11. Tag (Mi, 30.08.95)
Als am Morgen noch vor dem Frühstück ein Pkw an unserem Stellplatz ankommt, wird es klar: getreu der Devise, den Kjölur und seine Umgebung auch für nicht geländegängige Fahrzeuge befahrbar zu machen, ist die Zufahrt von der anderen (südlichen) Seite nicht durch eine Furt versperrt. Als wir in Richtung Süden aufbrechen, merken wir, dass diese Umgebung offensichtlich stärker für Freizeitaktivitäten vorbereitet wird und wir auf einer gut befahrbaren Piste wieder auf den Kjölur zurück können ...
Die Fahrt in den Süden bringt uns zum südlichen Anfang der Piste und die Einsamkeit neigt sich ihrem Ende entgegen. Als wir nach (unverändert) atemberaubender Umgebung am Gatter des Kjölur-Anfangs ankommen, sind wir erneut zurück in der Zivilisation. Zu diesem Zeitpunkt zum zweiten Mal stehen wir hier, nachdem wir im Vorjahr mit einem gemieteten Pajero von einer Hütte am Alftavatn aus bis hierher zum Ausklang eines traumhaften Sommers 1994 vorgedrungen waren. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, dass wir auch bei unserem schon erwähnten Silvestertrip 1996, rund 16 Monate später, erneut an diesem Gatter stehen und dann umdrehen werden - diesmal nur mit einem Pkw und auf verschneiter Piste, die jedoch nicht als geschlossen markiert ist - ein echter Schicksalspunkt für den mehrjährigen Island-Fahrer!
Vom Gatter aus ist es nur noch eine kurze Strecke zum Gullfoss, einem der größten und imposantesten Wasserfälle Islands, den wir uns nun auch zum zweiten Mal anschauen und den wir ebenfalls zu Silvester 1996 wieder aufsuchen werden - dann ein traumhafter Anblick in neblig verhangener, vereister Atmosphäre und mit Ausnahme von uns ohne jeden Touristen!
Auch der Geysir und seine hochthermale Umgebung mit vielen "Brodeltöpfen", "Dreckspritzern" und dem Strokkur, dem mächtigen, regelmäßigen Heißwasserspritzer statten wir wieder unseren Besuch ab. Diese Nacht wollen wir sogar auf dem Geyir Camping am Rande des Thermalgebiets zubringen und erhalten dafür auch das OK des mehr schlechten als rechten Personals in dem für die Vergabe der Plätze zuständigen Shop an der Tankstelle gegenüber vom Geysir.
Als wir mit dem Pickup auf das Gelände des Zeltplatzes fahren, stellen wir fest, dass der Boden recht aufgeweicht und der Allrad-Antrieb erforderlich ist. Als uns kurz darauf einige Holländer mit ihrem VW-Bus folgen wollen, bleiben sie bei der Einfahrt zum Platz stecken und wir steigen aus um zu helfen, als wir sehen, dass sie sich vergeblich abmühen. Fast hätte ich den Pickup geholt und endlich unser Abschleppseil eingesetzt, als wir sie auch mit vereinten Körperkräften aus ihrer unangenehmen Lage befreien können.
Wenig später erscheint die Besatzung eines uns bereits aufgefallenen, höhergelegten Pickups, die wohl für den Campingplatz zuständig ist und bewegt die Holländer dazu, den Platz zu verlassen. Als sie danach zu uns kommen, schwant uns bereits einiges. Sie teilen uns mit, dass der Platz zu aufgeweicht für Fahrzeuge wie das unsrige ist und fordern uns auf, den Platz ebenfalls zu verlassen.
Doch nun recht unwillig erklären wir, dass man uns im Shop diesen Platz zugewiesen hat und wir auch keinen Sinn darin sehen, die Stelle bereits heute und nicht erst morgen zu verlassen, da wir hier ja schließlich bereits stehen. Nachdem wir uns bereit erklären, den Platz morgen zu verlassen und sehr vorsichtig zu fahren, ist man zuletzt einverstanden, dass wir hier noch eine Nacht verbringen dürfen. Der Platz wird danach geschlossen, die Saison beendet und das einzige einsame Zelt ist am darauffolgenden Tag das einzige, was sich noch gegenüber vom Geysir aufhält ...
Kein Wunder, dass zu einem so fast misslungenen Stellplatz auch das nahe Hotel am Geysir seinen Beitrag leistet. Wir haben für dieses einen Gutschein zum Duschen / Baden im Shop erhalten, als wir unsere Übernachtung auf dem Campingplatz "buchen". Beim Aufsuchen des Hotels stellt sich heraus, dass das Schwimmbad aus technischen Gründen geschlossen ist. "Hochgestimmt" kehren wir zu unserem Camper zurück, ohne Dusche, die leere Geysir-Umgebung in der Nähe. Bratkartoffeln mit geräuchertem Sild heben die Stimmung wieder.
Bis tief in die Nacht hören wir in unserer Kabine die Eruptionen des Strokkur, es stört ihn nicht, ob es Nacht ist oder Nebel, ob Sommer oder Winter, ob Touristen da sind oder weit und breit (fast) kein Mensch ...
© Text/Bilder 1996, 1997 J. de Haas