17.Tag: Sonntag, 31.08.97, 07:00 Uhr UTC
Von heute an wird es wieder zurückgehen nach Norden, wir haben den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Noch vor dem Frühstück wird auf Nachrichten der Deutschen Welle Köln geschaltet, auch hier ist 6075 SW so gut wie üblich. Heute morgen gibt es um 07:30 Uhr UTC zum letzten Mal auch englische Nachrichten auf FM im isländischen Rundfunk zum offiziellen Abschluß dieses Sommers. Beide Kanäle beherrscht nur eine einzige Nachricht, die das Weltgeschehen zu dominieren scheint: In der letzten Nacht ist Prinzessin Diana in Paris tödlich verunglückt. Wie weit ist doch die restliche Welt entfernt von diesem kleinen Hafen ..!
Zum letzten Mal wollen wir die Herausforderung einer echten Piste. Die einzige Gelegenheit hier unten ergibt sich mit der "Straße" 939, ÖXI genannt, die südlich von der Ringstraße 1 abzweigt (N 64°47,7491´ W014°31,36153´) und damit die von hier aus als komplette Schleife am Fjord entlang verlaufende Ringstraße verläßt.
Die 939 wird noch einmal eine harte Beanspruchung für Mensch, Maschine und Material, aber Pickup und Explorer meistern auch hier alle Auf- und Abstiege sowie felsigen Untergrund. Zwei Unimogs, ebenfalls zurück auf dem Weg zur letzten Fähre, passieren uns, während wir an einem hochgelegenen Bach in traumhafter Umgebung Mineralien suchen und auch finden. Der Weg hierher hat sich gelohnt!
Die Wegstrecke ist noch einmal echt schlecht, mehrere Furten, mit z.T. steilen Ein- und Ausfahrten erwarten uns auf der Strecke, die zeitlich so ein Vielfaches der Schleife auf der Ringstraße 1 beansprucht. Unterwegs überholen uns einige Bigfoots mit isländischen "Sonntagsfahrern", die hier offensichtlich zum Kaffee mal entlang brettern ...
In der mineralhaltigen Gegend finden wir auch unterwegs einige der weltweit berühmten Calzite (keine Bergkristalle, wie mir später erklärt wird!), bei Teigahorn wäre so etwas nur in Begleitung des Farmers möglich gewesen.
Irgendwann am Nachmittag treffen wir nördlich wieder auf die ungeteerte Ringstraße 1 (N 64°54,1127´ W014°38,12584´), wir wissen nun, dass wir dieses Jahr in Island sicher keine Pisten und Furten mehr befahren werden - ein wenig Melancholie ist angesagt ...
Der "Autobahn" folgen wir nun nach Norden, doch noch wollen wir keinesfalls wieder zurück nach Egilsstaðir. Also suchen wir uns ein schönes Übernachtungsplätzchen, was sich mit dem Campingplatz Stóra-Sandfell an der kaum befahrenen Ringstraße 1 auch findet (N 65°07,59337´ W014°32,31521´). Malerisch geht es hier über eine kleine Brücke zu einer wirklich schönen Campingwiese, die ein Farmer betreibt. Die von uns verlangten 500 Kronen bezahlen wir gern, schließlich werden wir nicht mehr allzu oft zu einem derartigen Standplatz kommen in diesem Jahr!
Nach dem Öffnen der Explorer-Einstiegstür ein jäher Schreck: Alles in Bodennähe ist nass, ein echter Wassereinbruch! Beim letzten Wasserholen war wohl ein Kanisterdeckel nur verkantet aufgeschraubt worden, die Piste 939 mit ihren Steigungen hatte das ihrige dazugetan und ca. 6l Wasser hatten es sich im Explorer gemütlich gemacht. Heftiges Fluchen, das wäre wirklich nicht nötig gewesen, von außen hatte das bisher kein Wasser geschafft!
Am Abend gibt es viel zu Trocknen, und es wird Tage dauern, bis auch der letzte Innenteppich im letzten Winkel wieder so ist wie vorher - nämlich trocken. Dennoch gibt es letztlich einen idyllischen Abend mit Frisbee, Family-Tennis und etlichem zu trinken, so dicht vor dem Fahrtende kann man sich ja nur noch besaufen ..!
18.Tag: Montag, 01.09.97, 08:00 Uhr UTC
Heute ist das Aufstehen gemütlich, warum sollten wir uns noch beeilen, wo doch nur noch die Abfahrt in Kürze wartet? Das Wetter ist wieder ok nach kurzem Morgenregen, heute steht nur die Fahrt nach Egilsstaðir und Seyðisfjördur auf dem Programm.
Da das deutsche Bier jetzt endlich aufgebraucht ist, wollen wir bei einem erneuten Einkauf in Egilsstaðir (der wievielte eigentlich?) nochmal den Versuch mit einheimischem Leichtbier (Pissöl - vielsagende einheimische Bezeichnung!) wagen.
Die Tankstelle in Egilsstaðir erlebt diesmal einen Explorer samt Pickup, der von einer zentimeterstarken Lehmschicht befreit werden will - die Waschzeremonie erweist sich als äußerst aufwendig. Vor dem letzten Tanken in Island (Snobeffekt, man spart sich ein erstes Tanken in Dänemark oder Deutschland!) wird noch eine Karte an KRANICH und TROLL01 versandt, zumindest eine sollte davon ankommen ...
Egilsstaðir lassen wir hinter uns, als sich der frisch gewaschene Explorer die passähnliche Straße 93 hinaufbewegt Richtung Seyðisfjördur. Noch einmal reicht der Blick bis zum Horizont - ist weit im Westen noch das Hochland erkennbar? Es ist erst früher Nachmittag, aber als wir kaum über den Höhenrücken gelangt sind, macht die Waschküche schlagartig zu. Bei Sichten von 10-15 m geben wir unser Vorhaben auf, irgendwo nördlich der Straße auf halbem Weg wild zu campen, außerdem ist da mittlerweile eine große Baustelle, wo wir unseren Übernachtungsplatz vorgesehen hatten: Island, wirst auch Du in einigen Jahren teilweise aussehen wie eine kanarische Insel?
Zum dichten Nebel kommt Dauerregen, als wir am frühen Nachmittag den Campingplatz von Seyðisfjördur erreichen - sie meinen es ernst, die Isländer, mit dem Saisonschluss, trotz der letzten Fähre lassen sie sich das Geschäft entgehen und schließen den Platz pünktlich zum Sommerende: nach dem 31.08. ist hier kein Verwalter und Kassierer mehr!
Langsam laufen alle Fahrzeuge ein, die man während der letzten Wochen schon verschiedentlich gesehen hat, viel Zuwinken und z.T. auch Erfahrungsaustausch sind zu vermerken. Da sind sie wieder, die Italiener vom Dettifoss, die Österreicher von der Askja, die einzigen Mitcamper aus Reyðarfjördur, die Dänen aus Tórshavn ... usw. usw. Der Tschechenbus verstopft wieder die Toilette, die armen Schweine zelten schon wieder bei starkem Regen, alles wie gehabt, die Faröer lassen grüßen ..!
Das Pissöl erweist sich (für uns) auch heute als nicht trinkbar, offensichtlich sind wir anders als Anton Berger bei seinem Aufenthalt Island 97 noch nicht entwöhnt genug, um das Zeug zu trinken.
Der Regen lässt nicht nach, wir sind wieder mal froh, im Explorer zu sitzen, an dem das Wasser literweise runterläuft. Auch "Seehund" trifft ein - seine Frau steuert den Expeditions-Hymer rückwärts in eine der wenigen noch verbliebenen Parkbuchten. Der Campingplatz ist mittlerweile voll, die letzte Fähre fordert ihren Tribut ...
Das erste QSO mit "Seehund" lässt nicht mehr lange auf sich warten, scheinbar können wir nur noch auf Campingplätzen miteinander funken, lange währen die Erzählungen über das, was uns mittlerweile unterwegs widerfahren ist - toll, so aus dem Trockenen hinaus über Funk Erfahrungen auszutauschen!
Seehund erzählt uns, dass er schon oft während der letzten Tage vergeblich nach uns gerufen hat, er als Rentner wird nach Rückkehr mit der letzten Fähre (nochmal: er kam bereits mit der ersten!) nun zu einem Globetrotter-Treffen irgendwo in der Lüneburger Heide fahren - auch das nochmal: Rentner, ein Traumberuf!
Das kontinuierliche Prasseln des Regens auf das Explorer-Dach verschafft der heutigen Nacht wieder einmal eine besondere Atmosphäre - das einzige Problem ist, das es sich um die letzte in Island handelt ...
© Text/Bilder 1997 J. de Haas