3.Tag: Sonntag, 17.08.97, 09:30 Uhr MEZ

Das erste Frühstück an Bord ist scheinbar für viele etwas besonderes: eine lange Schlange Frühstückswilliger wartet in der Cafeteria vor der Ausgabe. Frühstückseier sind bereits aus, die Brötchen mit Belag und Tee werden mit Kreditkarte bezahlt - kein Wunder bei den Preisen! Die auf den Faröer Inseln doch angabegemäß unbeliebten Einwegverpackungen finden sich hier soweit das Auge reicht - überzeugende Einreisevorbereitung!

Unterhaltsame Stunden an und unter Deck am ersten vollständigen Tag auf See folgen. Als besonders interessante Veranstaltung scheint sich für viele unsere "Schau"-Navigation auf dem Achterdeck zu entpuppen: Scheinbar hat doch nicht jeder Island-Fahrer sein GPS dabei, so dass die Positionsbestimmung am "Kartentisch" doch gewisse Aufmerksamkeit erregt - verschiedene meist männliche Personen schleichen in der Nähe herum und entscheiden sich z.T. erst später, konkrete Fragen zu stellen (Anm. der Red.: So war es halt noch im Jahr 1997! ).

Navigation an Bord der Norröna ...

Gegen 12:00 Uhr Bordzeit (= Faröer Zeit = MESZ-1 = MEZ = UTC+1, mit anderen Worten: Uhren 1 Stunde zurück!) erfolgen knallharte Messungen: Position N 58° 04,8´ E002°17,3´, Kurs 316°, Geschwindigkeit ca. 33,8 km/Std (ca. 19 Knoten), Ankunft abeam Shetlands ca. 20:15-20:30 Uhr Bordzeit = Faröer Zeit).

An Bord und bald auch am Navigationstisch gibt es echtes Bier von den Faröer Inseln: sowohl das Föroya Björ Pilsnar (4,6%) als auch Black Sheep (5,8%) erfreuen sich trotz der Preise großer Beliebtheit. Dass überall an Bord "Kotzkartons" bereitstehen, von der Bar bis zum Restaurant, hat allerdings weniger mit diesem Bier, als der ständigen Gefahr der Seekrankheit zu tun, die hier offensichtlich allen zu drohen scheint - erst viel später bei der Rückfahrt werden wir erleben, wie konkret diese Gefahr werden kann!

Die Norröna entpuppt sich als echtes "Kinderschiff": Tausende Kids laufen an Bord herum und hängen auch an den unzähligen Spielautomaten, manchmal fragt man sich, ob auch Eltern an Bord sind ...

Am späten Nachmittag springt ein Delfin (oder vielleicht auch Zwergwal?) neben dem Schiff her und begleitet uns eine ganze Weile, so dass selbst der Kapitän aus seiner Brücke kommt. Gegen 20:45 Uhr Bordzeit passieren wir die Orkney Inseln in Sichtweite - der "echte" Nordatlantik lauert dahinter!

Abends erlebt uns wieder die Bar am gewohnten Platz rechtsaußen neben der Tanzfläche an der Absperrung zum Restaurant. Wilde Teenies (scheinbar von den Faröern) verlangen von der Bar-Crew bestimmte CDs aufzulegen - kurz danach beginnt eine heftige Tanzerei in der "Disco". Der Berichterstatter verneint an diesem Abend die Frage einer Tanzwütigen, ob er tanzen möchte: Harte Männer tanzen nicht, geschweige denn auf dem Weg nach Island!

Die zweite Nacht an Bord ist fast schon Routine - das sonore Motorengedröhn wiegt bald in den Schlaf: An Seereisen kann man sich scheinbar gewöhnen ... 

4.Tag: Montag, 18.08.97, 10:00 Uhr MEZ

(Siehe hierzu auch Übersicht Rundfahrt Streymoy)

Die Nacht war schon etwas bewegt, aber die bevorstehende Ankunft in Tórshavn an diesem Morgen überlagert vieles. Wir entschließen uns noch zu einem Frühstück an Bord, denn das schafft trotz des Preises eine gewisse Unabhängigkeit - wer weiß, was uns erwartet!

Erneutes Chaos herrscht kurz vor dem Anlegen auf dem Autodeck: Viele Touristen scheinen die Enge unter Deck vergessen zu haben und kommen mit allem Gepäck und der ganzen Familie zum Auto. Unglaubliche Szenen spielen sich ab, als Mütter mit Kindern unter Stoßstangen durchkriechen und Gepäck durch wenige Zentimeter breite Abstände schleifen - wohl dem, der einen rechtzeitigen Blick auf sein Auto hat ...

Entgegen allen Unkenrufen ist bei der Norröna die Ausfahrt doch hinten möglich, kein Rückwärtsfahren im angekündigten Stil für alle Fahrzeuge einschließlich Gespanne ist erforderlich.

Langsam rollt der Explorer durch die Zollhalle in einer langen Schlange von Fahrzeugen. Zwar stehen einige Zöllner in der Halle, aber niemand macht Anstalten, irgendein Fahrzeug zu kontrollieren. Wenige Minuten später sind unsere Bierdosen auf freiem Stadtgebiet und damit gerettet!

... der Explorer enkommt der Zollhalle ...

Bei wechselhaftem regnerischen Wetter fahren wir zuerst die Straße 50, dann die 40 Richtung Vestmanna nach Nordwesten. Wir sind auf der größten von insgesamt 18 Inseln, die zu den dänisch "besetzten" Faröern gehören. Streymoy ist ca. 375 qkm groß und über eine Brücke ist die zweitgrößte Nachbarinsel Eysturoy zu erreichen, die wir allerdings nicht besuchen wollen.

Die kahlen Berge, die manchmal ein wenig an schottische Landschaften erinnern, säumen den Weg nach Vestmanna. Unser Zielgebiet soll den schönsten natürlichen Hafen der gesamten Faröer Inseln haben und bereits vor den Wikingern zur Keltenzeit besiedelt worden sein. Die mehreren Stauseen bei Vestmanna haben es uns angetan, die nicht nur die Inseln mit Strom versorgen, sondern an denen man auch einige der wenigen Plätze zum "wilden" Campen finden soll, wie wir der TOURS 3/96 entnehmen.

Bald schon kommen wir an in Vestmanna. Eine City ist das nicht, was uns an einspurigen schmalen Wegen an der Ortseinfahrt erwartet, die ca. 1.140 Einwohner scheinen sich versteckt zu haben. Am Hafen glauben wir nicht mehr, dass es wirklich ernst gemeint ist, das mit den Bierdosen: Wir dürfen zwar offiziell keine einführen, aber das, worin hier Kinder wühlen, sieht aus wie zu Hause: normaler Müll!

Idyllisches Vestamanna ... ... aber hier liegt mehr als nur eine der verbotenen Blechdosen herum ...

In der Nähe des ersten (und einzigen) erkennbaren "Supermarktes" halten wir an, da wir unsere Vorräte auffüllen müssen: Ein HO-Markt alten Zuschnitts ist nichts dagegen, wir finden nicht einmal Zwiebeln und die "Bordküche" kommt ins Grübeln. Ein Trockentiefkühlfisch wird erworben, mag sein, dass er im Laufe des Abends nicht nur auftaut, sondern auch schmeckt ...

Nachdem wir die Fähre zum Flughafen auf der Insel Vágar haben ankommen und mit ca. 5 Pkw abfahren sehen, beschließen wir, dass es nun weitergehen soll. Am Abzweig zu den Stauseen von Vestmanna (N 62°09,16199´ W007°08,69597´) biegen wir ab und fahren nicht in nördliche Richtung, sondern zu den östlichen Gewässern.

Die schlechte Piste mit vielen Schlaglöchern, auf der wir dem Flussbett in östlicher Richtung folgen, mag eine gute Vorbereitung auf Island sein. An diesem Nachmittag empfindet sie der Fahrer jedoch nur als ätzend, während er sich im Schritttempo vorarbeitet. Vorbei an einer Fischzucht und etlichen möglichen Stellplätzen erreichen wir einen Stall neben der Piste, wo die Übernachtung stattfinden soll. Dass hier mit Steinen und Balken ein nahezu gerader Stellplatz direkt neben einem tiefen Taleinschnitt mit Flussbett "gebastelt" werden muss, stört niemanden ...

Basteln eines Stellplatzes bei Vestmanna ... ... am Rande des Abgrunds ...

Nach dem Abendessen bricht ein nahezu undurchdringlicher, echt "faringischer" Nebel herein mit Sichtweiten um die 10-15 Meter. Wir machen uns auf den Fußweg in Richtung der von uns nicht mehr weiter befahrenen Piste, irgendwo muss doch ein Ende sein. Ca. 1,5 km weiter erreichen wir die Talsperre im dichten Nebel und jede Menge interessanter möglicher Stellplätze, die die Fantasie beflügeln ...

Nach der Rückkehr zum Explorer wartet der Trockentiefkühlfisch, der hervorragend gemeistert wird. Gegen 22:00 Uhr schreckt uns ein Geräusch auf, das wir um ca. 02:15 Uhr erneut hören werden: Ein schwerer Lkw fährt mit prustendem Motor die nahe Piste neben uns herab, die Motorengeräusche verlieren sich in der Entfernung. Ein Blick durch die beschlagenen Explorer-Fenster zeigt nichts - woher soll um diese Zeit in dieser menschenleeren Gegend ein Truck mit dieser Geräuschkulisse kommen?

Mit Gedanken an Trolle im "Magic Truck" bricht die Nacht herein - die Einsamkeit draußen am Taleinschnitt im dichten Nebel hinterlässt ihre Spuren beim Einschlafen ...


© Text/Bilder 1997 J. de Haas