So 31.08.03: Es grüßt der Svartifoss ...

Bevor wir heute Morgen weiter fahren, wollen wir noch eine kleine Wanderung unternehmen: Man kann insgesamt drei Wasserfälle besuchen, die nur rund eine Stunde Fußweg entfernt vom Campingplatz des Nationalparks liegen. Der berühmteste von ihnen ist ganz sicher der Svartifoss, und den wollen wir heute unbedingt sehen - gehört er doch zu den ganz wenigen sehr berühmten Wasserfällen Islands, die wir noch nicht besuchen konnten während der letzten Jahre.

Es grüßt der Svartifoss ...Schon von weitem kann man ihn erkennen: Der Svartifoss liegt in einem Taleinschnitt und stürzt über eine Abbruchkante aus wunderschönen Basaltsäulen in die Tiefe - ein "Muss" für jeden Besucher des Nationalparks.

Wir gehen so dicht wie möglich heran an den Felsen, wobei große Steine hilfreich sind, auf denen man recht weit voran kommt. Auf dem vordersten Stein bleiben wir stehen und schauen eine ganze Weile in die Höhe - die Balsaltsäulen erscheinen von hier aus als wahre Kunstwerke. Und dann - nach wenigen Minuten - geschieht es: Plötzlich beginnen sich die Basaltsäulen am Rand der Abbruchkante zu bewegen - mit merkwürdig fließenden Bewegungen scheinen sich einzelne Säulen aus der Umgebung der Felskante zu lösen und nach oben zu bewegen neben dem herunter stürzenden Wasser - ein wahrhaft zugleich magischer wie auch Ehrfurcht erweckender Anblick und Augenblick. 

Erst später stellen wir fest, dass wir unabhängig voneinander dieses Phänomen zur gleichen Zeit beobachtet haben, das nur wenige Minuten anhält. Danach versuchen wir noch mehrfach, diesen Effekt zu wiederholen, den wir zunächst für eine reine optische Täuschung halten. Doch vergeblich. Das Erlebnis bleibt an diesem Morgen einmalig und lässt sich nicht wiederholen. Erst Tage später, weit im Norden der Insel, wird der Beobachter nicht mehr an einen optischen Effekt glauben, als sich ein ähnliches Erlebnis wiederholt - doch dazu später mehr.

Wir machen uns auf den Weg zurück - der Sandur wartet ...

Erinnerungen an die große Flut ...

Island 2003 ...Wieder auf der Ringstraße 1: Man kann sich kaum vom Rückspiegel lösen, so gewaltig ist der Anblick des Gletschermassivs, das hinter uns zurück bleibt. Doch nur kurz währt das Bedauern: Vor uns liegt die Landschaft, die wir wieder gut aus der Vergangenheit kennen - der Skeiðararsandur (Karte/9). Wie hatten wir anlässlich unserer Tour Island 96/97 geschrieben, der Silvestertour "unter dem Vulkan": 

... "Der Gletscherabfluss (Jokulhlaup) begann am Morgen des 5. Novembers (1996) völlig überraschend. Das Anwachsen des Gletscherflusses war schnell und viele Eisberge gerieten in die Flut, die vom Gletscher ins Meer floss. Die Entfernung von ca. 50 km zwischen Grimsvötn und dem Skeiðararsandur wurde schnell überspült.

Folgende Überflutungen wurden festgestellt:

  • Die Überflutung von Núpsvotn beginnt gegen 17:20 Uhr am 05.11.96
  • Die Gigja Brücke fällt gegen 13:00 Uhr
  • Bei Skeiðara gibt es eine starke Flut, die Brücke wird zerstört ...

Erinnerungen an die große Flut ...Die geschätzte Flut beträgt ca. 45.000 m3/s, das sind ca. 10.000 bis 15.000 m3/s mehr als die "jokulhlaups" von 1934 und 1938. Der Flutkanal vom Grimsvötn ist deutlich zu sehen. Er formt einen Einbruchgraben im Eis auf der Gletscheroberfläche mit verschiedenen Löchern. 

Es wird erwartet, dass der Grimsvötn vollständig geleert wird, da die Gletscheroberfläche durch Schmelzwasser zerstört ist. Das hat es im Grimsvötn noch niemals zuvor gegeben. So ein hoher Schmelzgrad kann nur entstehen bei Wassertemperaturen von 10°C oder mehr ...

Es steht nun fest, dass die Gesamtschäden bei ca. 10-15 Millionen US$ liegen, wobei folgende Hauptziele getroffen wurden:

1) Die Skeiðara Brücke wurde nicht zerstört, aber erheblich beschädigt.
2) Die Brücke über die Gigja ist verschwunden.
3) Die Saeluhusakvisl Brücke steht noch, ist aber erheblich beschädigt. Sie ist vollständig von der Flut unterspült.
4) Straßen wurden erheblich beschädigt und auf 10 km vollständig weggespült.
5) Strom- und Telefonkabel wurden beschädigt und zum Teil weggespült ...

Nach Jahren wieder am Überschwemmungsgebiet ...Soweit die Vorgeschichte. Das Explorer Team beschließt, im Dezember 96, nur wenige Wochen nach diesem Ausbruch, nach Island zu fliegen, um die Auswirkungen vor Ort direkt zu studieren und dabei auch noch Silvester 96 in Reykjavik zu feiern ..." ...

Die Erinnerungen überfallen uns, als wir nun auf dieser einst zerstörten Straße stehen, die wir seinerzeit im Tiefflug mit einer Maschine von Leiguflug überflogen hatten - das Explorer Team war zwar nur auf dem Copilotensitz vertreten, dafür aber auch mit GPS, um den Krater im Vatnajökull zu finden - die Erlebnisse sind noch so lebendig, als wären sie erst gestern gewesen ...

Die Reste der Brückenkonstruktion, die hier völlig deformiert als Mahnmal mitsamt entsprechenden Informationstafeln an einem Rastplatz an der Ringstraße 1 zu finden sind, erlauben uns keine Weiterfahrt: Bereits wenige Minuten später ist die Stahlkonstruktion erklommen - die Aussicht von hier über den Sandur ist beeindruckend.

Der Weg runter von den Stahlresten ist schwieriger als rauf, doch gelingt trotz fortgeschrittenem Alter wieder - bei der nächsten Flut an dieser Stelle wird das nicht mehr so sicher sein ...

1996: Unser Überflug - Straßen und Brücken zerstört ... Heute: Erinnerungstafeln ...

Es geht weiter auf der Ringstraße: Was bei uns die Igel sind, stellen hierzulande die Jungmöwen dar. Immer wieder und in großer Zahl liegen sie plattgewalzt auf der Straße. Die Gründe dafür sind bald klar: Die Jungmöwen können noch nicht fliegen, verirren sich aber recht häufig auf Fahrbahnen, vielleicht, weil diese als Runway für Startversuche besonders geeignet erscheinen im Gegensatz zum Gelände, wo man doch vielfach üble Startabbrüche der Buchpiloten erleben kann.  

Jungmöwen: Die Igel Islands ...Und dann kommen die Autofahrer, die hier wohl wenig Rücksicht zu nehmen scheinen: Da die "Kleinen" genau so groß wie ihre Eltern sind, erwartet man vielleicht, dass sie rechtzeitig wegfliegen, was dann aber nicht geschieht. Allerdings müsste dieses alljährlich um diese Zeit wiederkehrende Phänomen allen Einheimischen bekannt sein, wenn es sie denn interessiert, was nicht sicher erscheint. 

Touristen ist es vielleicht eher weniger bekannt, die in diesem Jahr doch erheblich zahlreicher auf Islands Straßen unterwegs sind, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war - aber viele positive Reiseberichte von der Insel bleiben eben nicht folgenlos ...

Weiter Richtung Vik (Karte/10): Das Wetter verschlechtert sich, ein recht starker Wind pfeift um die Südspitze Islands. Die Warnung vor Sandstürmen ist mehr als berechtigt: Schauergeschichten gibt es nicht nur hier um "sandgestrahlte" Fahrzeuge - auch heute sind die Staubwirbel deutlich zu beobachten, die sich überall neben der Straße plötzlich aufbauen ...

Wir sind froh, als wir Vik erreichen, hatten wir hier doch bei Island 95 Halt gemacht, seinerzeit noch mit dem Mazda und dem US-Scamper auf der Ladefläche. 

Der Campingplatz (N63.41941° W018.99471°) enttäuscht heute allerdings: Heftiger Wind fegt über den verlassenen Platz auf der anderen Seite der Straße, er wirkt völlig unverändert im Vergleich zu damals. Kein einladender Ort heute, sollte uns das Wetterglück nun den Rücken kehren, weil wir über die Dauersonne gelästert hatten? Nun, der "verkappte Saharafahrer" () ganz innen drin meint, hier müsse man nicht bleiben. 

Lediglich ein einziges Zelt flattert am Rande des Campingplatzes im starken Wind, daneben ein deutsches Schrottauto, das unsere Aufmerksamkeit erregt: Es gibt sogar einen Fahrer darin, der uns seine traurige Geschichte erzählt, doch dazu mehr in unserem Schwerpunktthema "Driving on Icelandic Roads" ... 

Droht immer: Sandsturm vor Vik ... Vik 1995: Touristen-Amphibienfahrzeuge starteten noch von hier ...

Obwohl sich eine Erkältung fast wie 1995 bei uns eingeschlichen hat, erkundigen wir uns dennoch in Vik nach dem Unternehmen, das damals mit seinen blauen Amphibienfahrzeugen von hier aus aufgebrochen ist, um zum berühmten Felsentor von Dyrhólaey zu fahren, um dort zwischen spektakulären Felsen Vögelkolonien zu besuchen.

Doch die sind nicht mehr in Vik heutzutage: Sie sind umgezogen von Vik weg in Richtung zum Kap Dyrhólaey, wir fahren auf unserem Weg zum Kap an ihrem Eingangstor vorbei, da wohl kaum mit einer Ausfahrt bei diesem Wetter und dieser Jahreszeit zu rechnen ist. Die Piste dorthin verläuft im ersten Teil durch eine Lavalandschaft, bis man schließlich nach einer recht steilen Anfahrt den Leuchtturm von Dyrhólaey erreicht hat: Wir sind an der Südspitze Islands angekommen (N63.40369° W019.12914°). 

In einer Höhe von über 120m befinden wir uns hier, ein unangenehmer Wind treibt immer dichtere Nebelfetzen an uns vorbei, wir sind wie so oft weit und breit die einzigen Menschen, als wir die letzten Meter bis zum Leuchtturm zu Fuß gehen. Das berühmte Felsentor ist jetzt nahezu unsichtbar - zu dicht wabbert der Nebel jetzt, nachdem wir noch eine Viertelstunde vorher die charakteristischen spitzen Felsen der Umgebung gut beobachten konnten - kommt nun die Retourkutsche des Wettergotts ..? 

Heute fast unsichtbar: Das Felsentor ... ... und die anderen berühmten Felsen von Dyrhólaey ...

Am heutigen Nachmittag kann man nur noch weiter fahren - ein Halt hier irgendwo kommt in Anbetracht des sich ständig verschlechternden Wetters nicht in Frage. Also weiter entlang der Ringstraße, doch wohin von hier aus? Eigentlich war ein Ruhetag in Vik geplant und ein Ausflug zu den Felsen, nun steht also eine Programmänderung an.

Die Karte wird studiert und die geografischen Gegebenheiten der weiteren Strecke gen Westen: Schließlich entdecken wir auf der Karte ein Camp in einem Taleinschnitt, der senkrecht zur herrschenden Windrichtung liegt, direkt südlich des Eyjafjalljökulls, des westlichen kleinen Nachbars des Südgletschers Myrdalsjökull. Also nichts wie hin, auf der Karte wirkt die Lage sehr interessant.

Und richtig getippt! Der Gletscher und das Tal bilden eine merkwürdige Wetterscheide, hinter uns jagt eine dichte, nahezu aufliegende Bewölkung vorbei, als wir die Ringstraße nach Norden verlassen und vor uns tatsächlich wieder die Sonne scheint. Wir nähern uns dem Campingplatz am Raufarfell (N63.559046° W019.622349°), eine hervorragende Entscheidung (Karte/11)!   

Idylle mit Drachen am Raufarfell ...Nur wenige Camper sind auf diesem Platz, der idyllisch in einem Taleinschnitt liegt und für den der nahe nördliche Gletscher ein eigenes Wetter macht. Neben uns steht ein Pärchen aus Deutschland mit seinem Defender, wir kommen ins Gespräch. Sie sind dabei, ihr Dachzelt einzupacken: Da sie morgen Richtung Fähre weiter wollen, werden sie die heutige Nacht im Auto schlafen, weil sie ihre Ausrüstung trocken zurück bringen wollen.

Wir starten in Anbetracht des doch recht frischen Windes unsere 30m-Schlange: Wie üblich Anlass für die gesamte Umgebung zur Kontaktaufnahme. Immer wieder erstaunlich, wie positiv die Reaktionen sind, wenn derart beeindruckende Drachen am Fahrzeug befestigt werden: Auch der nach plötzlicher Windstille anschließend erforderliche Leichtwinddrache, der schon in Höfn den isländischen Himmel bevölkerte und auch dort Gletscherblick hatte, erregt die Aufmerksamkeit der übrigen Camper.

Oft hat derartiges Aufsehen sehr positive Auswirkungen: Nicht nur überall freundlich winkende Menschen sind die Folge, sondern in diesem Fall sogar noch ein heißer Tipp. Eine benachbarte Zelterin aus Deutschland kommt auf uns zu und erkennt unser Kfz-Kennzeichen: In diesem Ort hat sie bei einer Freundin ihr Auto geparkt, bevor sie auf ihre Grönland-Islandrundreise ging. Und weil wir ihr auch sonst sympathisch zu sein scheinen, folgt der Geheimtipp: Obwohl der Campingplatz einen eigenen "Hot Spot" hat, befindet sich etwas 15-20 Minuten entfernt eine Attraktion: Die Seljavallalaug, ein "Freibad" von 1923, das durch eine heiße Quelle gespeist wird. 

Die Seljavallalaug, einsamer Hot Spot am Raufarfell ... ... und ein zufriedener Badegast ...

Klar, dass wir diesem Tipp folgen und uns auf den Weg durch das Tal machen. Eine runde Viertelstunde zu Fuß folgen wir der angedeuteten Richtung, zuletzt an einem Fluss entlang, in den sich das heiße Wasser der Quelle und aus dem "Hot Spot" ergießt. Wir geben hier ausnahmsweise mal keine Koordinaten bekannt, da man auf dem Weg zum Hot Spot sicher nur das Nötigste dabei hat. Und so bleibt es auch weiter ein "Geheimtipp": Völlig allein sind wir hier vor pittoresker Kulisse der umliegenden Berge, um die nun inzwischen auch der Nebel wabbert - ein Weg und ein Camp, das sich gelohnt hat!


© 2004 Text/Bilder J. de Haas