier hin, hatte er doch während seiner Amtszeit die Tunnelstraße am See, die Gardesana, bauen lassen, die wir für unsere Rückfahrt noch benutzen wollten.
Die Fugawi-Teststrecke mit Höhenprofilen erwartet uns heute morgen: Über eine Passstrecke, die wir im Bereich der Valvestino erklettern, wollen wir den Lago d´Idro ansteuern. Wir testen nicht nur die neue Fugawi-Version und digitale Vektorkarten von Teleatlas, sondern auch unsere Idee der "Porta-Potti-Waypoints", die bei Bergfahrten die rechtzeitige Entlüftung der Campingtoilette sicherstellen sollen: Was man immer schon ahnte, erweist sich auch hier als richtig - eine wegen Nichtbenutzung leere Porta Potti entwickelt auch bei großen Höhendifferenzen keinen Überdruck ...
Vorbei am Lago di Valvestino geht die Fahrt in der Nähe des Valle Toscolano. Wir halten auf der Höhe vor toller Kulisse in der Nähe eines Schildes, das den Titel "Historische Wanderung Nr. 2" trägt und Näheres zur Umgebung erläutert: "Heutzutage verbinden Aspaltstrassen die sieben Ortschaften der Valvestino, aber bis vor wenigen Jahrzehnten waren sie nur durch Wege und Saumpfade verbunden. Viele dieser Strecken sind außer Gebrauch gekommen und der Wald hat sie teilweise versteckt ... Die Taldörfer liegen so, dass sie gegenseitig nur selten sichtbar sind: den antiken Verbindungswegen nachzugehen ermöglicht vor allem eigenartige Sichten der Ortschaften zu geniessen, die aus dem Tal unerkennbar sind. ... Die antiken Wege hörten jedoch nicht im Dorf auf wohin sie geführt hatten: sie durchquerten es und oft führten sie weiter bis über die Grenzen der Valvestino ..."
Schon bald erreichen wir eine Stelle auf der Höhenstraße, von wo aus wir einen hervorragenden Blick auf den unter uns liegenden Idrosee haben - wir sind fast am Ziel!
Unten angekommen stellen wir erneut fest, dass eine Beschilderung hierzulande überall hin führen kann, nur nicht zum Ziel - aber schon kurz darauf haben wir gewendet und fahren am Ostufer des Sees entlang in Richtung unseres Camps. Davor finden sich noch andere Campingplätze, aber die sind, wie die meisten um diese Jahreszeit, bereits geschlossen. Wir sind froh, dies vor unserer Abfahrt telefonisch überprüft zu haben, ansonsten stünde man jetzt wohl mancherorts vor verschlossenen Toren!
Der Azur Campingpark, Idro Rio Vantone (N45°45.248´ E010°29.869´), hat wie im Info-Telefon auf Deutsch angesagt, noch immer geöffnet. Das mit der deutschen Aufsprache hat seinen Grund: Diese Campinganlage gehört zu denen der AZUR Freizeit GmbH mit Sitz in Stuttgart, die neben vielen Plätzen in Deutschland auch diesen bis Mitte November geöffneten Campingplatz in Italien betreibt. Die Rezeption ist nicht mehr besetzt, dafür verspricht ein Zettel, dass zumindest heute abend jemand kurz vorbei schauen wird ...
Große Teile des Platzes sind bereits mit Bändern abgesperrt, insbesondere die schönsten Stellplätze am Seeufer, sonst ist bereits alles geschlossen: Laden, Restaurant etc. Auch das Wasser ist bereits weitgehend abgestellt, Müll kann nur noch vor dem Eingang des Campingplatzes abgelegt werden, auf dem Gelände selbst nirgends - alles, was nach einer Mülltonne aussehen könnte, wurde sorgfältig entfernt. Überhaupt: Die Angst des Italieners vor dem Müll zeigt sich allerorten im Fehlen von Mülleimern, denn offenbar wird vermutet, dass ein solcher weniger zur Sauberkeit der Umgebung beitragen, als vielmehr viele Zeitgenossen dazu veranlassen würde, die Umgebung als allgemeinen Müllabladeplatz zu nutzen. Also gibt es vermutlich deshalb nichts, was aussieht wie ein Mülleimer - auch eine Strategie, wenn auch eine merkwürdige!
Die Rezeption ist an diesem Abend zwei Stunden besetzt, der Mann erklärt auf Nachfrage, warum insbesondere die schönsten Stellen abgesperrt sind, es müsse ja noch so viel für das nächste Jahr getan werden: Säen usw. ...
Dass dann allerdings während der zwei Tage, die wir hier zubringen, kein Mensch irgend etwas tut auf diesem Platz, überrascht uns überhaupt nicht - wir sehen uns in unserer Vorahnung bestätigt. Diese hatte uns am Ankunftstag veranlasst, die Absperrungen auf dem Gelände zu umfahren und uns trotzdem ans Seeufer zu stellen - wir hätten uns geärgert, wenn wir auf diesen Humbug hereingefallen wären!
Nur wenig Sonne gibt es hier am Tage um diese Jahreszeit wegen der hohen Wände ringsum und dem jetzt schon tiefen Sonnenstand. Morgens wird vielleicht noch eine Temperatur von 10-12°C erreicht, man merkt hier bereits die größere Höhe. Aber im Sommer dürften sich ideal schattige Bedingungen in diesem landschaftlich wunderschön am See gelegenen Camp ergeben.
Auf die Vorzüge dieser Gegend hatte uns schon der Azur-Prospekt hingewiesen: "Nur 40 km Luftlinie vom Gardasee entfernt, liegt verträumt im stillen Bergtal der Idrosee. Wer einmal von einer Anhöhe auf ihn herabgeschaut hat, versteht, warum der See als Symbol für das ´aufgeschlagene Auge der Erde´ gilt."
Wir schauen uns das "aufgeschlagene Auge" bei einem Spaziergang am Abend vor Halloween an. Ganz in der Nähe zeugt ein von der Straße herabgestürztes Fahrzeug davon, dass man sich hier tatsächlich ein aufgeschlagenes Auge und mehr zulegen kann, wenn auch vielleicht anders, als sich der Prospekt-Poet dies vorgestellt hat. Weitere Erkundungen des mysteriösen Fahrzeugs scheitern am Sturz im a...glattem Bach - Sensations-Reporter haben es auch nicht immer leicht !
Dass Jagen hier verboten ist, beweist ein Schild am Wegesrand. Dass sich hier vermutlich niemand drum schert, beweist das Dauergeballere auf den Höhen ringsum, das wir hier wie auch in den nächsten Tagen noch unangenehmer bemerken werden: Die Jagdsaison läuft offenbar auf Hochtouren ..!
Merkwürdige Druckschwankungen stellen wir fest: Während des Tages zuerst +5 mbar, dann wieder ein Abfall von ca. -6 mbar, unsere Suunto Vector, die wie immer dabei sind, sorgen dafür, dass dies nicht unbemerkt bleibt, während sich am Himmel allerdings nichts Verdächtiges zeigt.
Wir genießen also auch am nächsten Tag weiter die Umgebung, zu der unser bereits erwähnter Prospekt noch weiß: "Es ist schon komisch, daß der Lago d´Idro immer noch ein Geheimtipp ist. Immerhin gilt er als der sauberste See in ganz Oberitalien und seine Lage ist schlicht traumhaft. Der Platz selbst ist ein prima ausgestatteter Familiencamping. Kinder quietschen ausgelassen unter der Disneyspaßdusche, Surfer und Segler nutzen die Surfschule am Platz, Wanderer und Mountainbiker stürmen die umliegenden Gipfel. Und wenn es einmal richtig heiß wird, dann legen Sie sich einfach unter den alten Walnußbaum und genießen in lombardischer Glücksluft eine herrliche Siesta."
Die "lombardische Glücksluft" wird schon recht frisch, als wir an diesem Abend draußen beim Rotwein sitzen. Und in der Tat, wie der Prospekt verspricht, quietschen tatsächlich ein paar Kinder in der Umgebung: Nur zwei Münchner Familien sind außer uns noch auf dem Platz mit zwei Fahrzeugen, einem Wohnwagen und ca. 7-8 Kindern, die aber auf dem benachbarten Spielplatz mindestens wie 10 Kinder wirken - Ferienzeit, Reisezeit!
Dass diese Familien nicht direkt am See stehen, dürfte zwei Gründe haben: Zum einen die schon erwähnten Absperrungen, zum anderen die "familienfreundlichen" Preise, die sie vermutlich auch dem Prospekt entnommen haben: Dieser Platz wird echt teuer, vor allem in der Hauptsaison. Für unseren Stellplatz, der dann sogenannter "Wasser- und Komfortplatz" ist, hätten wir in der Saison C (Juni-August) pro Person ca. 13,- DM sowie zusätzlich ca. DM 50,- pro Nacht, damit für nur zwei Personen insgesamt mindestens ca. DM 75,- ohne Strom, Hund etc. bezahlt ... Doch jetzt wird (auch für unseren See-Stellplatz) nur der Standardpreis verlangt, wir zahlen wie in Lazise ca. 45,- DM pro Nacht.
Was uns an diesen Abenden noch freut: Es gibt auch den im Prospekt erwähnten Walnussbaum tatsächlich - sogar an unserem Stellplatz. Und so wird das Abendessen wieder fürstlich - in der Explorer-Küche gibt es von nun an täglich den berühmten Nachtisch: Bratäpfel mit Vanille und Zucker oder aber Bananen mit gerösteten Walnüssen usw. - echt lecker ..!
© 2002 J. de Haas